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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO IX.
Nachdem dann 6. der von dem vorigen so viel als desertus einen andern zu
suchen macht hätte/ so hat derjenige/ der ihn in seine seelen sorg aufgenom-
men/ nicht weniger auch macht ihn anzunehmen. Solte aber 7. sich jemand
daran stossen wollen/ würde solchem ärgernüß mit gründlichem vorstellen
der wahren bewandnüß der sache wol abzuhelffen seyn/ endlich aber die
schuld alles desselbigen auf denjenigen fallen/ welcher/ innhalt der erzehlung/
nicht auf einerley weise sich unbillig bezeuget hat/ und daher dessen jetziger
beichtvater wol zu erinnern wäre/ daß er sein amt an ihm thun/ und die ge-
fahr seiner seelen vorstellen solte. Der HERR thue ihm die gnade/ daß er
zur erkäntnüß des unrechts komme/ wehre allem ärgernüß/ und regiere uns
alle mit seinem heiligen geist also/ daß wir vor ihm wandeln und unser amt
führen unsträflich und in desto reicherem segen.

SECTIO IX.
Von vorschlag fremder arbeit/ sich dero eine zeit-
lang wegen eigener unvernehmlichkeit zu gebrauchen.
Wie sich liebe und erkäntnüß gegen einander verhalten? Von Eph.
3. Wie viel ein unwiedergebohrner prediger ausrichten könne? Ob es
unserer kirchen auch an der lehre mangle. Ob sie zu babel gehöre.
Von der zulassung der unwürdigen zum heiligen abendmahl. Ge-
dult zu tragen mit gegenwärtiger zeiten zustand. Ob ich mich
zu besserung der kirchen eines mehrern zu unter-
nehmen habe/ und was mich abhalte?

JCh habe zum fördersten zu bedeuten/ daß ich auf das erste die antwort
unterlassen habe/ weder allein um obliegender geschäfften willen/ ob
zwar nicht leugne/ wegen meiner arbeit/ so damal unter der preß
war/ mehr als zu andern zeiten beladen gewesen zu seyn/ noch viel weniger
daß die liebe gegen ihm aufgehoben habe: Vielmehr ist die wahre und
eigenlichste ursach/ daß ich seiner und meiner so fern habe schonen wollen/ wo
ich sehe/ daß wir einander nicht helffen könten: Dann weil mein werther
bruder damal bedeutete/ was er vor eine resolution gefasset/ und zwar
auch Christlicher hertzen rath verlangete/ so sehe nicht/ wie demselben mit
dem wenigen hätte bedienet seyn können: Dann aus dem ersten nahme ab/
daß wir beyderseits in der meinung von seiner person/ auch jetzigen zustand
der kirchen/ zimlich unterschieden wären: Solte nun nach meiner meinung

offen-
b b 2

ARTIC. II. SECTIO IX.
Nachdem dann 6. der von dem vorigen ſo viel als deſertus einen andern zu
ſuchen macht haͤtte/ ſo hat derjenige/ der ihn in ſeine ſeelen ſorg aufgenom-
men/ nicht weniger auch macht ihn anzunehmen. Solte aber 7. ſich jemand
daran ſtoſſen wollen/ wuͤrde ſolchem aͤrgernuͤß mit gruͤndlichem vorſtellen
der wahren bewandnuͤß der ſache wol abzuhelffen ſeyn/ endlich aber die
ſchuld alles deſſelbigen auf denjenigen fallen/ welcher/ innhalt der erzehlung/
nicht auf einerley weiſe ſich unbillig bezeuget hat/ und daher deſſen jetziger
beichtvater wol zu erinnern waͤre/ daß er ſein amt an ihm thun/ und die ge-
fahr ſeiner ſeelen vorſtellen ſolte. Der HERR thue ihm die gnade/ daß er
zur erkaͤntnuͤß des unrechts komme/ wehre allem aͤrgernuͤß/ und regiere uns
alle mit ſeinem heiligen geiſt alſo/ daß wir vor ihm wandeln und unſer amt
fuͤhren unſtraͤflich und in deſto reicherem ſegen.

SECTIO IX.
Von vorſchlag fremder arbeit/ ſich dero eine zeit-
lang wegen eigener unvernehmlichkeit zu gebrauchen.
Wie ſich liebe und erkaͤntnuͤß gegen einander verhalten? Von Eph.
3. Wie viel ein unwiedergebohrner prediger ausrichten koͤnne? Ob es
unſerer kirchen auch an der lehre mangle. Ob ſie zu babel gehoͤre.
Von der zulaſſung der unwuͤrdigen zum heiligen abendmahl. Ge-
dult zu tragen mit gegenwaͤrtiger zeiten zuſtand. Ob ich mich
zu beſſerung der kirchen eines mehrern zu unter-
nehmen habe/ und was mich abhalte?

JCh habe zum foͤrderſten zu bedeuten/ daß ich auf das erſte die antwort
unterlaſſen habe/ weder allein um obliegender geſchaͤfften willen/ ob
zwar nicht leugne/ wegen meiner arbeit/ ſo damal unter der preß
war/ mehr als zu andern zeiten beladen geweſen zu ſeyn/ noch viel weniger
daß die liebe gegen ihm aufgehoben habe: Vielmehr iſt die wahre und
eigenlichſte urſach/ daß ich ſeiner und meiner ſo fern habe ſchonen wollen/ wo
ich ſehe/ daß wir einander nicht helffen koͤnten: Dann weil mein werther
bruder damal bedeutete/ was er vor eine reſolution gefaſſet/ und zwar
auch Chriſtlicher hertzen rath verlangete/ ſo ſehe nicht/ wie demſelben mit
dem wenigen haͤtte bedienet ſeyn koͤnnen: Dann aus dem erſten nahme ab/
daß wir beyderſeits in der meinung von ſeiner perſon/ auch jetzigen zuſtand
der kirchen/ zimlich unterſchieden waͤren: Solte nun nach meiner meinung

offen-
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[195/0207] ARTIC. II. SECTIO IX. Nachdem dann 6. der von dem vorigen ſo viel als deſertus einen andern zu ſuchen macht haͤtte/ ſo hat derjenige/ der ihn in ſeine ſeelen ſorg aufgenom- men/ nicht weniger auch macht ihn anzunehmen. Solte aber 7. ſich jemand daran ſtoſſen wollen/ wuͤrde ſolchem aͤrgernuͤß mit gruͤndlichem vorſtellen der wahren bewandnuͤß der ſache wol abzuhelffen ſeyn/ endlich aber die ſchuld alles deſſelbigen auf denjenigen fallen/ welcher/ innhalt der erzehlung/ nicht auf einerley weiſe ſich unbillig bezeuget hat/ und daher deſſen jetziger beichtvater wol zu erinnern waͤre/ daß er ſein amt an ihm thun/ und die ge- fahr ſeiner ſeelen vorſtellen ſolte. Der HERR thue ihm die gnade/ daß er zur erkaͤntnuͤß des unrechts komme/ wehre allem aͤrgernuͤß/ und regiere uns alle mit ſeinem heiligen geiſt alſo/ daß wir vor ihm wandeln und unſer amt fuͤhren unſtraͤflich und in deſto reicherem ſegen. 1691. SECTIO IX. Von vorſchlag fremder arbeit/ ſich dero eine zeit- lang wegen eigener unvernehmlichkeit zu gebrauchen. Wie ſich liebe und erkaͤntnuͤß gegen einander verhalten? Von Eph. 3. Wie viel ein unwiedergebohrner prediger ausrichten koͤnne? Ob es unſerer kirchen auch an der lehre mangle. Ob ſie zu babel gehoͤre. Von der zulaſſung der unwuͤrdigen zum heiligen abendmahl. Ge- dult zu tragen mit gegenwaͤrtiger zeiten zuſtand. Ob ich mich zu beſſerung der kirchen eines mehrern zu unter- nehmen habe/ und was mich abhalte? JCh habe zum foͤrderſten zu bedeuten/ daß ich auf das erſte die antwort unterlaſſen habe/ weder allein um obliegender geſchaͤfften willen/ ob zwar nicht leugne/ wegen meiner arbeit/ ſo damal unter der preß war/ mehr als zu andern zeiten beladen geweſen zu ſeyn/ noch viel weniger daß die liebe gegen ihm aufgehoben habe: Vielmehr iſt die wahre und eigenlichſte urſach/ daß ich ſeiner und meiner ſo fern habe ſchonen wollen/ wo ich ſehe/ daß wir einander nicht helffen koͤnten: Dann weil mein werther bruder damal bedeutete/ was er vor eine reſolution gefaſſet/ und zwar auch Chriſtlicher hertzen rath verlangete/ ſo ſehe nicht/ wie demſelben mit dem wenigen haͤtte bedienet ſeyn koͤnnen: Dann aus dem erſten nahme ab/ daß wir beyderſeits in der meinung von ſeiner perſon/ auch jetzigen zuſtand der kirchen/ zimlich unterſchieden waͤren: Solte nun nach meiner meinung offen- b b 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/207>, abgerufen am 25.04.2024.