Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. I. SECTIO XXXIV.
sache, daß sie darbey beharren wolten, womit sie das jenige, was sie von dem
eigenthum GOTTES vor vortheil und trost haben könten, verliehren,
ob zwar GOTT doch auch also sein recht an sie nicht verliehret; Welches
er aber nachmal mit gerechter straffe an ihnen übet. Aus diesem aber er-
hellet gnug, daß da sie nur in die göttliche gnaden-ordnung sich schicken wol-
len, sothane absagung ihnen an der seligkeit nicht hinderlich seyn könne: Und
möchte hie zu wiederholen seyn, was oben bey der ersten frage gemeldet
worden.

Endlich 4. hat man solche absagung anzusehen als eine solche, deren sie
sich gleichwol die tag ihres lebens zu erinnern haben, daß 1. sie sich fort und
fort desto hertzlicher vor GOTT und menschen demüthigen, und sich aller
gnaden wohlthaten GOTTes, die ihnen gleichwol aufs neue wiederfahren,
unwürdig achten, und willig andern, die GOTT nicht so schnur stracks den
bund aufgekündiget, sich selbsten nachsetzen. 2. Daß sie diese unaussprech-
liche wohlthat, daß sie GOTT wieder aus solchem jammer heraus geris-
sen, täglich vor GOTT bedencken, und ihm dafür demüthigen danck sa-
gen, welcher ihnen solche barmhertzigkeit erzeiget habe. 3. Daß sie sich in
ihrem gantzen leben desto angelegenlicher befleißigen, in dem bund des HEr-
ren, den sie einmal über sich zu nicht gemachet hatten, die künftige zeit mit eyf-
fer zu zubringen, und also den vorigen fehler in göttlicher kraft zu ersetzen. 4.
Daß sie sich auch für dem satan desto sorgfältiger hüten, und glauben, nach-
dem der satan einmal eine solche gewalt über sie gewonnen, so werde es ihm
so viel leichter werden, sie ein andermal wiederum zu fällen, da sie sich nicht
sorgfältig fürsehen und verwahren: Welcher zustand alsdann so viel ge-
fährlicher werden würde, der HErr sie aber gnädiglich durch seine kraft da-
für behüten wolle.

Die siebende frage.
Was zu halten von dem gehorsam, den etwa ein kind einer he-
xen auf hartes trohen oder tractament leistet, mit verschwei-
gung was ihm zugemuthet?

ES ist solcher sündlich, da er zu sündlichen dingen geschiehet, so viel-
mehr, da sie wissen, daß solche hexen des teufels dienerinnen sind,
und man also hinwieder in denselben dem satan selbs dienet: Gleich-
wol wird die sünde durch dieses etwas leichter, da sie aus einer kindischen
furcht wegen betrohung oder harten tractaments solchen gehorsam leisten;
wo sie aber nach der göttlichen wieder erzeigten gnade aufs neue denselben
wieder erzeigen wolten, würden sie eben damit solche wieder, so viel an ihnen
ist, von sich stossen, und ihre sache gefährlicher machen.

Die
x 3

ARTIC. I. SECTIO XXXIV.
ſache, daß ſie darbey beharren wolten, womit ſie das jenige, was ſie von dem
eigenthum GOTTES vor vortheil und troſt haben koͤnten, verliehren,
ob zwar GOTT doch auch alſo ſein recht an ſie nicht verliehret; Welches
er aber nachmal mit gerechter ſtraffe an ihnen uͤbet. Aus dieſem aber er-
hellet gnug, daß da ſie nur in die goͤttliche gnaden-ordnung ſich ſchicken wol-
len, ſothane abſagung ihnen an der ſeligkeit nicht hinderlich ſeyn koͤnne: Und
moͤchte hie zu wiederholen ſeyn, was oben bey der erſten frage gemeldet
worden.

Endlich 4. hat man ſolche abſagung anzuſehen als eine ſolche, deren ſie
ſich gleichwol die tag ihres lebens zu erinnern haben, daß 1. ſie ſich fort und
fort deſto hertzlicher vor GOTT und menſchen demuͤthigen, und ſich aller
gnaden wohlthaten GOTTes, die ihnen gleichwol aufs neue wiederfahren,
unwuͤrdig achten, und willig andern, die GOTT nicht ſo ſchnur ſtracks den
bund aufgekuͤndiget, ſich ſelbſten nachſetzen. 2. Daß ſie dieſe unausſprech-
liche wohlthat, daß ſie GOTT wieder aus ſolchem jammer heraus geriſ-
ſen, taͤglich vor GOTT bedencken, und ihm dafuͤr demuͤthigen danck ſa-
gen, welcher ihnen ſolche barmhertzigkeit erzeiget habe. 3. Daß ſie ſich in
ihrem gantzen leben deſto angelegenlicher befleißigen, in dem bund des HEr-
ren, den ſie einmal uͤber ſich zu nicht gemachet hatten, die kuͤnftige zeit mit eyf-
fer zu zubringen, und alſo den vorigen fehler in goͤttlicher kraft zu erſetzen. 4.
Daß ſie ſich auch fuͤr dem ſatan deſto ſorgfaͤltiger huͤten, und glauben, nach-
dem der ſatan einmal eine ſolche gewalt uͤber ſie gewonnen, ſo werde es ihm
ſo viel leichter werden, ſie ein andermal wiederum zu faͤllen, da ſie ſich nicht
ſorgfaͤltig fuͤrſehen und verwahren: Welcher zuſtand alsdann ſo viel ge-
faͤhrlicher werden wuͤrde, der HErr ſie aber gnaͤdiglich durch ſeine kraft da-
fuͤr behuͤten wolle.

Die ſiebende frage.
Was zu halten von dem gehorſam, den etwa ein kind einer he-
xen auf hartes trohen oder tractament leiſtet, mit verſchwei-
gung was ihm zugemuthet?

ES iſt ſolcher ſuͤndlich, da er zu ſuͤndlichen dingen geſchiehet, ſo viel-
mehr, da ſie wiſſen, daß ſolche hexen des teufels dienerinnen ſind,
und man alſo hinwieder in denſelben dem ſatan ſelbs dienet: Gleich-
wol wird die ſuͤnde durch dieſes etwas leichter, da ſie aus einer kindiſchen
furcht wegen betrohung oder harten tractaments ſolchen gehorſam leiſten;
wo ſie aber nach der goͤttlichen wieder erzeigten gnade aufs neue denſelben
wieder erzeigen wolten, wuͤrden ſie eben damit ſolche wieder, ſo viel an ihnen
iſt, von ſich ſtoſſen, und ihre ſache gefaͤhrlicher machen.

Die
x 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0177" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. I. SECTIO XXXIV.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;ache, daß &#x017F;ie darbey beharren wolten, womit &#x017F;ie das jenige, was &#x017F;ie von dem<lb/>
eigenthum GOTTES vor vortheil und tro&#x017F;t haben ko&#x0364;nten, verliehren,<lb/>
ob zwar GOTT doch auch al&#x017F;o &#x017F;ein recht an &#x017F;ie nicht verliehret; Welches<lb/>
er aber nachmal mit gerechter &#x017F;traffe an ihnen u&#x0364;bet. Aus die&#x017F;em aber er-<lb/>
hellet gnug, daß da &#x017F;ie nur in die go&#x0364;ttliche gnaden-ordnung &#x017F;ich &#x017F;chicken wol-<lb/>
len, &#x017F;othane ab&#x017F;agung ihnen an der &#x017F;eligkeit nicht hinderlich &#x017F;eyn ko&#x0364;nne: Und<lb/>
mo&#x0364;chte hie zu wiederholen &#x017F;eyn, was oben bey der er&#x017F;ten frage gemeldet<lb/>
worden.</p><lb/>
              <p>Endlich 4. hat man &#x017F;olche ab&#x017F;agung anzu&#x017F;ehen als eine &#x017F;olche, deren &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich gleichwol die tag ihres lebens zu erinnern haben, daß 1. &#x017F;ie &#x017F;ich fort und<lb/>
fort de&#x017F;to hertzlicher vor GOTT und men&#x017F;chen demu&#x0364;thigen, und &#x017F;ich aller<lb/>
gnaden wohlthaten GOTTes, die ihnen gleichwol aufs neue wiederfahren,<lb/>
unwu&#x0364;rdig achten, und willig andern, die GOTT nicht &#x017F;o &#x017F;chnur &#x017F;tracks den<lb/>
bund aufgeku&#x0364;ndiget, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten nach&#x017F;etzen. 2. Daß &#x017F;ie die&#x017F;e unaus&#x017F;prech-<lb/>
liche wohlthat, daß &#x017F;ie GOTT wieder aus &#x017F;olchem jammer heraus geri&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, ta&#x0364;glich vor GOTT bedencken, und ihm dafu&#x0364;r demu&#x0364;thigen danck &#x017F;a-<lb/>
gen, welcher ihnen &#x017F;olche barmhertzigkeit erzeiget habe. 3. Daß &#x017F;ie &#x017F;ich in<lb/>
ihrem gantzen leben de&#x017F;to angelegenlicher befleißigen, in dem bund des HEr-<lb/>
ren, den &#x017F;ie einmal u&#x0364;ber &#x017F;ich zu nicht gemachet hatten, die ku&#x0364;nftige zeit mit eyf-<lb/>
fer zu zubringen, und al&#x017F;o den vorigen fehler in go&#x0364;ttlicher kraft zu er&#x017F;etzen. 4.<lb/>
Daß &#x017F;ie &#x017F;ich auch fu&#x0364;r dem &#x017F;atan de&#x017F;to &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger hu&#x0364;ten, und glauben, nach-<lb/>
dem der &#x017F;atan einmal eine &#x017F;olche gewalt u&#x0364;ber &#x017F;ie gewonnen, &#x017F;o werde es ihm<lb/>
&#x017F;o viel leichter werden, &#x017F;ie ein andermal wiederum zu fa&#x0364;llen, da &#x017F;ie &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;orgfa&#x0364;ltig fu&#x0364;r&#x017F;ehen und verwahren: Welcher zu&#x017F;tand alsdann &#x017F;o viel ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlicher werden wu&#x0364;rde, der HErr &#x017F;ie aber gna&#x0364;diglich durch &#x017F;eine kraft da-<lb/>
fu&#x0364;r behu&#x0364;ten wolle.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die &#x017F;iebende frage.</hi><lb/> <hi rendition="#fr">Was zu halten von dem gehor&#x017F;am, den etwa ein kind einer he-<lb/>
xen auf hartes trohen oder tractament lei&#x017F;tet, mit ver&#x017F;chwei-<lb/>
gung was ihm zugemuthet?</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t &#x017F;olcher &#x017F;u&#x0364;ndlich, da er zu &#x017F;u&#x0364;ndlichen dingen ge&#x017F;chiehet, &#x017F;o viel-<lb/>
mehr, da &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;olche hexen des teufels dienerinnen &#x017F;ind,<lb/>
und man al&#x017F;o hinwieder in den&#x017F;elben dem &#x017F;atan &#x017F;elbs dienet: Gleich-<lb/>
wol wird die &#x017F;u&#x0364;nde durch die&#x017F;es etwas leichter, da &#x017F;ie aus einer kindi&#x017F;chen<lb/>
furcht wegen betrohung oder harten <hi rendition="#aq">tractam</hi>ents &#x017F;olchen gehor&#x017F;am lei&#x017F;ten;<lb/>
wo &#x017F;ie aber nach der go&#x0364;ttlichen wieder erzeigten gnade aufs neue den&#x017F;elben<lb/>
wieder erzeigen wolten, wu&#x0364;rden &#x017F;ie eben damit &#x017F;olche wieder, &#x017F;o viel an ihnen<lb/>
i&#x017F;t, von &#x017F;ich &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, und ihre &#x017F;ache gefa&#x0364;hrlicher machen.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">x 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0177] ARTIC. I. SECTIO XXXIV. ſache, daß ſie darbey beharren wolten, womit ſie das jenige, was ſie von dem eigenthum GOTTES vor vortheil und troſt haben koͤnten, verliehren, ob zwar GOTT doch auch alſo ſein recht an ſie nicht verliehret; Welches er aber nachmal mit gerechter ſtraffe an ihnen uͤbet. Aus dieſem aber er- hellet gnug, daß da ſie nur in die goͤttliche gnaden-ordnung ſich ſchicken wol- len, ſothane abſagung ihnen an der ſeligkeit nicht hinderlich ſeyn koͤnne: Und moͤchte hie zu wiederholen ſeyn, was oben bey der erſten frage gemeldet worden. Endlich 4. hat man ſolche abſagung anzuſehen als eine ſolche, deren ſie ſich gleichwol die tag ihres lebens zu erinnern haben, daß 1. ſie ſich fort und fort deſto hertzlicher vor GOTT und menſchen demuͤthigen, und ſich aller gnaden wohlthaten GOTTes, die ihnen gleichwol aufs neue wiederfahren, unwuͤrdig achten, und willig andern, die GOTT nicht ſo ſchnur ſtracks den bund aufgekuͤndiget, ſich ſelbſten nachſetzen. 2. Daß ſie dieſe unausſprech- liche wohlthat, daß ſie GOTT wieder aus ſolchem jammer heraus geriſ- ſen, taͤglich vor GOTT bedencken, und ihm dafuͤr demuͤthigen danck ſa- gen, welcher ihnen ſolche barmhertzigkeit erzeiget habe. 3. Daß ſie ſich in ihrem gantzen leben deſto angelegenlicher befleißigen, in dem bund des HEr- ren, den ſie einmal uͤber ſich zu nicht gemachet hatten, die kuͤnftige zeit mit eyf- fer zu zubringen, und alſo den vorigen fehler in goͤttlicher kraft zu erſetzen. 4. Daß ſie ſich auch fuͤr dem ſatan deſto ſorgfaͤltiger huͤten, und glauben, nach- dem der ſatan einmal eine ſolche gewalt uͤber ſie gewonnen, ſo werde es ihm ſo viel leichter werden, ſie ein andermal wiederum zu faͤllen, da ſie ſich nicht ſorgfaͤltig fuͤrſehen und verwahren: Welcher zuſtand alsdann ſo viel ge- faͤhrlicher werden wuͤrde, der HErr ſie aber gnaͤdiglich durch ſeine kraft da- fuͤr behuͤten wolle. Die ſiebende frage. Was zu halten von dem gehorſam, den etwa ein kind einer he- xen auf hartes trohen oder tractament leiſtet, mit verſchwei- gung was ihm zugemuthet? ES iſt ſolcher ſuͤndlich, da er zu ſuͤndlichen dingen geſchiehet, ſo viel- mehr, da ſie wiſſen, daß ſolche hexen des teufels dienerinnen ſind, und man alſo hinwieder in denſelben dem ſatan ſelbs dienet: Gleich- wol wird die ſuͤnde durch dieſes etwas leichter, da ſie aus einer kindiſchen furcht wegen betrohung oder harten tractaments ſolchen gehorſam leiſten; wo ſie aber nach der goͤttlichen wieder erzeigten gnade aufs neue denſelben wieder erzeigen wolten, wuͤrden ſie eben damit ſolche wieder, ſo viel an ihnen iſt, von ſich ſtoſſen, und ihre ſache gefaͤhrlicher machen. Die x 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/177
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/177>, abgerufen am 19.04.2024.