Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. II. SECTIO IV.
hierinnen nicht zu, fremde knechte zu richten, noch ziehmet sich ein urtheil
über die jenigen und dero verfahren zu sprechen, welche und dero verantwor-
tung, oder ursach warum sie eines und anders gethan haben mögen, ich nicht
selbs angehöret habe. Jnsgemein aber achte ich unserer schuldigkeit gemäß
zu seyn, die wir profession von geistlichen verrichtungen machen, daß wir
nicht nur allein jeglicher vor sich selbs nach allem vermögen thun, was uns in
unserem amt oblieget, nach dem er uns gelegenheit beschehret, sondern uns
auch desto mehr und hertzlicher freuen, wo wir immer mehrere sehen, oder
davon hören, welche auch mit hand anlegen wollen an dem bau der kirchen,
und dazu gaben empfangen haben. Mich haben allezeit hertzlich vergnügt
die theuere wort des mannes GOttes Mosis: Wolte GOTT, daß al-
les volck des HErren weissagete, und der HERR seinen geist über
sie gebe!
Jst solches nun auch von allen insgesamt zu wünschen, wie viel
weniger denen zu mißgönnen, welche ihre studia und gaben GOTT längst
austrücklich gewidmet haben, ob sie schon eben in diesem oder jenem nicht
eine solche absonderliche vocation dazu zu haben scheinen: da man hinge-
gen dazu ihnen vielmehr beförderlich zu seyn, und ihre gabe recht völlig an
zu wenden gelegenheit gern zu verschaffen hat. Doch will ich denen sonst
wohlverdienten leuten ein widriges nicht bey messen, sondern vielmehr glau-
ben, daß andere ursachen des mißverstandes seyn mögen, so sich auch unter
einem Paulo und Barnaba erheben können. Nun der HERR verbinde
uns (sonderlich die er zu seinem dienst verordnet) allesamt in der einigkeit des
geistes mit dem band des friedens, und wehre allen dessen hindernüssen zu
glücklicherer fortführung seines wercks.

SECTIO IV.
Eines Studiosi gute vorbereitung zu künfti-
gem amt. M. Pikerus. Sich ins amt nicht unziemlich zu
practisiren. Daß die Philosophie zur Theologie
nicht schlechterdings nöthig. Märckische
kirche.

ES hat mich zu erst hertzlich erfreuet, die bezeugung eines solchen ge-
müths, welches lauterlich in dem amt, so der HErr etwa anvertrauen
möchte, seine ehre und der kirchen auferbauung zu suchen, sich längst
und bey anfang des Studii in den jugend jahren vorgenommen habe. Die-
ses aestimire ich so vielmehr, als weniger ich etwa dergleichen zu vernehmen
bekomme, sondern so wohl von den meisten, welche in dem heiligen amt ste-

hen

ARTIC. II. SECTIO IV.
hierinnen nicht zu, fremde knechte zu richten, noch ziehmet ſich ein urtheil
uͤber die jenigen und dero verfahren zu ſprechen, welche und dero verantwor-
tung, oder urſach warum ſie eines und anders gethan haben moͤgen, ich nicht
ſelbs angehoͤret habe. Jnsgemein aber achte ich unſerer ſchuldigkeit gemaͤß
zu ſeyn, die wir profeſſion von geiſtlichen verrichtungen machen, daß wir
nicht nur allein jeglicher vor ſich ſelbs nach allem vermoͤgen thun, was uns in
unſerem amt oblieget, nach dem er uns gelegenheit beſchehret, ſondern uns
auch deſto mehr und hertzlicher freuen, wo wir immer mehrere ſehen, oder
davon hoͤren, welche auch mit hand anlegen wollen an dem bau der kirchen,
und dazu gaben empfangen haben. Mich haben allezeit hertzlich vergnuͤgt
die theuere wort des mannes GOttes Moſis: Wolte GOTT, daß al-
les volck des HErren weiſſagete, und der HERR ſeinen geiſt uͤber
ſie gebe!
Jſt ſolches nun auch von allen insgeſamt zu wuͤnſchen, wie viel
weniger denen zu mißgoͤnnen, welche ihre ſtudia und gaben GOTT laͤngſt
austruͤcklich gewidmet haben, ob ſie ſchon eben in dieſem oder jenem nicht
eine ſolche abſonderliche vocation dazu zu haben ſcheinen: da man hinge-
gen dazu ihnen vielmehr befoͤrderlich zu ſeyn, und ihre gabe recht voͤllig an
zu wenden gelegenheit gern zu verſchaffen hat. Doch will ich denen ſonſt
wohlverdienten leuten ein widriges nicht bey meſſen, ſondern vielmehr glau-
ben, daß andere urſachen des mißverſtandes ſeyn moͤgen, ſo ſich auch unter
einem Paulo und Barnaba erheben koͤnnen. Nun der HERR verbinde
uns (ſonderlich die er zu ſeinem dienſt verordnet) alleſamt in der einigkeit des
geiſtes mit dem band des friedens, und wehre allen deſſen hindernuͤſſen zu
gluͤcklicherer fortfuͤhrung ſeines wercks.

SECTIO IV.
Eines Studioſi gute vorbereitung zu kuͤnfti-
gem amt. M. Pikerus. Sich ins amt nicht unziemlich zu
practiſiren. Daß die Philoſophie zur Theologie
nicht ſchlechterdings noͤthig. Maͤrckiſche
kirche.

ES hat mich zu erſt hertzlich erfreuet, die bezeugung eines ſolchen ge-
muͤths, welches lauterlich in dem amt, ſo der HErr etwa anveꝛtꝛauen
moͤchte, ſeine ehre und der kirchen auferbauung zu ſuchen, ſich laͤngſt
und bey anfang des Studii in den jugend jahren vorgenommen habe. Die-
ſes æſtimire ich ſo vielmehr, als weniger ich etwa dergleichen zu vernehmen
bekomme, ſondern ſo wohl von den meiſten, welche in dem heiligen amt ſte-

hen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0195" n="183"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. II. SECTIO IV.</hi></hi></fw><lb/>
hierinnen nicht zu, fremde knechte zu richten, noch ziehmet &#x017F;ich ein urtheil<lb/>
u&#x0364;ber die jenigen und dero verfahren zu &#x017F;prechen, welche und dero verantwor-<lb/>
tung, oder ur&#x017F;ach warum &#x017F;ie eines und anders gethan haben mo&#x0364;gen, ich nicht<lb/>
&#x017F;elbs angeho&#x0364;ret habe. Jnsgemein aber achte ich un&#x017F;erer &#x017F;chuldigkeit gema&#x0364;ß<lb/>
zu &#x017F;eyn, die wir <hi rendition="#aq">profe&#x017F;&#x017F;ion</hi> von gei&#x017F;tlichen verrichtungen machen, daß wir<lb/>
nicht nur allein jeglicher vor &#x017F;ich &#x017F;elbs nach allem vermo&#x0364;gen thun, was uns in<lb/>
un&#x017F;erem amt oblieget, nach dem er uns gelegenheit be&#x017F;chehret, &#x017F;ondern uns<lb/>
auch de&#x017F;to mehr und hertzlicher freuen, wo wir immer mehrere &#x017F;ehen, oder<lb/>
davon ho&#x0364;ren, welche auch mit hand anlegen wollen an dem bau der kirchen,<lb/>
und dazu gaben empfangen haben. Mich haben allezeit hertzlich vergnu&#x0364;gt<lb/>
die theuere wort des mannes GOttes Mo&#x017F;is: <hi rendition="#fr">Wolte GOTT, daß al-<lb/>
les volck des HErren wei&#x017F;&#x017F;agete, und der HERR &#x017F;einen gei&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ie gebe!</hi> J&#x017F;t &#x017F;olches nun auch von allen insge&#x017F;amt zu wu&#x0364;n&#x017F;chen, wie viel<lb/>
weniger denen zu mißgo&#x0364;nnen, welche ihre <hi rendition="#aq">&#x017F;tudia</hi> und gaben GOTT la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
austru&#x0364;cklich gewidmet haben, ob &#x017F;ie &#x017F;chon eben in die&#x017F;em oder jenem nicht<lb/>
eine &#x017F;olche ab&#x017F;onderliche <hi rendition="#aq">vocation</hi> dazu zu haben &#x017F;cheinen: da man hinge-<lb/>
gen dazu ihnen vielmehr befo&#x0364;rderlich zu &#x017F;eyn, und ihre gabe recht vo&#x0364;llig an<lb/>
zu wenden gelegenheit gern zu ver&#x017F;chaffen hat. Doch will ich denen &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wohlverdienten leuten ein widriges nicht bey me&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern vielmehr glau-<lb/>
ben, daß andere ur&#x017F;achen des mißver&#x017F;tandes &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, &#x017F;o &#x017F;ich auch unter<lb/>
einem Paulo und Barnaba erheben ko&#x0364;nnen. Nun der HERR verbinde<lb/>
uns (&#x017F;onderlich die er zu &#x017F;einem dien&#x017F;t verordnet) alle&#x017F;amt in der einigkeit des<lb/>
gei&#x017F;tes mit dem band des friedens, und wehre allen de&#x017F;&#x017F;en hindernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu<lb/>
glu&#x0364;cklicherer fortfu&#x0364;hrung &#x017F;eines wercks.</p>
            <dateline>1684.</dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO IV</hi>.</hi><lb/>
Eines <hi rendition="#aq">Studio&#x017F;i</hi> gute vorbereitung zu ku&#x0364;nfti-<lb/>
gem amt. <hi rendition="#aq">M. Pikerus.</hi> Sich ins amt nicht unziemlich zu<lb/><hi rendition="#aq">practi&#x017F;i</hi>ren. Daß die Philo&#x017F;ophie zur Theologie<lb/>
nicht &#x017F;chlechterdings no&#x0364;thig. Ma&#x0364;rcki&#x017F;che<lb/>
kirche.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">E</hi>S hat mich zu er&#x017F;t hertzlich erfreuet, die bezeugung eines &#x017F;olchen ge-<lb/>
mu&#x0364;ths, welches lauterlich in dem amt, &#x017F;o der HErr etwa anve&#xA75B;t&#xA75B;auen<lb/>
mo&#x0364;chte, &#x017F;eine ehre und der kirchen auferbauung zu &#x017F;uchen, &#x017F;ich la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
und bey anfang des <hi rendition="#aq">Studii</hi> in den jugend jahren vorgenommen habe. Die-<lb/>
&#x017F;es <hi rendition="#aq">æ&#x017F;timi</hi>re ich &#x017F;o vielmehr, als weniger ich etwa dergleichen zu vernehmen<lb/>
bekomme, &#x017F;ondern &#x017F;o wohl von den mei&#x017F;ten, welche in dem heiligen amt &#x017F;te-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0195] ARTIC. II. SECTIO IV. hierinnen nicht zu, fremde knechte zu richten, noch ziehmet ſich ein urtheil uͤber die jenigen und dero verfahren zu ſprechen, welche und dero verantwor- tung, oder urſach warum ſie eines und anders gethan haben moͤgen, ich nicht ſelbs angehoͤret habe. Jnsgemein aber achte ich unſerer ſchuldigkeit gemaͤß zu ſeyn, die wir profeſſion von geiſtlichen verrichtungen machen, daß wir nicht nur allein jeglicher vor ſich ſelbs nach allem vermoͤgen thun, was uns in unſerem amt oblieget, nach dem er uns gelegenheit beſchehret, ſondern uns auch deſto mehr und hertzlicher freuen, wo wir immer mehrere ſehen, oder davon hoͤren, welche auch mit hand anlegen wollen an dem bau der kirchen, und dazu gaben empfangen haben. Mich haben allezeit hertzlich vergnuͤgt die theuere wort des mannes GOttes Moſis: Wolte GOTT, daß al- les volck des HErren weiſſagete, und der HERR ſeinen geiſt uͤber ſie gebe! Jſt ſolches nun auch von allen insgeſamt zu wuͤnſchen, wie viel weniger denen zu mißgoͤnnen, welche ihre ſtudia und gaben GOTT laͤngſt austruͤcklich gewidmet haben, ob ſie ſchon eben in dieſem oder jenem nicht eine ſolche abſonderliche vocation dazu zu haben ſcheinen: da man hinge- gen dazu ihnen vielmehr befoͤrderlich zu ſeyn, und ihre gabe recht voͤllig an zu wenden gelegenheit gern zu verſchaffen hat. Doch will ich denen ſonſt wohlverdienten leuten ein widriges nicht bey meſſen, ſondern vielmehr glau- ben, daß andere urſachen des mißverſtandes ſeyn moͤgen, ſo ſich auch unter einem Paulo und Barnaba erheben koͤnnen. Nun der HERR verbinde uns (ſonderlich die er zu ſeinem dienſt verordnet) alleſamt in der einigkeit des geiſtes mit dem band des friedens, und wehre allen deſſen hindernuͤſſen zu gluͤcklicherer fortfuͤhrung ſeines wercks. 1684. SECTIO IV. Eines Studioſi gute vorbereitung zu kuͤnfti- gem amt. M. Pikerus. Sich ins amt nicht unziemlich zu practiſiren. Daß die Philoſophie zur Theologie nicht ſchlechterdings noͤthig. Maͤrckiſche kirche. ES hat mich zu erſt hertzlich erfreuet, die bezeugung eines ſolchen ge- muͤths, welches lauterlich in dem amt, ſo der HErr etwa anveꝛtꝛauen moͤchte, ſeine ehre und der kirchen auferbauung zu ſuchen, ſich laͤngſt und bey anfang des Studii in den jugend jahren vorgenommen habe. Die- ſes æſtimire ich ſo vielmehr, als weniger ich etwa dergleichen zu vernehmen bekomme, ſondern ſo wohl von den meiſten, welche in dem heiligen amt ſte- hen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/195
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/195>, abgerufen am 29.03.2024.