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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.

MJr thuts wehe/ und ist ein betrübtes omen vor uns/ daß es mit
solcher Universität/ da das liecht des Evangelii in vergangenem se-
culo
zu hellerem schein erstmals wieder auffgegangen/ aus göttli-
chen gericht in den jenigen stand gerathen/ daß man nicht ohne wehmuth/
theils in mitleiden/ theils gerechten eyffer vor die wahrheit/ an dieselbige
wegen ihrer Theologischen Facultät gedencken kan. So vielmehr weil an
statt gehoffter besserung es schier immer ärger und unverschämter werden
will: welches in vorigen sommer Herr D. Neumanns Disp. de justificatione
gnugsam angezeiget. Ach daß nunmehr die lehr von lebendigen glauben/ wie
allein derselbige/ nicht aber der todte/ gerecht mache/ als ein schwehrer irr-
thum will angegeben und verworffen werden/ an dem jenigen ort/ wo vor-
weilen unser theurer Lutherus so hertzlich gegen die falsche einbildung des
glaubens geeyffert/ und die sicherheit/ die auff diese sich gründet/ ärger ge-
halten hat/ als alle irrthum/ die vor der zeit in dem Papstuhm im schwang
gewesen sind: wie er unter andern T. 7. Alt. f. 11. a deutlich redet/ und seine
meinung außdrucket. Daher ich den zustand der Studiosorum Theologiae
in Wittenberg hertzlich bedaure/ die entweder als der wahrheit noch uner-
fahren zu deroselben lästerung und hingegen in irrthum geführet/ oder da sie
bessern grund gefast auffs wenigste irre gemacht/ oder doch weiter nicht zuzu-
nehmen verhindert werden. 6. Oct. 1699.

SECT. XLIII.

Meine art zuverfahren. Hitzige anschläge und
beginnen nicht die beste. Wie man sich jetziger zeit zuver-
halten. Regierung neuer secte der Pietisten. Daß den wi-
dersachern nicht mehr antworten wolle. Mittelstras-
se der Symbolischen bücher. Churfürstl.
decisum
wegen der Reichs-freyheit ob geän-
dert.

ES ist mir angenehm ge wesen/ wenn mein Hochgeehrter Herr befin-
det/ daß die in meinen geringen schrifften angeführte wahrheiten
nach heutigen zustand des Christenthums sich ad vitam practicam
besser und nachdrücklicher appliciren lassen/ als einige sonsten scheinbare
speculationes academicae. Jn welchem sinn versichere/ daß man durch die
erfahrung immer mehr bekräfftiget werde werden. Was zwar die Theo-
retica
und gleubens puncten anlanget/ ist darinnen die wahrheit allezeit ei-

ner
Das ſechſte Capitel.

MJr thuts wehe/ und iſt ein betruͤbtes omen vor uns/ daß es mit
ſolcher Univerſitaͤt/ da das liecht des Evangelii in vergangenem ſe-
culo
zu hellerem ſchein erſtmals wieder auffgegangen/ aus goͤttli-
chen gericht in den jenigen ſtand gerathen/ daß man nicht ohne wehmuth/
theils in mitleiden/ theils gerechten eyffer vor die wahrheit/ an dieſelbige
wegen ihrer Theologiſchen Facultaͤt gedencken kan. So vielmehr weil an
ſtatt gehoffter beſſerung es ſchier immer aͤrger und unverſchaͤmter werden
will: welches in vorigen ſommer Herr D. Neumanns Disp. de juſtificatione
gnugſam angezeiget. Ach daß nunmehr die lehr von lebendigen glauben/ wie
allein derſelbige/ nicht aber der todte/ gerecht mache/ als ein ſchwehrer irr-
thum will angegeben und verworffen werden/ an dem jenigen ort/ wo vor-
weilen unſer theurer Lutherus ſo hertzlich gegen die falſche einbildung des
glaubens geeyffert/ und die ſicherheit/ die auff dieſe ſich gruͤndet/ aͤrger ge-
halten hat/ als alle irrthum/ die vor der zeit in dem Papſtuhm im ſchwang
geweſen ſind: wie er unter andern T. 7. Alt. f. 11. a deutlich redet/ und ſeine
meinung außdrucket. Daher ich den zuſtand der Studioſorum Theologiæ
in Wittenberg hertzlich bedaure/ die entweder als der wahrheit noch uner-
fahren zu deroſelben laͤſterung und hingegen in irrthum gefuͤhret/ oder da ſie
beſſern grund gefaſt auffs wenigſte irre gemacht/ oder doch weiter nicht zuzu-
nehmen verhindert werden. 6. Oct. 1699.

SECT. XLIII.

Meine art zuverfahren. Hitzige anſchlaͤge und
beginnen nicht die beſte. Wie man ſich jetziger zeit zuver-
halten. Regierung neuer ſecte der Pietiſten. Daß den wi-
derſachern nicht mehr antworten wolle. Mittelſtraſ-
ſe der Symboliſchen buͤcher. Churfuͤrſtl.
deciſum
wegen der Reichs-freyheit ob geaͤn-
dert.

ES iſt mir angenehm ge weſen/ wenn mein Hochgeehrter Herr befin-
det/ daß die in meinen geringen ſchrifften angefuͤhrte wahrheiten
nach heutigen zuſtand des Chriſtenthums ſich ad vitam practicam
beſſer und nachdruͤcklicher appliciren laſſen/ als einige ſonſten ſcheinbare
ſpeculationes academicæ. Jn welchem ſinn verſichere/ daß man durch die
erfahrung immer mehr bekraͤfftiget werde werden. Was zwar die Theo-
retica
und gleubens puncten anlanget/ iſt darinnen die wahrheit allezeit ei-

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[968/0986] Das ſechſte Capitel. MJr thuts wehe/ und iſt ein betruͤbtes omen vor uns/ daß es mit ſolcher Univerſitaͤt/ da das liecht des Evangelii in vergangenem ſe- culo zu hellerem ſchein erſtmals wieder auffgegangen/ aus goͤttli- chen gericht in den jenigen ſtand gerathen/ daß man nicht ohne wehmuth/ theils in mitleiden/ theils gerechten eyffer vor die wahrheit/ an dieſelbige wegen ihrer Theologiſchen Facultaͤt gedencken kan. So vielmehr weil an ſtatt gehoffter beſſerung es ſchier immer aͤrger und unverſchaͤmter werden will: welches in vorigen ſommer Herr D. Neumanns Disp. de juſtificatione gnugſam angezeiget. Ach daß nunmehr die lehr von lebendigen glauben/ wie allein derſelbige/ nicht aber der todte/ gerecht mache/ als ein ſchwehrer irr- thum will angegeben und verworffen werden/ an dem jenigen ort/ wo vor- weilen unſer theurer Lutherus ſo hertzlich gegen die falſche einbildung des glaubens geeyffert/ und die ſicherheit/ die auff dieſe ſich gruͤndet/ aͤrger ge- halten hat/ als alle irrthum/ die vor der zeit in dem Papſtuhm im ſchwang geweſen ſind: wie er unter andern T. 7. Alt. f. 11. a deutlich redet/ und ſeine meinung außdrucket. Daher ich den zuſtand der Studioſorum Theologiæ in Wittenberg hertzlich bedaure/ die entweder als der wahrheit noch uner- fahren zu deroſelben laͤſterung und hingegen in irrthum gefuͤhret/ oder da ſie beſſern grund gefaſt auffs wenigſte irre gemacht/ oder doch weiter nicht zuzu- nehmen verhindert werden. 6. Oct. 1699. SECT. XLIII. Meine art zuverfahren. Hitzige anſchlaͤge und beginnen nicht die beſte. Wie man ſich jetziger zeit zuver- halten. Regierung neuer ſecte der Pietiſten. Daß den wi- derſachern nicht mehr antworten wolle. Mittelſtraſ- ſe der Symboliſchen buͤcher. Churfuͤrſtl. deciſum wegen der Reichs-freyheit ob geaͤn- dert. ES iſt mir angenehm ge weſen/ wenn mein Hochgeehrter Herr befin- det/ daß die in meinen geringen ſchrifften angefuͤhrte wahrheiten nach heutigen zuſtand des Chriſtenthums ſich ad vitam practicam beſſer und nachdruͤcklicher appliciren laſſen/ als einige ſonſten ſcheinbare ſpeculationes academicæ. Jn welchem ſinn verſichere/ daß man durch die erfahrung immer mehr bekraͤfftiget werde werden. Was zwar die Theo- retica und gleubens puncten anlanget/ iſt darinnen die wahrheit allezeit ei- ner

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 968. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/986>, abgerufen am 28.03.2024.