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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. I. SECTIO I.
und weil GOTT auch mit unser schwachheit zu frieden seye, nicht begehrt
zu wachsen, damit man aber thätlich zuruck gehet, und nahe bey dem gäntz-
lichen abfall seyn mag Offenb. 2, 4. 5.
Mittel/ wodurch man im Christenthum möge
wachsen und völliger werden?
I. ALlgemeine mittel.
1. Das wort GOTTes daraus der glaube komt Rom. 10, 17.
dardurch wir wiedergebohren werden Jac. 1, 18. muß auch das
jenige mittel seyn, so den glauben stärckt, erhält und vermehret, dardurch
man wachse, als durch die lautere milch, bis man stärckere speise zu vertra-
gen gewohne 1. Pet. 2, 2. Ebr. 5. ult. Das gesetz zeiget die sünde an, je-
mehr man desselben forderung verstehet und betrachtet, jemehr erkennt man
sein sündlich unvermögen, jemehr wird man zu Christo dem gnadenbrun-
nen hungerig und durstig getrieben, je süsser wird der trost des Evangelii;
Desselben verheissungen stärcken den glauben, dadurch wird der mensch
muthig, und überwindet alle seinde und sünde, in der krafft, die ihn mäch-
tig macht Christus. Das geschicht aber alsdenn, wo wans (1.) in rechter
ordnung liset und höret, mit hertzlicher andacht und gebet, und ernstlichem
willen, seinen glauben zu stärcken, und durch denselben den willen GOttes
zu erfüllen.
(2.) Daß man sich wohl prüffe, was vor ein maaß der gnaden GOTT
einem jeden ausgetheilet, ob ihm starcke oder milchspeise vonnöthen sey,
damit man sich nicht aufhalte und hindere an den schweren orten der
schrifft, die man noch zur zeit nicht verstehen kan, sondern sich befleissen sol-
te für das, so gantz leicht zu verstehen, und das nothwendigste ist, vors er-
ste danckbar zu werden, dann so wird GOtt ein mehrers geben.
2. Die Sacramente, als (1.) die tauff, in deren steten erinnerung:
welche auf zweyerley weise den wachsthum befördert, einmal durch vor-
stellung der empfangenen gnaden-güter und von GOttes seiten gemachten
gnadenbundes, den GOtt mit einem jeden getaufften gemacht, wie ein jeder
Gottes kind, deme das Erbtheil, der himmel gehöre, durch den glauben gewor-
den. Welches auf GOttes seiten der feste bund ist, den er ewiglich hält:
Diese stete erinnerung solcher uns ertheilten gnaden-güter und seligkeit,
stärcket den glauben herrlich, und befördert also den geistlichen wachsthum:
Andern theils geschiehets durch vorstellung unserer pflicht, und in der tauff
gethanen verspruchs, wo wir GOtt den glauben gelobet, allem bösen ab-
gesaget, und alles gute zu thun versprochen; Das muß dann stetig und täg-
lich
IV. Theil. b
ARTIC. I. SECTIO I.
und weil GOTT auch mit unſer ſchwachheit zu frieden ſeye, nicht begehrt
zu wachſen, damit man aber thaͤtlich zuruck gehet, und nahe bey dem gaͤntz-
lichen abfall ſeyn mag Offenb. 2, 4. 5.
Mittel/ wodurch man im Chriſtenthum moͤge
wachſen und voͤlliger werden?
I. ALlgemeine mittel.
1. Das wort GOTTes daraus der glaube komt Rom. 10, 17.
dardurch wir wiedergebohren werden Jac. 1, 18. muß auch das
jenige mittel ſeyn, ſo den glauben ſtaͤrckt, erhaͤlt und vermehret, dardurch
man wachſe, als durch die lautere milch, bis man ſtaͤrckere ſpeiſe zu vertra-
gen gewohne 1. Pet. 2, 2. Ebr. 5. ult. Das geſetz zeiget die ſuͤnde an, je-
mehr man deſſelben forderung verſtehet und betrachtet, jemehr erkennt man
ſein ſuͤndlich unvermoͤgen, jemehr wird man zu Chriſto dem gnadenbrun-
nen hungerig und durſtig getrieben, je ſuͤſſer wird der troſt des Evangelii;
Deſſelben verheiſſungen ſtaͤrcken den glauben, dadurch wird der menſch
muthig, und uͤberwindet alle ſeinde und ſuͤnde, in der krafft, die ihn maͤch-
tig macht Chriſtus. Das geſchicht aber alsdenn, wo wans (1.) in rechter
ordnung liſet und hoͤret, mit hertzlicher andacht und gebet, und ernſtlichem
willen, ſeinen glauben zu ſtaͤrcken, und durch denſelben den willen GOttes
zu erfuͤllen.
(2.) Daß man ſich wohl pruͤffe, was vor ein maaß der gnaden GOTT
einem jeden ausgetheilet, ob ihm ſtarcke oder milchſpeiſe vonnoͤthen ſey,
damit man ſich nicht aufhalte und hindere an den ſchweren orten der
ſchrifft, die man noch zur zeit nicht verſtehen kan, ſondern ſich befleiſſen ſol-
te fuͤr das, ſo gantz leicht zu verſtehen, und das nothwendigſte iſt, vors er-
ſte danckbar zu werden, dann ſo wird GOtt ein mehrers geben.
2. Die Sacramente, als (1.) die tauff, in deren ſteten erinnerung:
welche auf zweyerley weiſe den wachsthum befoͤrdert, einmal durch vor-
ſtellung der empfangenen gnaden-guͤter und von GOttes ſeiten gemachten
gnadenbundes, den GOtt mit einem jeden getaufften gemacht, wie ein jeder
Gottes kind, deme das Erbtheil, der himmel gehoͤre, durch den glauben gewor-
den. Welches auf GOttes ſeiten der feſte bund iſt, den er ewiglich haͤlt:
Dieſe ſtete erinnerung ſolcher uns ertheilten gnaden-guͤter und ſeligkeit,
ſtaͤrcket den glauben herrlich, und befoͤrdert alſo den geiſtlichen wachsthum:
Andern theils geſchiehets durch vorſtellung unſerer pflicht, und in der tauff
gethanen verſpruchs, wo wir GOtt den glauben gelobet, allem boͤſen ab-
geſaget, und alles gute zu thun verſprochen; Das muß dann ſtetig und taͤg-
lich
IV. Theil. b
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[9/0021] ARTIC. I. SECTIO I. und weil GOTT auch mit unſer ſchwachheit zu frieden ſeye, nicht begehrt zu wachſen, damit man aber thaͤtlich zuruck gehet, und nahe bey dem gaͤntz- lichen abfall ſeyn mag Offenb. 2, 4. 5. Mittel/ wodurch man im Chriſtenthum moͤge wachſen und voͤlliger werden? I. ALlgemeine mittel. 1. Das wort GOTTes daraus der glaube komt Rom. 10, 17. dardurch wir wiedergebohren werden Jac. 1, 18. muß auch das jenige mittel ſeyn, ſo den glauben ſtaͤrckt, erhaͤlt und vermehret, dardurch man wachſe, als durch die lautere milch, bis man ſtaͤrckere ſpeiſe zu vertra- gen gewohne 1. Pet. 2, 2. Ebr. 5. ult. Das geſetz zeiget die ſuͤnde an, je- mehr man deſſelben forderung verſtehet und betrachtet, jemehr erkennt man ſein ſuͤndlich unvermoͤgen, jemehr wird man zu Chriſto dem gnadenbrun- nen hungerig und durſtig getrieben, je ſuͤſſer wird der troſt des Evangelii; Deſſelben verheiſſungen ſtaͤrcken den glauben, dadurch wird der menſch muthig, und uͤberwindet alle ſeinde und ſuͤnde, in der krafft, die ihn maͤch- tig macht Chriſtus. Das geſchicht aber alsdenn, wo wans (1.) in rechter ordnung liſet und hoͤret, mit hertzlicher andacht und gebet, und ernſtlichem willen, ſeinen glauben zu ſtaͤrcken, und durch denſelben den willen GOttes zu erfuͤllen. (2.) Daß man ſich wohl pruͤffe, was vor ein maaß der gnaden GOTT einem jeden ausgetheilet, ob ihm ſtarcke oder milchſpeiſe vonnoͤthen ſey, damit man ſich nicht aufhalte und hindere an den ſchweren orten der ſchrifft, die man noch zur zeit nicht verſtehen kan, ſondern ſich befleiſſen ſol- te fuͤr das, ſo gantz leicht zu verſtehen, und das nothwendigſte iſt, vors er- ſte danckbar zu werden, dann ſo wird GOtt ein mehrers geben. 2. Die Sacramente, als (1.) die tauff, in deren ſteten erinnerung: welche auf zweyerley weiſe den wachsthum befoͤrdert, einmal durch vor- ſtellung der empfangenen gnaden-guͤter und von GOttes ſeiten gemachten gnadenbundes, den GOtt mit einem jeden getaufften gemacht, wie ein jeder Gottes kind, deme das Erbtheil, der himmel gehoͤre, durch den glauben gewor- den. Welches auf GOttes ſeiten der feſte bund iſt, den er ewiglich haͤlt: Dieſe ſtete erinnerung ſolcher uns ertheilten gnaden-guͤter und ſeligkeit, ſtaͤrcket den glauben herrlich, und befoͤrdert alſo den geiſtlichen wachsthum: Andern theils geſchiehets durch vorſtellung unſerer pflicht, und in der tauff gethanen verſpruchs, wo wir GOtt den glauben gelobet, allem boͤſen ab- geſaget, und alles gute zu thun verſprochen; Das muß dann ſtetig und taͤg- lich IV. Theil. b

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/21>, abgerufen am 25.04.2024.