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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
schlecht abgehet/ und weil sie aus schwachheit der vortragenden den leuten eher
scrupel machen können/ billig von denselben die sich dessen bewust sind/ unter-
lassen werden sollen) verliehen hat/ daß sie dieselbe gründlich vorlegen/ und die
zuhörer gegen die verführer verwahren. Sie gehören aber nicht allen zu/ und
bedörffen weder allezeit noch aller orten geliebet zu werden. Wo aber der praxeos
gedacht wird/ ist abermal nicht die meinung/ daß man alleine bey den moralien
bleiben solle. Sondern das erste in der praxi ist selbs die praxis fidei, und am al-
lermeisten dahin zu trachten/ daß durch die predigt des heiligen evangelii und die
theuren schätze der göttlichen gnaden-und heilsgüter/ wie sie gründlich und beweg-
lich vorgelegt/ die hertzen der zuhörer zu einem rechtschaffenen glauben u. vertrauen
gegen den himmlischen Vater gebracht werden mögen/ daraus so bald eine hertzli-
che liebe gegen denselben/ folglich auch ein ernster fleiß in den übrigen geboten des
HErrn aus liebe zu wandeln nothwendig entstehen wird. Da haben alsdann/
wo dieses zum grund gelegt wird/ die eigentlich so genannte moralien auch ihren
nutzen. Also lasse er dieses ihm sein lebenlang eine regel seyn/ seinen hauptzweck
drein zu setzen/ daß er einen guten baum setzen/ das ist/ den glauben vermittelst des
Heil. Geistes wirckung in die hertzen bringen/ daraus eine liebe gegen GOtt er-
wecken/ und dadurch das übrige gottselige leben zuwege bringen möge: dieses wird
das amt eines rechten evangelischen predigers seyn. Geschicht es aber nicht auf
die weise/ und suchet man nicht den glauben einzupredigen/ so ist das meiste ver-
gebens/ was von den moralien gehandlet wird: welches auch daraus klar wird/
weil wir alle bekennen/ daß die guten wercke früchte des glaubens und geistes sind:
daher ja ohne den glauben nicht zuwege gebracht werden mögen. Je öffter und je
deutlicher er also die güter des evangelii/ die schätze unsers heyls/ seinen zuhörern an-
rühmen wird/ so viel bessern grund/ seye er gewiß/ daß er legen werde/ damit
auch die gesetzpredigten nicht ohne frucht bleiben.

SECTIO XVII.
Nutzen des wahren Christenthums bey personen
höhern standes.

DAs liebe zeugnüß von der gottseligen Princessinnen hat mich sonderlich er-
freuet. Dann ob wol vor GOtt kein unterscheid der standes/ und seine
gnade auch den geringsten und verachtesten in der welt erzeiget/ nicht von
geringerem werth zu achten ist/ als die an den höchsten sich erweiset/ so erfreuet uns
doch billig solches theure göttliche gut so viel hertzlicher/ wo es sich zeiget in den see-
len derer/ welche mit so viel mehr reitzungen der Welt umgeben sind/ und also ihre

abzie-

Das ſiebende Capitel.
ſchlecht abgehet/ und weil ſie aus ſchwachheit der vortragenden den leuten eher
ſcrupel machen koͤnnen/ billig von denſelben die ſich deſſen bewuſt ſind/ unter-
laſſen werden ſollen) verliehen hat/ daß ſie dieſelbe gruͤndlich vorlegen/ und die
zuhoͤrer gegen die verfuͤhrer verwahren. Sie gehoͤren aber nicht allen zu/ und
bedoͤrffen weder allezeit noch aller orten geliebet zu werden. Wo aber der praxeos
gedacht wird/ iſt abermal nicht die meinung/ daß man alleine bey den moralien
bleiben ſolle. Sondern das erſte in der praxi iſt ſelbs die praxis fidei, und am al-
lermeiſten dahin zu trachten/ daß durch die predigt des heiligen evangelii und die
theuren ſchaͤtze der goͤttlichen gnaden-und heilsguͤter/ wie ſie gruͤndlich und beweg-
lich vorgelegt/ die hertzen der zuhoͤrer zu einem rechtſchaffenen glauben u. vertrauen
gegen den himmliſchen Vater gebracht werden moͤgen/ daraus ſo bald eine hertzli-
che liebe gegen denſelben/ folglich auch ein ernſter fleiß in den uͤbrigen geboten des
HErrn aus liebe zu wandeln nothwendig entſtehen wird. Da haben alsdann/
wo dieſes zum grund gelegt wird/ die eigentlich ſo genannte moralien auch ihren
nutzen. Alſo laſſe er dieſes ihm ſein lebenlang eine regel ſeyn/ ſeinen hauptzweck
drein zu ſetzen/ daß er einen guten baum ſetzen/ das iſt/ den glauben vermittelſt des
Heil. Geiſtes wirckung in die hertzen bringen/ daraus eine liebe gegen GOtt er-
wecken/ und dadurch das uͤbrige gottſelige leben zuwege bringen moͤge: dieſes wird
das amt eines rechten evangeliſchen predigers ſeyn. Geſchicht es aber nicht auf
die weiſe/ und ſuchet man nicht den glauben einzupredigen/ ſo iſt das meiſte ver-
gebens/ was von den moralien gehandlet wird: welches auch daraus klar wird/
weil wir alle bekennen/ daß die guten wercke fruͤchte des glaubens und geiſtes ſind:
daher ja ohne den glauben nicht zuwege gebracht werden moͤgen. Je oͤffter und je
deutlicher er alſo die guͤter des evangelii/ die ſchaͤtze unſers heyls/ ſeinen zuhoͤrern an-
ruͤhmen wird/ ſo viel beſſern grund/ ſeye er gewiß/ daß er legen werde/ damit
auch die geſetzpredigten nicht ohne frucht bleiben.

SECTIO XVII.
Nutzen des wahren Chriſtenthums bey perſonen
hoͤhern ſtandes.

DAs liebe zeugnuͤß von der gottſeligen Princeſſinnen hat mich ſonderlich er-
freuet. Dann ob wol vor GOtt kein unterſcheid der ſtandes/ und ſeine
gnade auch den geringſten und verachteſten in der welt erzeiget/ nicht von
geringerem werth zu achten iſt/ als die an den hoͤchſten ſich erweiſet/ ſo erfreuet uns
doch billig ſolches theure goͤttliche gut ſo viel hertzlicher/ wo es ſich zeiget in den ſee-
len derer/ welche mit ſo viel mehr reitzungen der Welt umgeben ſind/ und alſo ihre

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[454/0466] Das ſiebende Capitel. ſchlecht abgehet/ und weil ſie aus ſchwachheit der vortragenden den leuten eher ſcrupel machen koͤnnen/ billig von denſelben die ſich deſſen bewuſt ſind/ unter- laſſen werden ſollen) verliehen hat/ daß ſie dieſelbe gruͤndlich vorlegen/ und die zuhoͤrer gegen die verfuͤhrer verwahren. Sie gehoͤren aber nicht allen zu/ und bedoͤrffen weder allezeit noch aller orten geliebet zu werden. Wo aber der praxeos gedacht wird/ iſt abermal nicht die meinung/ daß man alleine bey den moralien bleiben ſolle. Sondern das erſte in der praxi iſt ſelbs die praxis fidei, und am al- lermeiſten dahin zu trachten/ daß durch die predigt des heiligen evangelii und die theuren ſchaͤtze der goͤttlichen gnaden-und heilsguͤter/ wie ſie gruͤndlich und beweg- lich vorgelegt/ die hertzen der zuhoͤrer zu einem rechtſchaffenen glauben u. vertrauen gegen den himmliſchen Vater gebracht werden moͤgen/ daraus ſo bald eine hertzli- che liebe gegen denſelben/ folglich auch ein ernſter fleiß in den uͤbrigen geboten des HErrn aus liebe zu wandeln nothwendig entſtehen wird. Da haben alsdann/ wo dieſes zum grund gelegt wird/ die eigentlich ſo genannte moralien auch ihren nutzen. Alſo laſſe er dieſes ihm ſein lebenlang eine regel ſeyn/ ſeinen hauptzweck drein zu ſetzen/ daß er einen guten baum ſetzen/ das iſt/ den glauben vermittelſt des Heil. Geiſtes wirckung in die hertzen bringen/ daraus eine liebe gegen GOtt er- wecken/ und dadurch das uͤbrige gottſelige leben zuwege bringen moͤge: dieſes wird das amt eines rechten evangeliſchen predigers ſeyn. Geſchicht es aber nicht auf die weiſe/ und ſuchet man nicht den glauben einzupredigen/ ſo iſt das meiſte ver- gebens/ was von den moralien gehandlet wird: welches auch daraus klar wird/ weil wir alle bekennen/ daß die guten wercke fruͤchte des glaubens und geiſtes ſind: daher ja ohne den glauben nicht zuwege gebracht werden moͤgen. Je oͤffter und je deutlicher er alſo die guͤter des evangelii/ die ſchaͤtze unſers heyls/ ſeinen zuhoͤrern an- ruͤhmen wird/ ſo viel beſſern grund/ ſeye er gewiß/ daß er legen werde/ damit auch die geſetzpredigten nicht ohne frucht bleiben. 3. Febr. 1682. SECTIO XVII. Nutzen des wahren Chriſtenthums bey perſonen hoͤhern ſtandes. DAs liebe zeugnuͤß von der gottſeligen Princeſſinnen hat mich ſonderlich er- freuet. Dann ob wol vor GOtt kein unterſcheid der ſtandes/ und ſeine gnade auch den geringſten und verachteſten in der welt erzeiget/ nicht von geringerem werth zu achten iſt/ als die an den hoͤchſten ſich erweiſet/ ſo erfreuet uns doch billig ſolches theure goͤttliche gut ſo viel hertzlicher/ wo es ſich zeiget in den ſee- len derer/ welche mit ſo viel mehr reitzungen der Welt umgeben ſind/ und alſo ihre abzie-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/466>, abgerufen am 29.03.2024.