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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECT. XXV. XXVI.
SECTIO XXV.
Was ein beicht-vater zu thun/ da eine person eine
that eydlich leugnet.

MO ein beicht-vater sein beicht- kind hertzlich erinnert/ und solches
die that mit einem eyd leugnet/ kan jener/ weil dieser es nunmehr
gleichsam an göttliches gericht gehänget hat/ nicht weiter in dasselbe
tringen. Findet er aber weiter gegenzeugnüß/ hat er auch solche demselben/
stets mit vorstellung der grossen seelen-gefahr/ bey falschen gebrauch und ent-
heiligung göttlichen namens/ vorzuhalten/ ob er ihn zu weiterer erkäntnüß
zu bringen vermöchte. Weißt er aber solche mit gutem schein oder nachmali-
ger beruffung auf sein gewissen/ abzuleinen/ muß auch dieses dem gewissen
endlich überlassen werden. Jm übrigen wo der obern sünden nicht bekant
sind/ noch sonst bekant werden würden/ muß ein beicht-vater/ als viel an
ihm ist/ zu vermeidung des ärgernüsses der kirchen/ vielmehr das ihm be-
kante unterdrucken/ als dessen ausbruch veranlassen. Der HErr gebe
auch in allem dem die weißheit die von ihm ist/ um Christi willen.

SECTIO XXVI.
Als ein prediger mit seinem consistorio nicht
zu frieden/ daß es ihm nicht freye gewalt in gebrauch der
schlüss l geben wolte: Was in solchem fall
zu thun?

JCh habe dessen geliebtes samt den einschlüssen wol erhalten/ und so
bald als mir müglich hiemit beantworten sollen. Wolte GOTT a-
ber/ daß ich auch also antworten könte/ daß der verlangte zweck möchte
erhalten/ und allerseits gewissen völlig tranquilliret werden. Wie ich aber
insgemein mir meiner wenigkeit wohl bewust bin/ also manglet mirs dis-
mal haupsächlich an der wissenschafft desjenigen/ was eigenlich dessen ge-
liebten bruders petita an das Fürstliche consistorium sind/ ob er an der
kirchen ordnung selbs etwas desiderire, und wider sein gewissen zu seyn ach-
te/ oder welches aus einigen abzunehmen scheinet/ ob er allein sich der wi-
der die kirchen ordnung eiugerissenen bösen observanz widersetzen wolle:
so bekenne auch/ daß in seinen brieffen/ nicht in allem den eigentlichen ver-
stand als nur insgemein begreiffen kan/ daher nicht aller orten den nervum
seiner argumenten assequire, in dessen will so viel hieher setzen als ich kan.

Erst-
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ARTIC. II. SECT. XXV. XXVI.
SECTIO XXV.
Was ein beicht-vater zu thun/ da eine perſon eine
that eydlich leugnet.

MO ein beicht-vater ſein beicht- kind hertzlich erinnert/ und ſolches
die that mit einem eyd leugnet/ kan jener/ weil dieſer es nunmehr
gleichſam an goͤttliches gericht gehaͤnget hat/ nicht weiter in daſſelbe
tringen. Findet er aber weiter gegenzeugnuͤß/ hat er auch ſolche demſelben/
ſtets mit vorſtellung der groſſen ſeelen-gefahr/ bey falſchen gebrauch und ent-
heiligung goͤttlichen namens/ vorzuhalten/ ob er ihn zu weiterer erkaͤntnuͤß
zu bringen vermoͤchte. Weißt er aber ſolche mit gutem ſchein oder nachmali-
ger beruffung auf ſein gewiſſen/ abzuleinen/ muß auch dieſes dem gewiſſen
endlich uͤberlaſſen werden. Jm uͤbrigen wo der obern ſuͤnden nicht bekant
ſind/ noch ſonſt bekant werden wuͤrden/ muß ein beicht-vater/ als viel an
ihm iſt/ zu vermeidung des aͤrgernuͤſſes der kirchen/ vielmehr das ihm be-
kante unterdrucken/ als deſſen ausbruch veranlaſſen. Der HErr gebe
auch in allem dem die weißheit die von ihm iſt/ um Chriſti willen.

SECTIO XXVI.
Als ein prediger mit ſeinem conſiſtorio nicht
zu frieden/ daß es ihm nicht freye gewalt in gebrauch der
ſchluͤſſ l geben wolte: Was in ſolchem fall
zu thun?

JCh habe deſſen geliebtes ſamt den einſchluͤſſen wol erhalten/ und ſo
bald als mir muͤglich hiemit beantworten ſollen. Wolte GOTT a-
ber/ daß ich auch alſo antworten koͤnte/ daß der verlangte zweck moͤchte
erhalten/ und allerſeits gewiſſen voͤllig tranquilliret werden. Wie ich aber
insgemein mir meiner wenigkeit wohl bewuſt bin/ alſo manglet mirs dis-
mal haupſaͤchlich an der wiſſenſchafft desjenigen/ was eigenlich deſſen ge-
liebten bruders petita an das Fuͤrſtliche conſiſtorium ſind/ ob er an der
kirchen ordnung ſelbs etwas deſiderire, und wider ſein gewiſſen zu ſeyn ach-
te/ oder welches aus einigen abzunehmen ſcheinet/ ob er allein ſich der wi-
der die kirchen ordnung eiugeriſſenen boͤſen obſervanz widerſetzen wolle:
ſo bekenne auch/ daß in ſeinen brieffen/ nicht in allem den eigentlichen ver-
ſtand als nur insgemein begreiffen kan/ daher nicht aller orten den nervum
ſeiner argumenten aſſequire, in deſſen will ſo viel hieher ſetzen als ich kan.

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[269/0281] ARTIC. II. SECT. XXV. XXVI. SECTIO XXV. Was ein beicht-vater zu thun/ da eine perſon eine that eydlich leugnet. MO ein beicht-vater ſein beicht- kind hertzlich erinnert/ und ſolches die that mit einem eyd leugnet/ kan jener/ weil dieſer es nunmehr gleichſam an goͤttliches gericht gehaͤnget hat/ nicht weiter in daſſelbe tringen. Findet er aber weiter gegenzeugnuͤß/ hat er auch ſolche demſelben/ ſtets mit vorſtellung der groſſen ſeelen-gefahr/ bey falſchen gebrauch und ent- heiligung goͤttlichen namens/ vorzuhalten/ ob er ihn zu weiterer erkaͤntnuͤß zu bringen vermoͤchte. Weißt er aber ſolche mit gutem ſchein oder nachmali- ger beruffung auf ſein gewiſſen/ abzuleinen/ muß auch dieſes dem gewiſſen endlich uͤberlaſſen werden. Jm uͤbrigen wo der obern ſuͤnden nicht bekant ſind/ noch ſonſt bekant werden wuͤrden/ muß ein beicht-vater/ als viel an ihm iſt/ zu vermeidung des aͤrgernuͤſſes der kirchen/ vielmehr das ihm be- kante unterdrucken/ als deſſen ausbruch veranlaſſen. Der HErr gebe auch in allem dem die weißheit die von ihm iſt/ um Chriſti willen. Amen. 1697. SECTIO XXVI. Als ein prediger mit ſeinem conſiſtorio nicht zu frieden/ daß es ihm nicht freye gewalt in gebrauch der ſchluͤſſ l geben wolte: Was in ſolchem fall zu thun? JCh habe deſſen geliebtes ſamt den einſchluͤſſen wol erhalten/ und ſo bald als mir muͤglich hiemit beantworten ſollen. Wolte GOTT a- ber/ daß ich auch alſo antworten koͤnte/ daß der verlangte zweck moͤchte erhalten/ und allerſeits gewiſſen voͤllig tranquilliret werden. Wie ich aber insgemein mir meiner wenigkeit wohl bewuſt bin/ alſo manglet mirs dis- mal haupſaͤchlich an der wiſſenſchafft desjenigen/ was eigenlich deſſen ge- liebten bruders petita an das Fuͤrſtliche conſiſtorium ſind/ ob er an der kirchen ordnung ſelbs etwas deſiderire, und wider ſein gewiſſen zu ſeyn ach- te/ oder welches aus einigen abzunehmen ſcheinet/ ob er allein ſich der wi- der die kirchen ordnung eiugeriſſenen boͤſen obſervanz widerſetzen wolle: ſo bekenne auch/ daß in ſeinen brieffen/ nicht in allem den eigentlichen ver- ſtand als nur insgemein begreiffen kan/ daher nicht aller orten den nervum ſeiner argumenten aſſequire, in deſſen will ſo viel hieher ſetzen als ich kan. Erſt- l l 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/281>, abgerufen am 25.04.2024.