Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. V. SECTIO XX.
fertig haben, wolte nicht, daß er sich dadurch schrecken liesse, sie nicht heraus zu ge-
ben, doch möchte rathsamer seyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr D. Hin-
ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden müssen, wundre mich gar
nicht, sondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es sich mit redlichem ernst
läst angelegen seyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der satan er-
fahren, wie ihm dieses stücklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernüß
vieles guten, allzuwol gerathen, so wird er so bald davon nicht nachlassen. Aber
das beste ist, deswegen nicht müde werden, sich nicht dem teufel zu gefallen fürch-
ten, und seine unschuld durch that und zeit, offentlich darstellen, da sich diejenige
endlich verkrichen müssen, die vor dem licht nicht zu bestehen vermögen.

SECTIO XXI.
An eine Gräsin/ die einen sohn gebohren. Schwe-
rigkeit im hohen stande seine seele zu retten. Dessen
grosses verderben.

JCh versichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, also auch dero werthesten
person vor dem angesicht des HErrn also gedencke, daß auch vor die dersel-
bigen erzeigende wohlthaten dem himmlischen Vater mit ihnen hertzlich
dancke, wohin eben diejenige gnade gehöret, daß dessen väterliche güte dieselbe nicht
nur mit einer glücklichen geburt und lieben söhnlein gesegnet, sondern auch wiede-
rum zu völligen kräfften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch-
gräfl. Gn. aus seiner wirckung sich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr-
hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie schwer solche sache sey, bin ich
gewiß, daß E. Hochgräfl. Gnd. selbst erkennen, sonderlich wenn sie bedencken, wie
nicht nur alle stände insgesamt so erbärmlich verdorben seyn, sondern auch beson-
ders der stand derer, welche GOtt nach seiner weißheit einige stuffen über andere er-
höhet hat, in einem solchem verderben insgemein stecken, daß man manche dinge,
welche doch von dem christenthum unabsonderlich sind, in demselbigen vor unmüg-
lich ja ihm schimpfflich achten will, hingegen die stücke, die der heilige apostel der welt
zueignet, als der augen lust, des fleisches lust, und hoffärtiges leben, solchem stande
fast meistens unverboten zu seyn glaubet, und sich also eine von GOtt nicht gegebe-
ne, dahero auch vor ihm nicht passirliche freyheit in demselbigen nimmet, des müs-
siggangs, unnützer zeitverderbung, prächtigen lebens, zärtlichkeit und wollust, gleich-
stellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt seine ordnung
von uns nicht lässet geändert werden, oder die ausnahm gewisser stände von der ver-

bind-

ARTIC. V. SECTIO XX.
fertig haben, wolte nicht, daß er ſich dadurch ſchrecken lieſſe, ſie nicht heraus zu ge-
ben, doch moͤchte rathſamer ſeyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr D. Hin-
ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden muͤſſen, wundre mich gar
nicht, ſondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es ſich mit redlichem ernſt
laͤſt angelegen ſeyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der ſatan er-
fahren, wie ihm dieſes ſtuͤcklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernuͤß
vieles guten, allzuwol gerathen, ſo wird er ſo bald davon nicht nachlaſſen. Aber
das beſte iſt, deswegen nicht muͤde werden, ſich nicht dem teufel zu gefallen fuͤrch-
ten, und ſeine unſchuld durch that und zeit, offentlich darſtellen, da ſich diejenige
endlich verkrichen muͤſſen, die vor dem licht nicht zu beſtehen vermoͤgen.

SECTIO XXI.
An eine Graͤſin/ die einen ſohn gebohren. Schwe-
rigkeit im hohen ſtande ſeine ſeele zu retten. Deſſen
groſſes verderben.

JCh verſichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, alſo auch dero wertheſten
perſon vor dem angeſicht des HErrn alſo gedencke, daß auch vor die derſel-
bigen erzeigende wohlthaten dem himmliſchen Vater mit ihnen hertzlich
dancke, wohin eben diejenige gnade gehoͤret, daß deſſen vaͤterliche guͤte dieſelbe nicht
nur mit einer gluͤcklichen geburt und lieben ſöhnlein geſegnet, ſondern auch wiede-
rum zu voͤlligen kraͤfften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch-
graͤfl. Gn. aus ſeiner wirckung ſich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr-
hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie ſchwer ſolche ſache ſey, bin ich
gewiß, daß E. Hochgraͤfl. Gnd. ſelbſt erkennen, ſonderlich wenn ſie bedencken, wie
nicht nur alle ſtaͤnde insgeſamt ſo erbaͤrmlich verdorben ſeyn, ſondern auch beſon-
ders der ſtand derer, welche GOtt nach ſeiner weißheit einige ſtuffen uͤber andere er-
hoͤhet hat, in einem ſolchem verderben insgemein ſtecken, daß man manche dinge,
welche doch von dem chriſtenthum unabſonderlich ſind, in demſelbigen vor unmuͤg-
lich ja ihm ſchimpfflich achten will, hingegen die ſtuͤcke, die der heilige apoſtel der welt
zueignet, als der augen luſt, des fleiſches luſt, und hoffaͤrtiges leben, ſolchem ſtande
faſt meiſtens unverboten zu ſeyn glaubet, und ſich alſo eine von GOtt nicht gegebe-
ne, dahero auch vor ihm nicht pasſirliche freyheit in demſelbigen nimmet, des muͤſ-
ſiggangs, unnuͤtzer zeitverderbung, praͤchtigen lebens, zaͤꝛtlichkeit und wolluſt, gleich-
ſtellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt ſeine ordnung
von uns nicht laͤſſet geaͤndeꝛt werden, oder die ausnahm gewiſſeꝛ ſtaͤnde von der ver-

bind-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0603" n="591"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. V. SECTIO XX.</hi></hi></fw><lb/>
fertig haben, wolte nicht, daß er &#x017F;ich dadurch &#x017F;chrecken lie&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ie nicht heraus zu ge-<lb/>
ben, doch mo&#x0364;chte rath&#x017F;amer &#x017F;eyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr <hi rendition="#aq">D.</hi> Hin-<lb/>
ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wundre mich gar<lb/>
nicht, &#x017F;ondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es &#x017F;ich mit redlichem ern&#x017F;t<lb/>
la&#x0364;&#x017F;t angelegen &#x017F;eyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der &#x017F;atan er-<lb/>
fahren, wie ihm die&#x017F;es &#x017F;tu&#x0364;cklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernu&#x0364;ß<lb/>
vieles guten, allzuwol gerathen, &#x017F;o wird er &#x017F;o bald davon nicht nachla&#x017F;&#x017F;en. Aber<lb/>
das be&#x017F;te i&#x017F;t, deswegen nicht mu&#x0364;de werden, &#x017F;ich nicht dem teufel zu gefallen fu&#x0364;rch-<lb/>
ten, und &#x017F;eine un&#x017F;chuld durch that und zeit, offentlich dar&#x017F;tellen, da &#x017F;ich diejenige<lb/>
endlich verkrichen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, die vor dem licht nicht zu be&#x017F;tehen vermo&#x0364;gen.</p><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#aq">29. Jun. 1688.</hi> </dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XXI</hi>.</hi><lb/>
An eine Gra&#x0364;&#x017F;in/ die einen &#x017F;ohn gebohren. Schwe-<lb/>
rigkeit im hohen &#x017F;tande &#x017F;eine &#x017F;eele zu retten. De&#x017F;&#x017F;en<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;es verderben.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch ver&#x017F;ichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, al&#x017F;o auch dero werthe&#x017F;ten<lb/>
per&#x017F;on vor dem ange&#x017F;icht des HErrn al&#x017F;o gedencke, daß auch vor die der&#x017F;el-<lb/>
bigen erzeigende wohlthaten dem himmli&#x017F;chen Vater mit ihnen hertzlich<lb/>
dancke, wohin eben diejenige gnade geho&#x0364;ret, daß de&#x017F;&#x017F;en va&#x0364;terliche gu&#x0364;te die&#x017F;elbe nicht<lb/>
nur mit einer glu&#x0364;cklichen geburt und lieben &#x017F;öhnlein ge&#x017F;egnet, &#x017F;ondern auch wiede-<lb/>
rum zu vo&#x0364;lligen kra&#x0364;fften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch-<lb/>
gra&#x0364;fl. Gn. aus &#x017F;einer wirckung &#x017F;ich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr-<lb/>
hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie &#x017F;chwer &#x017F;olche &#x017F;ache &#x017F;ey, bin ich<lb/>
gewiß, daß E. Hochgra&#x0364;fl. Gnd. &#x017F;elb&#x017F;t erkennen, &#x017F;onderlich wenn &#x017F;ie bedencken, wie<lb/>
nicht nur alle &#x017F;ta&#x0364;nde insge&#x017F;amt &#x017F;o erba&#x0364;rmlich verdorben &#x017F;eyn, &#x017F;ondern auch be&#x017F;on-<lb/>
ders der &#x017F;tand derer, welche GOtt nach &#x017F;einer weißheit einige &#x017F;tuffen u&#x0364;ber andere er-<lb/>
ho&#x0364;het hat, in einem &#x017F;olchem verderben insgemein &#x017F;tecken, daß man manche dinge,<lb/>
welche doch von dem chri&#x017F;tenthum unab&#x017F;onderlich &#x017F;ind, in dem&#x017F;elbigen vor unmu&#x0364;g-<lb/>
lich ja ihm &#x017F;chimpfflich achten will, hingegen die &#x017F;tu&#x0364;cke, die der heilige apo&#x017F;tel der welt<lb/>
zueignet, als der augen lu&#x017F;t, des flei&#x017F;ches lu&#x017F;t, und hoffa&#x0364;rtiges leben, &#x017F;olchem &#x017F;tande<lb/>
fa&#x017F;t mei&#x017F;tens unverboten zu &#x017F;eyn glaubet, und &#x017F;ich al&#x017F;o eine von GOtt nicht gegebe-<lb/>
ne, dahero auch vor ihm nicht <hi rendition="#aq">pas&#x017F;irli</hi>che freyheit in dem&#x017F;elbigen nimmet, des mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;iggangs, unnu&#x0364;tzer zeitverderbung, pra&#x0364;chtigen lebens, za&#x0364;&#xA75B;tlichkeit und wollu&#x017F;t, gleich-<lb/>
&#x017F;tellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt &#x017F;eine ordnung<lb/>
von uns nicht la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et gea&#x0364;nde&#xA75B;t werden, oder die ausnahm gewi&#x017F;&#x017F;e&#xA75B; &#x017F;ta&#x0364;nde von der ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bind-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[591/0603] ARTIC. V. SECTIO XX. fertig haben, wolte nicht, daß er ſich dadurch ſchrecken lieſſe, ſie nicht heraus zu ge- ben, doch moͤchte rathſamer ſeyn, es anderwerts zu drucken. Daß Herr D. Hin- ckelmann auch einige nachrede in ihren landen leiden muͤſſen, wundre mich gar nicht, ſondern vielmehr, wenn er oder einiger anderer der es ſich mit redlichem ernſt laͤſt angelegen ſeyn GOtt zu dienen, frey ausginge. Denn nachdem der ſatan er- fahren, wie ihm dieſes ſtuͤcklein, redliche leute in verdacht zu ziehen, zu hindernuͤß vieles guten, allzuwol gerathen, ſo wird er ſo bald davon nicht nachlaſſen. Aber das beſte iſt, deswegen nicht muͤde werden, ſich nicht dem teufel zu gefallen fuͤrch- ten, und ſeine unſchuld durch that und zeit, offentlich darſtellen, da ſich diejenige endlich verkrichen muͤſſen, die vor dem licht nicht zu beſtehen vermoͤgen. 29. Jun. 1688. SECTIO XXI. An eine Graͤſin/ die einen ſohn gebohren. Schwe- rigkeit im hohen ſtande ſeine ſeele zu retten. Deſſen groſſes verderben. JCh verſichere, daß gleich wie dero geliebten Herrn, alſo auch dero wertheſten perſon vor dem angeſicht des HErrn alſo gedencke, daß auch vor die derſel- bigen erzeigende wohlthaten dem himmliſchen Vater mit ihnen hertzlich dancke, wohin eben diejenige gnade gehoͤret, daß deſſen vaͤterliche guͤte dieſelbe nicht nur mit einer gluͤcklichen geburt und lieben ſöhnlein geſegnet, ſondern auch wiede- rum zu voͤlligen kraͤfften gebracht haben wird. Sonderlich aber daß E. Hoch- graͤfl. Gn. aus ſeiner wirckung ſich hertzlich vorgenommen, die liebe ihrige wahr- hafftig bloß nach des HErrn willen zu erziehen. Wie ſchwer ſolche ſache ſey, bin ich gewiß, daß E. Hochgraͤfl. Gnd. ſelbſt erkennen, ſonderlich wenn ſie bedencken, wie nicht nur alle ſtaͤnde insgeſamt ſo erbaͤrmlich verdorben ſeyn, ſondern auch beſon- ders der ſtand derer, welche GOtt nach ſeiner weißheit einige ſtuffen uͤber andere er- hoͤhet hat, in einem ſolchem verderben insgemein ſtecken, daß man manche dinge, welche doch von dem chriſtenthum unabſonderlich ſind, in demſelbigen vor unmuͤg- lich ja ihm ſchimpfflich achten will, hingegen die ſtuͤcke, die der heilige apoſtel der welt zueignet, als der augen luſt, des fleiſches luſt, und hoffaͤrtiges leben, ſolchem ſtande faſt meiſtens unverboten zu ſeyn glaubet, und ſich alſo eine von GOtt nicht gegebe- ne, dahero auch vor ihm nicht pasſirliche freyheit in demſelbigen nimmet, des muͤſ- ſiggangs, unnuͤtzer zeitverderbung, praͤchtigen lebens, zaͤꝛtlichkeit und wolluſt, gleich- ſtellung der welt, und dergleichen; dahero dann folget, weil GOtt ſeine ordnung von uns nicht laͤſſet geaͤndeꝛt werden, oder die ausnahm gewiſſeꝛ ſtaͤnde von der ver- bind-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/603
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/603>, abgerufen am 19.04.2024.