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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. III. SECT. XXI.
unmüglig unerhöret bleiben können/ sich zu wege bringen: Wormit der himmli-
schen regierung und mildesten segen treulich empfehlende verharre. u. s. f.

SECTIO XXI.

An M. Joh. Christoph Holtzhausen wegen sei-
ner gewissens angst über das vermessene urtheil wider die
Pietisten/ verdammung Jacob Böhmens und
harte schreib-art gegen Matthäi.

(NB. Die gantze historie samt des S. mannes eigenen brieffe habe einverleibt
meiner rettung der gerechten sache gegen
D. Aug. Pfeiffern cap. 4. §. 9.
u. s. f. 260. u. f. Wie nun damahl dieses concept pag. 279. nicht hatte
finden können/ so aber seither wie auch die num. folgen/ sich wider ge-
funden hat/ so mangelt mirs dießmahl an dem ersten/ dar auff sich die-
ser brieff bezencht/ worinnen ihm allein zum trost gezeigt/ daß er kei-
ne sünde in den heiligen Geist begangen haben könne.
)

JCh habe seither so wol wegen bekanten geschäfften/ als auch weil gern eine
mehrere zeit verlangte/ der wichtigen sache nachzudencken/ und diesen ter-
minum
/ selbst neulich gesetzt/ daß etwa diese woche schreiben möchte/ die ant-
wort annoch verschoben/ so hiermit in der furcht des HErrn und mit dessen anruf-
fung abstatte.

1. Erkenne ich/ die geliebten bruder widerfahrne auffwachung des gewis-
sens/ und daher entstandene der seelen unruhe über eine sache/ darinnen derselbe
nach damahligen seines gewissens vorstellung nicht zu sündigen/ sondern vor GOt-
tes ehre und die wahrheit auch zueiffern gedachte/ so dann härtere wort einen solchen
eiffer nicht umständig zu seyen glaubte/ vor ein nicht ungefehres werck/ sondern vor
einen finger Gottes: Um so viel mehr weil solche unruhe und angst sich nicht legen
wollen/ was auch derselbe zu seiner beruhigung mag vorgenommen haben/ also daß
auch der trost der absolution einige nur kurtze linderung gegeben/ hingegen dieselbe
widerum auffs neue hefftiger angesetzet hat: So gewiß nirgends anders her/ als
von der rührung dessen/ eessen hand unsere seele/ sie wolle oder wolle nicht/ fühlen
muß/ herrühren kan/ und mich des zustands Davids/ den er Psalm. 32. beschreibet
erinnert. Wo nun dergleichen Göttliche rührungen sich zeigen/ ist man schuldig
denenselben platz zugeben/ und demjenigen nachzukommen/ was uns alsdenn das
gewissen vor rath giebet; indem man sonst zu einer beständigen ruhe nimmermehr
kommen kan. Wie mir erst neulich ein exempel aus N. N. bekant worden da mir
der ehemann/ selbst ein Prediger berichtet/ daß seine ehefrau/ mit dero er liebreich

lebet/

ARTIC. III. SECT. XXI.
unmuͤglig unerhoͤret bleiben koͤnnen/ ſich zu wege bringen: Wormit der himmli-
ſchen regierung und mildeſten ſegen treulich empfehlende verharre. u. ſ. f.

SECTIO XXI.

An M. Joh. Chriſtoph Holtzhauſen wegen ſei-
ner gewiſſens angſt uͤber das vermeſſene urtheil wider die
Pietiſten/ verdammung Jacob Boͤhmens und
harte ſchreib-art gegen Matthaͤi.

(NB. Die gantze hiſtorie ſamt des S. mañes eigenẽ brieffe habe einverleibt
meiner rettung der gerechten ſache gegen
D. Aug. Pfeiffern cap. 4. §. 9.
u. ſ. f. 260. u. f. Wie nun damahl dieſes concept pag. 279. nicht hatte
finden koͤnnen/ ſo aber ſeither wie auch die num. folgen/ ſich wider ge-
funden hat/ ſo mangelt mirs dießmahl an dem erſten/ dar auff ſich die-
ſer brieff bezencht/ worinnen ihm allein zum troſt gezeigt/ daß er kei-
ne ſuͤnde in den heiligen Geiſt begangen haben koͤnne.
)

JCh habe ſeither ſo wol wegen bekanten geſchaͤfften/ als auch weil gern eine
mehrere zeit verlangte/ der wichtigen ſache nachzudencken/ und dieſen ter-
minum
/ ſelbſt neulich geſetzt/ daß etwa dieſe woche ſchreiben moͤchte/ die ant-
wort annoch verſchoben/ ſo hiermit in der furcht des HErrn und mit deſſen anruf-
fung abſtatte.

1. Erkenne ich/ die geliebten bruder widerfahrne auffwachung des gewiſ-
ſens/ und daher entſtandene der ſeelen unruhe uͤber eine ſache/ darinnen derſelbe
nach damahligen ſeines gewiſſens vorſtellung nicht zu ſuͤndigen/ ſondern vor GOt-
tes ehre und die wahrheit auch zueiffern gedachte/ ſo dann haͤrtere wort einen ſolchen
eiffer nicht umſtaͤndig zu ſeyen glaubte/ vor ein nicht ungefehres werck/ ſondern vor
einen finger Gottes: Um ſo viel mehr weil ſolche unruhe und angſt ſich nicht legen
wollen/ was auch derſelbe zu ſeiner beruhigung mag vorgenommen haben/ alſo daß
auch der troſt der abſolution einige nur kurtze linderung gegeben/ hingegen dieſelbe
widerum auffs neue hefftiger angeſetzet hat: So gewiß nirgends anders her/ als
von der ruͤhrung deſſen/ eeſſen hand unſere ſeele/ ſie wolle oder wolle nicht/ fuͤhlen
muß/ herruͤhren kan/ und mich des zuſtands Davids/ den er Pſalm. 32. beſchreibet
erinnert. Wo nun dergleichen Goͤttliche ruͤhrungen ſich zeigen/ iſt man ſchuldig
denenſelben platz zugeben/ und demjenigen nachzukommen/ was uns alsdenn das
gewiſſen vor rath giebet; indem man ſonſt zu einer beſtaͤndigen ruhe nimmermehr
kommen kan. Wie mir erſt neulich ein exempel aus N. N. bekant worden da miꝛ
der ehemann/ ſelbſt ein Prediger berichtet/ daß ſeine ehefrau/ mit dero er liebreich

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[911/0929] ARTIC. III. SECT. XXI. unmuͤglig unerhoͤret bleiben koͤnnen/ ſich zu wege bringen: Wormit der himmli- ſchen regierung und mildeſten ſegen treulich empfehlende verharre. u. ſ. f. SECTIO XXI. An M. Joh. Chriſtoph Holtzhauſen wegen ſei- ner gewiſſens angſt uͤber das vermeſſene urtheil wider die Pietiſten/ verdammung Jacob Boͤhmens und harte ſchreib-art gegen Matthaͤi. (NB. Die gantze hiſtorie ſamt des S. mañes eigenẽ brieffe habe einverleibt meiner rettung der gerechten ſache gegen D. Aug. Pfeiffern cap. 4. §. 9. u. ſ. f. 260. u. f. Wie nun damahl dieſes concept pag. 279. nicht hatte finden koͤnnen/ ſo aber ſeither wie auch die num. folgen/ ſich wider ge- funden hat/ ſo mangelt mirs dießmahl an dem erſten/ dar auff ſich die- ſer brieff bezencht/ worinnen ihm allein zum troſt gezeigt/ daß er kei- ne ſuͤnde in den heiligen Geiſt begangen haben koͤnne.) JCh habe ſeither ſo wol wegen bekanten geſchaͤfften/ als auch weil gern eine mehrere zeit verlangte/ der wichtigen ſache nachzudencken/ und dieſen ter- minum/ ſelbſt neulich geſetzt/ daß etwa dieſe woche ſchreiben moͤchte/ die ant- wort annoch verſchoben/ ſo hiermit in der furcht des HErrn und mit deſſen anruf- fung abſtatte. 1. Erkenne ich/ die geliebten bruder widerfahrne auffwachung des gewiſ- ſens/ und daher entſtandene der ſeelen unruhe uͤber eine ſache/ darinnen derſelbe nach damahligen ſeines gewiſſens vorſtellung nicht zu ſuͤndigen/ ſondern vor GOt- tes ehre und die wahrheit auch zueiffern gedachte/ ſo dann haͤrtere wort einen ſolchen eiffer nicht umſtaͤndig zu ſeyen glaubte/ vor ein nicht ungefehres werck/ ſondern vor einen finger Gottes: Um ſo viel mehr weil ſolche unruhe und angſt ſich nicht legen wollen/ was auch derſelbe zu ſeiner beruhigung mag vorgenommen haben/ alſo daß auch der troſt der abſolution einige nur kurtze linderung gegeben/ hingegen dieſelbe widerum auffs neue hefftiger angeſetzet hat: So gewiß nirgends anders her/ als von der ruͤhrung deſſen/ eeſſen hand unſere ſeele/ ſie wolle oder wolle nicht/ fuͤhlen muß/ herruͤhren kan/ und mich des zuſtands Davids/ den er Pſalm. 32. beſchreibet erinnert. Wo nun dergleichen Goͤttliche ruͤhrungen ſich zeigen/ iſt man ſchuldig denenſelben platz zugeben/ und demjenigen nachzukommen/ was uns alsdenn das gewiſſen vor rath giebet; indem man ſonſt zu einer beſtaͤndigen ruhe nimmermehr kommen kan. Wie mir erſt neulich ein exempel aus N. N. bekant worden da miꝛ der ehemann/ ſelbſt ein Prediger berichtet/ daß ſeine ehefrau/ mit dero er liebreich lebet/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 911. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/929>, abgerufen am 28.03.2024.