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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. III. SECTIO XIIX.
SECTIO XXVIII.

An einen Christlichen Prediger in Sachsen.
Jch setze Göttlichem wort keine andre offenbahrung
zur seiten. Haß fleischlicher
Theologorum gegen die lehre
der Gottseligkeit aus ihrem
interesse. Unsere
pflicht in solchen zustand und gewisser
sieg.

MJt meiner bißherigen erklährung zweiffele ich nicht/ daß allein billichkeit
liebenden gemüthern ein genüge geschehen werde. Was aber andere an-
langt/ welche mit bitterer gall gegen mich oder auch insgesamt gegen das
gute so ich treibe/ eingenommen seind denen geschiehet mit nichts gnug/ sondern in
der geradesten bintzen werden sie knoten finden/ daher ich ihrer wenig achte/ sondern
nur vor sie bete. Jn übrigen kan ich alle fromme selen ein vor allemahl versichern/
daß mich nimmermehr durch etwas/ was es auch seyen solte/ von den unbetrügli-
chen wort GOttts abziehen/ oder nur einige scheinbahrste offenbahrung darneben
zum grunde unsers glaubens setzen lassen werde/ sondern ich erkenne den hohen vor-
zug des geschriebenen Göttlichen der allgemeinen kirchen gegebenen worts vor al-
len andern (wann auch solche wären) von GOTT gewissen leuten/ absonderlich
gegebenen offenbahrungen. Jenes bleibet die einige richtschnur/ diese müssen sich
erst nach jener urtheilen/ und von der übereinstimmung mit derselbigen/ so wohl
als andere auslegungen/ ihren glauben hernehmen. Ach geliebter bruder/ lasset
uns die list des teuffels/ dessen herrschafft so mächtig ist/ auch darinne wahrnehmen/
daß er unter den schein des eiffers vor die orthodoxie alles gute/ wo nehmlich
Christliche hertzen/ daß es mit der buchstäblichen wahrhett nicht gnug/ sondern ne-
ben derselben/ die jenige wahrheit/ so Lutherus Ephes. 4/ 21. das rechtschaffene
wesen in CHRJSTO JESU
nennet/ welche voller früchten der heiligung
ist/ nöthig seye/ ernstlichtreiben/ und andere so solcher wahrheit aus überzeugung ih-
res gewissens anfhngen bey sich platz zu geben/ zu unterdrucken suchet/ und ihm lei-
der aus Göttlichem gericht nur allzusehr gelinget. Er bekommet auch gar leicht
fleischliche Theologos zu instrumenten seiner boßheit: Denn weil dieselbe nichts
an sich haben als eine buchstäbliche gelehrheit ohne innerlichen Geist und krafft/ aus
ihrem geistlichen sinn aber ihre hauptabsicht ist wie sie sich unter den vorwand der
heiligkeit des amts in hohen ansehen/ reichen auskommen/ u. bey mitteln eines beque-
men oder gar wollüstigen lebens erhalten möchten/ so sehen sie solchem ihren inter-
esse
nichts gerader entgegen zu stehen/ als wo ein solches Christenthum nicht nur
gelehret/ sondern von mehrern in der übung gebracht würde/ so daß ihrige beschä-

mete:
Bbb bbb
ARTIC. III. SECTIO XIIX.
SECTIO XXVIII.

An einen Chriſtlichen Prediger in Sachſen.
Jch ſetze Goͤttlichem wort keine andre offenbahrung
zur ſeiten. Haß fleiſchlicher
Theologorum gegen die lehre
der Gottſeligkeit aus ihrem
intereſſe. Unſere
pflicht in ſolchen zuſtand und gewiſſer
ſieg.

MJt meiner bißherigen erklaͤhrung zweiffele ich nicht/ daß allein billichkeit
liebenden gemuͤthern ein genuͤge geſchehen werde. Was aber andere an-
langt/ welche mit bitterer gall gegen mich oder auch insgeſamt gegen das
gute ſo ich treibe/ eingenommen ſeind denen geſchiehet mit nichts gnug/ ſondern in
der geradeſten bintzen werden ſie knoten finden/ daher ich ihrer wenig achte/ ſondern
nur vor ſie bete. Jn uͤbrigen kan ich alle fromme ſelen ein vor allemahl verſichern/
daß mich nimmermehr durch etwas/ was es auch ſeyen ſolte/ von den unbetruͤgli-
chen wort GOttts abziehen/ oder nur einige ſcheinbahrſte offenbahrung darneben
zum grunde unſers glaubens ſetzen laſſen werde/ ſondern ich erkenne den hohen vor-
zug des geſchriebenen Goͤttlichen der allgemeinen kirchen gegebenen worts vor al-
len andern (wann auch ſolche waͤren) von GOTT gewiſſen leuten/ abſonderlich
gegebenen offenbahrungen. Jenes bleibet die einige richtſchnur/ dieſe muͤſſen ſich
erſt nach jener urtheilen/ und von der uͤbereinſtimmung mit derſelbigen/ ſo wohl
als andere auslegungen/ ihren glauben hernehmen. Ach geliebter bruder/ laſſet
uns die liſt des teuffels/ deſſen herrſchafft ſo maͤchtig iſt/ auch darinne wahrnehmen/
daß er unter den ſchein des eiffers vor die orthodoxie alles gute/ wo nehmlich
Chriſtliche hertzen/ daß es mit der buchſtaͤblichen wahrhett nicht gnug/ ſondern ne-
ben derſelben/ die jenige wahrheit/ ſo Lutherus Epheſ. 4/ 21. das rechtſchaffene
weſen in CHRJSTO JESU
nennet/ welche voller fruͤchten der heiligung
iſt/ noͤthig ſeye/ ernſtlichtreiben/ und andere ſo ſolcher wahrheit aus uͤberzeugung ih-
res gewiſſens anfhngen bey ſich platz zu geben/ zu unterdrucken ſuchet/ und ihm lei-
der aus Goͤttlichem gericht nur allzuſehr gelinget. Er bekommet auch gar leicht
fleiſchliche Theologos zu inſtrumenten ſeiner boßheit: Denn weil dieſelbe nichts
an ſich haben als eine buchſtaͤbliche gelehrheit ohne innerlichen Geiſt und krafft/ aus
ihrem geiſtlichen ſinn aber ihre hauptabſicht iſt wie ſie ſich unter den vorwand der
heiligkeit des amts in hohen anſehen/ reichen auskom̃en/ u. bey mitteln eines beque-
men oder gar wolluͤſtigen lebens erhalten moͤchten/ ſo ſehen ſie ſolchem ihren inter-
eſſe
nichts gerader entgegen zu ſtehen/ als wo ein ſolches Chriſtenthum nicht nur
gelehret/ ſondern von mehrern in der uͤbung gebracht wuͤrde/ ſo daß ihrige beſchaͤ-

mete:
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[929/0947] ARTIC. III. SECTIO XIIX. SECTIO XXVIII. An einen Chriſtlichen Prediger in Sachſen. Jch ſetze Goͤttlichem wort keine andre offenbahrung zur ſeiten. Haß fleiſchlicher Theologorum gegen die lehre der Gottſeligkeit aus ihrem intereſſe. Unſere pflicht in ſolchen zuſtand und gewiſſer ſieg. MJt meiner bißherigen erklaͤhrung zweiffele ich nicht/ daß allein billichkeit liebenden gemuͤthern ein genuͤge geſchehen werde. Was aber andere an- langt/ welche mit bitterer gall gegen mich oder auch insgeſamt gegen das gute ſo ich treibe/ eingenommen ſeind denen geſchiehet mit nichts gnug/ ſondern in der geradeſten bintzen werden ſie knoten finden/ daher ich ihrer wenig achte/ ſondern nur vor ſie bete. Jn uͤbrigen kan ich alle fromme ſelen ein vor allemahl verſichern/ daß mich nimmermehr durch etwas/ was es auch ſeyen ſolte/ von den unbetruͤgli- chen wort GOttts abziehen/ oder nur einige ſcheinbahrſte offenbahrung darneben zum grunde unſers glaubens ſetzen laſſen werde/ ſondern ich erkenne den hohen vor- zug des geſchriebenen Goͤttlichen der allgemeinen kirchen gegebenen worts vor al- len andern (wann auch ſolche waͤren) von GOTT gewiſſen leuten/ abſonderlich gegebenen offenbahrungen. Jenes bleibet die einige richtſchnur/ dieſe muͤſſen ſich erſt nach jener urtheilen/ und von der uͤbereinſtimmung mit derſelbigen/ ſo wohl als andere auslegungen/ ihren glauben hernehmen. Ach geliebter bruder/ laſſet uns die liſt des teuffels/ deſſen herrſchafft ſo maͤchtig iſt/ auch darinne wahrnehmen/ daß er unter den ſchein des eiffers vor die orthodoxie alles gute/ wo nehmlich Chriſtliche hertzen/ daß es mit der buchſtaͤblichen wahrhett nicht gnug/ ſondern ne- ben derſelben/ die jenige wahrheit/ ſo Lutherus Epheſ. 4/ 21. das rechtſchaffene weſen in CHRJSTO JESU nennet/ welche voller fruͤchten der heiligung iſt/ noͤthig ſeye/ ernſtlichtreiben/ und andere ſo ſolcher wahrheit aus uͤberzeugung ih- res gewiſſens anfhngen bey ſich platz zu geben/ zu unterdrucken ſuchet/ und ihm lei- der aus Goͤttlichem gericht nur allzuſehr gelinget. Er bekommet auch gar leicht fleiſchliche Theologos zu inſtrumenten ſeiner boßheit: Denn weil dieſelbe nichts an ſich haben als eine buchſtaͤbliche gelehrheit ohne innerlichen Geiſt und krafft/ aus ihrem geiſtlichen ſinn aber ihre hauptabſicht iſt wie ſie ſich unter den vorwand der heiligkeit des amts in hohen anſehen/ reichen auskom̃en/ u. bey mitteln eines beque- men oder gar wolluͤſtigen lebens erhalten moͤchten/ ſo ſehen ſie ſolchem ihren inter- eſſe nichts gerader entgegen zu ſtehen/ als wo ein ſolches Chriſtenthum nicht nur gelehret/ ſondern von mehrern in der uͤbung gebracht wuͤrde/ ſo daß ihrige beſchaͤ- mete: Bbb bbb

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 929. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/947>, abgerufen am 25.04.2024.