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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
Jn JEsu namen/ amen!
Rom. 16, 20.
Der GOTT des friedens zutrete den satan unter eure
füsse in kurtzem.
Die erste frage.

Ob ein kind, welches nicht mit dem teufel sondern mit seinen ver-
bundenen hexen durch genommenes blut verzaubert, in gros-
ser seelen-gefahr stehe? der teufel hat zwar so viel man weiß,
mit den kindern noch nichts gemacht, sondern alles haben bis-
hero die hexen gethan.

ES ist diese frage nicht gantz deutlich, sondern hat unterschiedlichen
verstand, welcher in der antwort nothwendig zu unterscheiden ist:
Jndem entweder davon geredet wird, ob solches, was mit den ver-
führten kindern durch die hexen vorgegangen, an sich selbs seelen-gefährlich
seye, oder ob sie noch, nachdem sie durch GOttes gnade wieder auf bessern
weg gebracht, in einer schweren seelen-gefahr stünden. Auf die frage
in dem ersten verstand weiß ich nicht anders zu sagen, als daß freylich die
grösseste seelen-gefahr über den armen kindern geschwebet. Denn 1. ob
wol der teufel mit den kindern nicht unmittelbar sondern durch das mittel
seiner dienerinnen der hexen gehandlet, so war es doch um nichts anders zu
thun, als daß dieselbe sie ihme zu seinem dienst zuführeten, welches auch,
wo GOtt nicht aus grosser gnade die sache offenbar werden lassen, immer
noch weiter geschehen, und sie in diesen jammer so tief würden gestürtzet
worden seyn, daß ihnen folglich so viel weniger hätte mögen wieder ge-
holffen werden. Nachdem aber die hexen eine ziemliche gewalt über die
kinder bekommen, sie eingenommen, sonderlich auch eine furcht gegen sich
gemacht hatten, ist leicht zu erachten, wie sie solcher gewalt über sie, sich je
länger je mehr, sonderlich je älter die kinder und mehrer boßheit fähig wor-
den wären, würden mißbrauchet, und sie mit den stricken des satans en-
ger bestricket haben, welches ja ohnzweiffenlich die eusserste seelen-gefahr
ist. Dazu 2. kommt, daß die armen kinder in der phantasie starck turbirt,
und verunruhiget worden, wie man selbs wahrgenommen, in welcher ver-
wirrung der satan so vielmehr gelegenheit hat, sich der menschen zu mehrerm
seinem muthwillen zu mißbrauchen. 3. Sind sie ja wircklich dahin gerei-
tzet und verleitet worden, daß sie nicht beten noch den eltern gehorsam seyn
solten, welches schon betrübte früchten dieser des bösen feindes gewalt
über sie gewesen sind, und sie also solche sünden, wozu ohne das die kinder

in
Das ſiebende Capitel.
Jn JEſu namen/ amen!
Rom. 16, 20.
Der GOTT des friedens zutrete den ſatan unter eure
fuͤſſe in kurtzem.
Die erſte frage.

Ob ein kind, welches nicht mit dem teufel ſondern mit ſeinen ver-
bundenen hexen durch genommenes blut verzaubert, in groſ-
ſer ſeelen-gefahr ſtehe? der teufel hat zwar ſo viel man weiß,
mit den kindern noch nichts gemacht, ſondern alles haben bis-
hero die hexen gethan.

ES iſt dieſe frage nicht gantz deutlich, ſondern hat unterſchiedlichen
verſtand, welcher in der antwort nothwendig zu unterſcheiden iſt:
Jndem entweder davon geredet wird, ob ſolches, was mit den ver-
fuͤhrten kindern durch die hexen vorgegangen, an ſich ſelbs ſeelen-gefaͤhrlich
ſeye, oder ob ſie noch, nachdem ſie durch GOttes gnade wieder auf beſſern
weg gebracht, in einer ſchweren ſeelen-gefahr ſtuͤnden. Auf die frage
in dem erſten verſtand weiß ich nicht anders zu ſagen, als daß freylich die
groͤſſeſte ſeelen-gefahr uͤber den armen kindern geſchwebet. Denn 1. ob
wol der teufel mit den kindern nicht unmittelbar ſondern durch das mittel
ſeiner dienerinnen der hexen gehandlet, ſo war es doch um nichts anders zu
thun, als daß dieſelbe ſie ihme zu ſeinem dienſt zufuͤhreten, welches auch,
wo GOtt nicht aus groſſer gnade die ſache offenbar werden laſſen, immer
noch weiter geſchehen, und ſie in dieſen jammer ſo tief wuͤrden geſtuͤrtzet
worden ſeyn, daß ihnen folglich ſo viel weniger haͤtte moͤgen wieder ge-
holffen werden. Nachdem aber die hexen eine ziemliche gewalt uͤber die
kinder bekommen, ſie eingenommen, ſonderlich auch eine furcht gegen ſich
gemacht hatten, iſt leicht zu erachten, wie ſie ſolcher gewalt uͤber ſie, ſich je
laͤnger je mehr, ſonderlich je aͤlter die kinder und mehrer boßheit faͤhig wor-
den waͤren, wuͤrden mißbrauchet, und ſie mit den ſtricken des ſatans en-
ger beſtricket haben, welches ja ohnzweiffenlich die euſſerſte ſeelen-gefahr
iſt. Dazu 2. kommt, daß die armen kinder in der phantaſie ſtarck turbirt,
und verunruhiget worden, wie man ſelbs wahrgenommen, in welcher ver-
wirrung der ſatan ſo vielmehr gelegenheit hat, ſich der menſchen zu mehrerm
ſeinem muthwillen zu mißbrauchen. 3. Sind ſie ja wircklich dahin gerei-
tzet und verleitet worden, daß ſie nicht beten noch den eltern gehorſam ſeyn
ſolten, welches ſchon betruͤbte fruͤchten dieſer des boͤſen feindes gewalt
uͤber ſie geweſen ſind, und ſie alſo ſolche ſuͤnden, wozu ohne das die kinder

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[156/0168] Das ſiebende Capitel. Jn JEſu namen/ amen! Rom. 16, 20. Der GOTT des friedens zutrete den ſatan unter eure fuͤſſe in kurtzem. Die erſte frage. Ob ein kind, welches nicht mit dem teufel ſondern mit ſeinen ver- bundenen hexen durch genommenes blut verzaubert, in groſ- ſer ſeelen-gefahr ſtehe? der teufel hat zwar ſo viel man weiß, mit den kindern noch nichts gemacht, ſondern alles haben bis- hero die hexen gethan. ES iſt dieſe frage nicht gantz deutlich, ſondern hat unterſchiedlichen verſtand, welcher in der antwort nothwendig zu unterſcheiden iſt: Jndem entweder davon geredet wird, ob ſolches, was mit den ver- fuͤhrten kindern durch die hexen vorgegangen, an ſich ſelbs ſeelen-gefaͤhrlich ſeye, oder ob ſie noch, nachdem ſie durch GOttes gnade wieder auf beſſern weg gebracht, in einer ſchweren ſeelen-gefahr ſtuͤnden. Auf die frage in dem erſten verſtand weiß ich nicht anders zu ſagen, als daß freylich die groͤſſeſte ſeelen-gefahr uͤber den armen kindern geſchwebet. Denn 1. ob wol der teufel mit den kindern nicht unmittelbar ſondern durch das mittel ſeiner dienerinnen der hexen gehandlet, ſo war es doch um nichts anders zu thun, als daß dieſelbe ſie ihme zu ſeinem dienſt zufuͤhreten, welches auch, wo GOtt nicht aus groſſer gnade die ſache offenbar werden laſſen, immer noch weiter geſchehen, und ſie in dieſen jammer ſo tief wuͤrden geſtuͤrtzet worden ſeyn, daß ihnen folglich ſo viel weniger haͤtte moͤgen wieder ge- holffen werden. Nachdem aber die hexen eine ziemliche gewalt uͤber die kinder bekommen, ſie eingenommen, ſonderlich auch eine furcht gegen ſich gemacht hatten, iſt leicht zu erachten, wie ſie ſolcher gewalt uͤber ſie, ſich je laͤnger je mehr, ſonderlich je aͤlter die kinder und mehrer boßheit faͤhig wor- den waͤren, wuͤrden mißbrauchet, und ſie mit den ſtricken des ſatans en- ger beſtricket haben, welches ja ohnzweiffenlich die euſſerſte ſeelen-gefahr iſt. Dazu 2. kommt, daß die armen kinder in der phantaſie ſtarck turbirt, und verunruhiget worden, wie man ſelbs wahrgenommen, in welcher ver- wirrung der ſatan ſo vielmehr gelegenheit hat, ſich der menſchen zu mehrerm ſeinem muthwillen zu mißbrauchen. 3. Sind ſie ja wircklich dahin gerei- tzet und verleitet worden, daß ſie nicht beten noch den eltern gehorſam ſeyn ſolten, welches ſchon betruͤbte fruͤchten dieſer des boͤſen feindes gewalt uͤber ſie geweſen ſind, und ſie alſo ſolche ſuͤnden, wozu ohne das die kinder in

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/168>, abgerufen am 16.04.2024.