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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO XIIX.
regimentern verjagen wolte, dieses geschehen, daß sie zu den Türcken und
ungläubigen völckern sich begeben müßten. Womit so wol sie als ihre
nachkommen, von denen wir eben nicht wissen, ob nicht einige darunter seyn
werden, welche die gelegenheit der bekehrung danckbarer annehmen wür-
den, um dieselbe gebracht würden. Es streitet auch solches wider den je-
nigen göttlichen rath, daraus GOTT bis daher, gewiß aus heiligen und
wichtigen ursachen, solches volck unter den Christen verstreuet erhalten hat,
und wir sie also billig noch immer unter uns zur bekräfftigung unsers glau-
bens, erinnerung göttlichen über sie so hart ergangenen gerichts, ge-
legenheit ihrer bekehrung und übung unserer liebe gegen sie, darinnen wir
nicht müde wetden müssen, behalten sollen: Bis der HERR sein grosses
werck an ihnen erfülle, und sie mit uns wiederum zu einer gemeinschafft in
dem glauben an den aus ihnen selbs gebohrnen Meßiam, unsern HERRN
JEsum bringe.
Der HERR erbarme sich seines armen volcks, das er weyland so
hoch geliebet, und vor allen andern völckern zu seinem eigenthum erwehlet,
nun aber solange in seinem gericht verstossen hat, und lasse die zeit bald kom-
men, daß die decke Mosis von ihren hertzen weggenommen, und sie zu dem
wahren König David bekehret werden, er gebe uns auch in allen ständen
die jenige weißheit, daß wir wissen, wie wir gegen sie uns unanstößig zu ver-
halten, und die liebe, daß wir um eines Jüden, JESU, willen gegen alle
seine brüder nach dem fleisch liebreich gesinnet, und befliessen seyn, sie mit ge-
dult zu tragen, mit sanfftmuth an ihnen zu arbeiten, und alle mittel zu ihrer
bekehrung in seiner furcht und nach anweisung seines Geistes treulich anzu-
wenden, auch viele von ihnen zu gewinnen, und jedes mal als vor einen theu-
ren sieg seine güte danckbarlich zu preisen, um dessen willen, der sie auch mit
seinem blut mit uns zu seinem eigenthum erkaufft hat. Amen.
SECTIO XIX.
Rettung einiger in unbilligen verdacht gezoge-
ner redens-arten eines Theologi, von der treue/ noth-
wendigkeit zur seligkeit/ vollkommenheit/
Osiandrismo.

AUf die vorgelegte frage, ob in übersandter leich-predigt etwas der
wahren orthodoxiae und unser analogiae fidei widriges sich befinde,
hätte ich bedencken tragen können zu antworten, weil mir durchaus

nicht
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ARTIC. I. SECTIO XIIX.
regimentern verjagen wolte, dieſes geſchehen, daß ſie zu den Tuͤrcken und
unglaͤubigen voͤlckern ſich begeben muͤßten. Womit ſo wol ſie als ihre
nachkommen, von denen wir eben nicht wiſſen, ob nicht einige darunter ſeyn
werden, welche die gelegenheit der bekehrung danckbarer annehmen wuͤr-
den, um dieſelbe gebracht wuͤrden. Es ſtreitet auch ſolches wider den je-
nigen goͤttlichen rath, daraus GOTT bis daher, gewiß aus heiligen und
wichtigen urſachen, ſolches volck unter den Chriſten verſtreuet erhalten hat,
und wir ſie alſo billig noch immer unter uns zur bekraͤfftigung unſers glau-
bens, erinnerung goͤttlichen uͤber ſie ſo hart ergangenen gerichts, ge-
legenheit ihrer bekehrung und uͤbung unſerer liebe gegen ſie, darinnen wir
nicht muͤde wetden muͤſſen, behalten ſollen: Bis der HERR ſein groſſes
werck an ihnen erfuͤlle, und ſie mit uns wiederum zu einer gemeinſchafft in
dem glauben an den aus ihnen ſelbs gebohrnen Meßiam, unſern HERRN
JEſum bringe.
Der HERR erbarme ſich ſeines armen volcks, das er weyland ſo
hoch geliebet, und vor allen andern voͤlckern zu ſeinem eigenthum erwehlet,
nun aber ſolange in ſeinem gericht verſtoſſen hat, und laſſe die zeit bald kom-
men, daß die decke Moſis von ihren hertzen weggenommen, und ſie zu dem
wahren Koͤnig David bekehret werden, er gebe uns auch in allen ſtaͤnden
die jenige weißheit, daß wir wiſſen, wie wir gegen ſie uns unanſtoͤßig zu ver-
halten, und die liebe, daß wir um eines Juͤden, JESU, willen gegen alle
ſeine bruͤder nach dem fleiſch liebreich geſinnet, und beflieſſen ſeyn, ſie mit ge-
dult zu tragen, mit ſanfftmuth an ihnen zu arbeiten, und alle mittel zu ihrer
bekehrung in ſeiner furcht und nach anweiſung ſeines Geiſtes treulich anzu-
wenden, auch viele von ihnen zu gewinnen, und jedes mal als vor einen theu-
ren ſieg ſeine guͤte danckbarlich zu preiſen, um deſſen willen, der ſie auch mit
ſeinem blut mit uns zu ſeinem eigenthum erkaufft hat. Amen.
SECTIO XIX.
Rettung einiger in unbilligen verdacht gezoge-
ner redens-arten eines Theologi, von der treue/ noth-
wendigkeit zur ſeligkeit/ vollkommenheit/
Oſiandrismo.

AUf die vorgelegte frage, ob in uͤberſandter leich-predigt etwas der
wahꝛen orthodoxiæ und unſeꝛ analogiæ fidei widriges ſich befinde,
haͤtte ich bedencken tragen koͤnnen zu antworten, weil mir durchaus

nicht
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[99/0111] ARTIC. I. SECTIO XIIX. regimentern verjagen wolte, dieſes geſchehen, daß ſie zu den Tuͤrcken und unglaͤubigen voͤlckern ſich begeben muͤßten. Womit ſo wol ſie als ihre nachkommen, von denen wir eben nicht wiſſen, ob nicht einige darunter ſeyn werden, welche die gelegenheit der bekehrung danckbarer annehmen wuͤr- den, um dieſelbe gebracht wuͤrden. Es ſtreitet auch ſolches wider den je- nigen goͤttlichen rath, daraus GOTT bis daher, gewiß aus heiligen und wichtigen urſachen, ſolches volck unter den Chriſten verſtreuet erhalten hat, und wir ſie alſo billig noch immer unter uns zur bekraͤfftigung unſers glau- bens, erinnerung goͤttlichen uͤber ſie ſo hart ergangenen gerichts, ge- legenheit ihrer bekehrung und uͤbung unſerer liebe gegen ſie, darinnen wir nicht muͤde wetden muͤſſen, behalten ſollen: Bis der HERR ſein groſſes werck an ihnen erfuͤlle, und ſie mit uns wiederum zu einer gemeinſchafft in dem glauben an den aus ihnen ſelbs gebohrnen Meßiam, unſern HERRN JEſum bringe. Der HERR erbarme ſich ſeines armen volcks, das er weyland ſo hoch geliebet, und vor allen andern voͤlckern zu ſeinem eigenthum erwehlet, nun aber ſolange in ſeinem gericht verſtoſſen hat, und laſſe die zeit bald kom- men, daß die decke Moſis von ihren hertzen weggenommen, und ſie zu dem wahren Koͤnig David bekehret werden, er gebe uns auch in allen ſtaͤnden die jenige weißheit, daß wir wiſſen, wie wir gegen ſie uns unanſtoͤßig zu ver- halten, und die liebe, daß wir um eines Juͤden, JESU, willen gegen alle ſeine bruͤder nach dem fleiſch liebreich geſinnet, und beflieſſen ſeyn, ſie mit ge- dult zu tragen, mit ſanfftmuth an ihnen zu arbeiten, und alle mittel zu ihrer bekehrung in ſeiner furcht und nach anweiſung ſeines Geiſtes treulich anzu- wenden, auch viele von ihnen zu gewinnen, und jedes mal als vor einen theu- ren ſieg ſeine guͤte danckbarlich zu preiſen, um deſſen willen, der ſie auch mit ſeinem blut mit uns zu ſeinem eigenthum erkaufft hat. Amen. SECTIO XIX. Rettung einiger in unbilligen verdacht gezoge- ner redens-arten eines Theologi, von der treue/ noth- wendigkeit zur ſeligkeit/ vollkommenheit/ Oſiandrismo. AUf die vorgelegte frage, ob in uͤberſandter leich-predigt etwas der wahꝛen orthodoxiæ und unſeꝛ analogiæ fidei widriges ſich befinde, haͤtte ich bedencken tragen koͤnnen zu antworten, weil mir durchaus nicht n 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/111>, abgerufen am 28.03.2024.