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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC.. III. SECTIO VIII.
hertzlich war/ daß sie aus demselben alles seinetwegen verliessen/ und ihm
in allem zu gehorsamen willig wären/ von ihm hertzlich geliebet/ und noch
vor jünger erkant wurden. Jn solcher absicht mögen wir solchen leuten die
leich-predigten auch nicht versagen/ von welchen wir offters noch mehr hoff-
nung haben können/ als manchem schandflecken unserer kirchen/ die wir
doch mit leich-predigten beehren soben. 167...

SECTIO IX.
Von meditationibus aus anderer arbeit oder
eigener andacht. Nicht alle göttliche bewegungen en-
thusiasmi.
Austheilung der Bibel im jahr durch-
zulesen/ ob rathsam. Ob die werck aus
Christi blut verdienstlich.

WAs die mit etlichen worten angeregte meditatiomes anlanget/ mei-
ne gedancken nach verlangen zu communiciren/ meine ich/ daß die
aus anderer christlichen männer arbeit anstellende meditationes
sehr nützlich seyn/ in dem sie uns zu manchen gedancken anlaß geben/ die wir
vor uns selbs sonsten nimmer finden würden; so sind auch die sonst geübte-
sten nicht eben zu allen zeiten zu der meditation tüchtig/ sondern finden sich
offt sehr dürre/ um welche zeit die nicht frey gehen können/ alsdenn so zu re-
den an stecken oder an bäncken gehen müssen. Daher die arbeit derer nicht
undienlich/ welche dergleichen zu anderer andacht übung aufsetzen, oder
auch zusammen sondern/ und lasse mir also E. Hochw. vorschlag nicht miß-
fallen. Jedoch aber wolte ich die jenige seelen/ welche eine mehrere erkänt-
nüß GOttes und übung in dergleichen dingen haben/ nicht zurücke halten/
daß sie nicht auch von selbsten/ nach der guten hand GOttes über sie/ sich
mögten in meditationes einlassen/ und sie entweder der angeführten manu-
duction,
die einige zu solchem werck gegeben/ und so zu reden gewissen metho-
dum
gemacht/ bedienen/ oder auch ohne allen solchen methodum ihrer an-
dacht einig nach hängen. Wozu ich am liebsten allemal allein einen spruch
der schrifft/ der die vornehmende materien hauptsächlich in sich fasset/ zum
grund der meditation zu legen/ recommandiren wolte/ da alsdenn eine an-
dächtige seele nach hertzlichem gebet/ denselben betrachten/ jegliche wort
und was sie darinnen vor krafft finde/ reifflich erwegen/ und gleichsam des-
sen süßigkeit in den usibus, welche natürlich daraus in vermahnung oder
trost folgen/ schmecken möchte. Dabey ist gewiß/ und habe ichs aus gottse-

liger
a a a 2

ARTIC.. III. SECTIO VIII.
hertzlich war/ daß ſie aus demſelben alles ſeinetwegen verlieſſen/ und ihm
in allem zu gehorſamen willig waͤren/ von ihm hertzlich geliebet/ und noch
vor juͤnger erkant wurden. Jn ſolcher abſicht moͤgen wir ſolchen leuten die
leich-predigten auch nicht verſagen/ von welchen wir offters noch mehr hoff-
nung haben koͤnnen/ als manchem ſchandflecken unſerer kirchen/ die wir
doch mit leich-predigten beehren ſoben. 167...

SECTIO IX.
Von meditationibus aus anderer arbeit oder
eigener andacht. Nicht alle goͤttliche bewegungen en-
thuſiaſmi.
Austheilung der Bibel im jahr durch-
zuleſen/ ob rathſam. Ob die werck aus
Chriſti blut verdienſtlich.

WAs die mit etlichen worten angeregte meditatiomes anlanget/ mei-
ne gedancken nach verlangen zu communiciren/ meine ich/ daß die
aus anderer chriſtlichen maͤnner arbeit anſtellende meditationes
ſehr nuͤtzlich ſeyn/ in dem ſie uns zu manchen gedancken anlaß geben/ die wir
vor uns ſelbs ſonſten nimmer finden wuͤrden; ſo ſind auch die ſonſt geuͤbte-
ſten nicht eben zu allen zeiten zu der meditation tuͤchtig/ ſondern finden ſich
offt ſehr duͤrre/ um welche zeit die nicht frey gehen koͤnnen/ alsdenn ſo zu re-
den an ſtecken oder an baͤncken gehen muͤſſen. Daher die arbeit derer nicht
undienlich/ welche dergleichen zu anderer andacht uͤbung aufſetzen, oder
auch zuſammen ſondern/ und laſſe mir alſo E. Hochw. vorſchlag nicht miß-
fallen. Jedoch aber wolte ich die jenige ſeelen/ welche eine mehrere erkaͤnt-
nuͤß GOttes und uͤbung in dergleichen dingen haben/ nicht zuruͤcke halten/
daß ſie nicht auch von ſelbſten/ nach der guten hand GOttes uͤber ſie/ ſich
moͤgten in meditationes einlaſſen/ und ſie entweder der angefuͤhrten manu-
duction,
die einige zu ſolchem werck gegeben/ und ſo zu reden gewiſſen metho-
dum
gemacht/ bedienen/ oder auch ohne allen ſolchen methodum ihrer an-
dacht einig nach haͤngen. Wozu ich am liebſten allemal allein einen ſpruch
der ſchrifft/ der die vornehmende materien hauptſaͤchlich in ſich faſſet/ zum
grund der meditation zu legen/ recommandiren wolte/ da alsdenn eine an-
daͤchtige ſeele nach hertzlichem gebet/ denſelben betrachten/ jegliche wort
und was ſie darinnen vor krafft finde/ reifflich erwegen/ und gleichſam deſ-
ſen ſuͤßigkeit in den uſibus, welche natuͤrlich daraus in vermahnung oder
troſt folgen/ ſchmecken moͤchte. Dabey iſt gewiß/ und habe ichs aus gottſe-

liger
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[371/0383] ARTIC.. III. SECTIO VIII. hertzlich war/ daß ſie aus demſelben alles ſeinetwegen verlieſſen/ und ihm in allem zu gehorſamen willig waͤren/ von ihm hertzlich geliebet/ und noch vor juͤnger erkant wurden. Jn ſolcher abſicht moͤgen wir ſolchen leuten die leich-predigten auch nicht verſagen/ von welchen wir offters noch mehr hoff- nung haben koͤnnen/ als manchem ſchandflecken unſerer kirchen/ die wir doch mit leich-predigten beehren ſoben. 167... SECTIO IX. Von meditationibus aus anderer arbeit oder eigener andacht. Nicht alle goͤttliche bewegungen en- thuſiaſmi. Austheilung der Bibel im jahr durch- zuleſen/ ob rathſam. Ob die werck aus Chriſti blut verdienſtlich. WAs die mit etlichen worten angeregte meditatiomes anlanget/ mei- ne gedancken nach verlangen zu communiciren/ meine ich/ daß die aus anderer chriſtlichen maͤnner arbeit anſtellende meditationes ſehr nuͤtzlich ſeyn/ in dem ſie uns zu manchen gedancken anlaß geben/ die wir vor uns ſelbs ſonſten nimmer finden wuͤrden; ſo ſind auch die ſonſt geuͤbte- ſten nicht eben zu allen zeiten zu der meditation tuͤchtig/ ſondern finden ſich offt ſehr duͤrre/ um welche zeit die nicht frey gehen koͤnnen/ alsdenn ſo zu re- den an ſtecken oder an baͤncken gehen muͤſſen. Daher die arbeit derer nicht undienlich/ welche dergleichen zu anderer andacht uͤbung aufſetzen, oder auch zuſammen ſondern/ und laſſe mir alſo E. Hochw. vorſchlag nicht miß- fallen. Jedoch aber wolte ich die jenige ſeelen/ welche eine mehrere erkaͤnt- nuͤß GOttes und uͤbung in dergleichen dingen haben/ nicht zuruͤcke halten/ daß ſie nicht auch von ſelbſten/ nach der guten hand GOttes uͤber ſie/ ſich moͤgten in meditationes einlaſſen/ und ſie entweder der angefuͤhrten manu- duction, die einige zu ſolchem werck gegeben/ und ſo zu reden gewiſſen metho- dum gemacht/ bedienen/ oder auch ohne allen ſolchen methodum ihrer an- dacht einig nach haͤngen. Wozu ich am liebſten allemal allein einen ſpruch der ſchrifft/ der die vornehmende materien hauptſaͤchlich in ſich faſſet/ zum grund der meditation zu legen/ recommandiren wolte/ da alsdenn eine an- daͤchtige ſeele nach hertzlichem gebet/ denſelben betrachten/ jegliche wort und was ſie darinnen vor krafft finde/ reifflich erwegen/ und gleichſam deſ- ſen ſuͤßigkeit in den uſibus, welche natuͤrlich daraus in vermahnung oder troſt folgen/ ſchmecken moͤchte. Dabey iſt gewiß/ und habe ichs aus gottſe- liger a a a 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/383>, abgerufen am 16.04.2024.