Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. I. SECT. XII.
eigenen bibeln das unser vater aus Lutheri feder lesen. Daher 4. wo man
sich so hart opiniastriren wolte, solches ein ansehen gewinnen würde, daß die
Lutheraner allzu eigensinnig wären und in dergleichen dingen, die das ge-
ringste in dem glauben nicht ändern, ja den sylben nach aus ihrer eigenen bi-
bel gezogen wären, auch bey unterschiedlichen ihrer kirchen in vollem schwang,
dannoch ihrer Obrigkeit nichts zu willen zu seyn wüßten: welches nicht aus
trieb des gewissens, dem damit kein strick angelegt würde, sondern aus unzei-
tiger halßstarrigkeit herkommen müßte, welchen verdacht ich doch nicht gern
auf uns hafften lassen wolte. Ein andere sache aber wäre es, wo man wei-
ter gehen solte, und einige dinge uns zumuthen wolte, welche einigerley
massen in den glauben und GOttes dienst selbs einlauffen solten. Dieses
wären meine unvorgreiffliche gedancken über beyde fragen. Der HERR
gebe allemal und zu allen dingen seine weißheit, vorab zu erkäntnüß seines
willens.

SECTIO XII.
An eine Hochfürstliche person wegen derselben
arbeit über den psalter.

ALs ich das büchlein gelesen, hat mich vornehmlich erfreuet E. Hochf.
Durchl liebe gegen dieses stück göttlichen worts, welches unter allen
büchern des alten Testaments in gewissen absichten wol das vor-
nehmste mag geachtet werden, und der aus solcher liebe daran gewandte
rühmliche fleiß. So halte ich es vor eine richtige folge, wo ein regent sich
das wort des HERRR mit fleiß lässet angelegen seyn, damit stäts umzuge-
hen, sonderlich aber auch in dem gebet den HERRR hertzlich zu suchen, daß
derselbe nicht anders als wohl regieren könne, ja von der weißheit GOt-
tes, so sich gern gibet in die seelen, die sie suchen, regieret werden müsse;
Und wird also derjenige mehr und mehr mit David des vortrefflichen und
gesegneten königs geist und weißheit erfüllet werden, deme das jenige stäts
vor augen und in dem hertzen ist, was solcher geist durch jenen seinen
werckzeug ausgesprochen, und uns hinterlassen hat. So ist auch ferner die
absicht löblich, die jenige wort, welche abermal der heilige Geist durch Da-
vid geredet und geheiliget hat, dahin trachten anzuwenden, wie sie uns in un-
serm gebrauch mögen dienlich seyn, daß also was der theure König und Pro-
phet in gewissen und particular angelegenheiten geredet, auch mit weniger
änderung von uns in dem gemeinen und täglichen anligen nachgesprochen
werden möge. Massen wo niemand anders, als welcher mit dem lieben
David in gleichen äusserlichen trübsalen und verfolgungen (die demselben

zum
g 2

ARTIC. I. SECT. XII.
eigenen bibeln das unſer vater aus Lutheri feder leſen. Daher 4. wo man
ſich ſo hart opiniaſtriren wolte, ſolches ein anſehen gewinnen wuͤrde, daß die
Lutheraner allzu eigenſinnig waͤren und in dergleichen dingen, die das ge-
ringſte in dem glauben nicht aͤndern, ja den ſylben nach aus ihrer eigenen bi-
bel gezogen waͤren, auch bey unterſchiedlichen ihrer kirchen in vollem ſchwang,
dannoch ihrer Obrigkeit nichts zu willen zu ſeyn wuͤßten: welches nicht aus
trieb des gewiſſens, dem damit kein ſtrick angelegt wuͤrde, ſondern aus unzei-
tiger halßſtarrigkeit herkommen muͤßte, welchen verdacht ich doch nicht gern
auf uns hafften laſſen wolte. Ein andere ſache aber waͤre es, wo man wei-
ter gehen ſolte, und einige dinge uns zumuthen wolte, welche einigerley
maſſen in den glauben und GOttes dienſt ſelbs einlauffen ſolten. Dieſes
waͤren meine unvorgreiffliche gedancken uͤber beyde fragen. Der HERR
gebe allemal und zu allen dingen ſeine weißheit, vorab zu erkaͤntnuͤß ſeines
willens.

SECTIO XII.
An eine Hochfuͤrſtliche perſon wegen derſelben
arbeit uͤber den pſalter.

ALs ich das buͤchlein geleſen, hat mich vornehmlich erfreuet E. Hochf.
Durchl liebe gegen dieſes ſtuͤck goͤttlichen worts, welches unter allen
buͤchern des alten Teſtaments in gewiſſen abſichten wol das vor-
nehmſte mag geachtet werden, und der aus ſolcher liebe daran gewandte
ruͤhmliche fleiß. So halte ich es vor eine richtige folge, wo ein regent ſich
das wort des HERRR mit fleiß laͤſſet angelegen ſeyn, damit ſtaͤts umzuge-
hen, ſonderlich aber auch in dem gebet den HERRR hertzlich zu ſuchen, daß
derſelbe nicht anders als wohl regieren koͤnne, ja von der weißheit GOt-
tes, ſo ſich gern gibet in die ſeelen, die ſie ſuchen, regieret werden muͤſſe;
Und wird alſo derjenige mehr und mehr mit David des vortrefflichen und
geſegneten koͤnigs geiſt und weißheit erfuͤllet werden, deme das jenige ſtaͤts
vor augen und in dem hertzen iſt, was ſolcher geiſt durch jenen ſeinen
werckzeug ausgeſprochen, und uns hinterlaſſen hat. So iſt auch ferner die
abſicht loͤblich, die jenige wort, welche abermal der heilige Geiſt durch Da-
vid geredet und geheiliget hat, dahin trachten anzuwenden, wie ſie uns in un-
ſerm gebrauch moͤgen dienlich ſeyn, daß alſo was der theure Koͤnig und Pro-
phet in gewiſſen und particular angelegenheiten geredet, auch mit weniger
aͤnderung von uns in dem gemeinen und taͤglichen anligen nachgeſprochen
werden moͤge. Maſſen wo niemand anders, als welcher mit dem lieben
David in gleichen aͤuſſerlichen truͤbſalen und verfolgungen (die demſelben

zum
g 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0063" n="51"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. I. SECT. XII.</hi></hi></fw><lb/>
eigenen bibeln das <hi rendition="#fr">un&#x017F;er vater</hi> aus Lutheri feder le&#x017F;en. Daher 4. wo man<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o hart <hi rendition="#aq">opinia&#x017F;trir</hi>en wolte, &#x017F;olches ein an&#x017F;ehen gewinnen wu&#x0364;rde, daß die<lb/>
Lutheraner allzu eigen&#x017F;innig wa&#x0364;ren und in dergleichen dingen, die das ge-<lb/>
ring&#x017F;te in dem glauben nicht a&#x0364;ndern, ja den &#x017F;ylben nach aus ihrer eigenen bi-<lb/>
bel gezogen wa&#x0364;ren, auch bey unter&#x017F;chiedlichen ihrer kirchen in vollem &#x017F;chwang,<lb/>
dannoch ihrer Obrigkeit nichts zu willen zu &#x017F;eyn wu&#x0364;ßten: welches nicht aus<lb/>
trieb des gewi&#x017F;&#x017F;ens, dem damit kein &#x017F;trick angelegt wu&#x0364;rde, &#x017F;ondern aus unzei-<lb/>
tiger halß&#x017F;tarrigkeit herkommen mu&#x0364;ßte, welchen verdacht ich doch nicht gern<lb/>
auf uns hafften la&#x017F;&#x017F;en wolte. Ein andere &#x017F;ache aber wa&#x0364;re es, wo man wei-<lb/>
ter gehen &#x017F;olte, und einige dinge uns zumuthen wolte, welche einigerley<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en in den glauben und GOttes dien&#x017F;t &#x017F;elbs einlauffen &#x017F;olten. Die&#x017F;es<lb/>
wa&#x0364;ren meine unvorgreiffliche gedancken u&#x0364;ber beyde fragen. Der HERR<lb/>
gebe allemal und zu allen dingen &#x017F;eine weißheit, vorab zu erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß &#x017F;eines<lb/>
willens.</p>
            <dateline>1683.</dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">SECTIO XII.</hi><lb/>
An eine Hochfu&#x0364;r&#x017F;tliche per&#x017F;on wegen der&#x017F;elben<lb/>
arbeit u&#x0364;ber den p&#x017F;alter.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">A</hi>Ls ich das bu&#x0364;chlein gele&#x017F;en, hat mich vornehmlich erfreuet E. Hochf.<lb/>
Durchl liebe gegen die&#x017F;es &#x017F;tu&#x0364;ck go&#x0364;ttlichen worts, welches unter allen<lb/>
bu&#x0364;chern des alten Te&#x017F;taments in gewi&#x017F;&#x017F;en ab&#x017F;ichten wol das vor-<lb/>
nehm&#x017F;te mag geachtet werden, und der aus &#x017F;olcher liebe daran gewandte<lb/>
ru&#x0364;hmliche fleiß. So halte ich es vor eine richtige folge, wo ein regent &#x017F;ich<lb/>
das wort des HERRR mit fleiß la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et angelegen &#x017F;eyn, damit &#x017F;ta&#x0364;ts umzuge-<lb/>
hen, &#x017F;onderlich aber auch in dem gebet den HERRR hertzlich zu &#x017F;uchen, daß<lb/>
der&#x017F;elbe nicht anders als wohl regieren ko&#x0364;nne, ja von der weißheit GOt-<lb/>
tes, &#x017F;o &#x017F;ich gern gibet in die &#x017F;eelen, die &#x017F;ie &#x017F;uchen, regieret werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
Und wird al&#x017F;o derjenige mehr und mehr mit David des vortrefflichen und<lb/>
ge&#x017F;egneten ko&#x0364;nigs gei&#x017F;t und weißheit erfu&#x0364;llet werden, deme das jenige &#x017F;ta&#x0364;ts<lb/>
vor augen und in dem hertzen i&#x017F;t, was &#x017F;olcher gei&#x017F;t durch jenen &#x017F;einen<lb/>
werckzeug ausge&#x017F;prochen, und uns hinterla&#x017F;&#x017F;en hat. So i&#x017F;t auch ferner die<lb/>
ab&#x017F;icht lo&#x0364;blich, die jenige wort, welche abermal der heilige Gei&#x017F;t durch Da-<lb/>
vid geredet und geheiliget hat, dahin trachten anzuwenden, wie &#x017F;ie uns in un-<lb/>
&#x017F;erm gebrauch mo&#x0364;gen dienlich &#x017F;eyn, daß al&#x017F;o was der theure Ko&#x0364;nig und Pro-<lb/>
phet in gewi&#x017F;&#x017F;en und <hi rendition="#aq">particular</hi> angelegenheiten geredet, auch mit weniger<lb/>
a&#x0364;nderung von uns in dem gemeinen und ta&#x0364;glichen anligen nachge&#x017F;prochen<lb/>
werden mo&#x0364;ge. Ma&#x017F;&#x017F;en wo niemand anders, als welcher mit dem lieben<lb/>
David in gleichen a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen tru&#x0364;b&#x017F;alen und verfolgungen (die dem&#x017F;elben<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">g 2</fw><fw place="bottom" type="catch">zum</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0063] ARTIC. I. SECT. XII. eigenen bibeln das unſer vater aus Lutheri feder leſen. Daher 4. wo man ſich ſo hart opiniaſtriren wolte, ſolches ein anſehen gewinnen wuͤrde, daß die Lutheraner allzu eigenſinnig waͤren und in dergleichen dingen, die das ge- ringſte in dem glauben nicht aͤndern, ja den ſylben nach aus ihrer eigenen bi- bel gezogen waͤren, auch bey unterſchiedlichen ihrer kirchen in vollem ſchwang, dannoch ihrer Obrigkeit nichts zu willen zu ſeyn wuͤßten: welches nicht aus trieb des gewiſſens, dem damit kein ſtrick angelegt wuͤrde, ſondern aus unzei- tiger halßſtarrigkeit herkommen muͤßte, welchen verdacht ich doch nicht gern auf uns hafften laſſen wolte. Ein andere ſache aber waͤre es, wo man wei- ter gehen ſolte, und einige dinge uns zumuthen wolte, welche einigerley maſſen in den glauben und GOttes dienſt ſelbs einlauffen ſolten. Dieſes waͤren meine unvorgreiffliche gedancken uͤber beyde fragen. Der HERR gebe allemal und zu allen dingen ſeine weißheit, vorab zu erkaͤntnuͤß ſeines willens. 1683. SECTIO XII. An eine Hochfuͤrſtliche perſon wegen derſelben arbeit uͤber den pſalter. ALs ich das buͤchlein geleſen, hat mich vornehmlich erfreuet E. Hochf. Durchl liebe gegen dieſes ſtuͤck goͤttlichen worts, welches unter allen buͤchern des alten Teſtaments in gewiſſen abſichten wol das vor- nehmſte mag geachtet werden, und der aus ſolcher liebe daran gewandte ruͤhmliche fleiß. So halte ich es vor eine richtige folge, wo ein regent ſich das wort des HERRR mit fleiß laͤſſet angelegen ſeyn, damit ſtaͤts umzuge- hen, ſonderlich aber auch in dem gebet den HERRR hertzlich zu ſuchen, daß derſelbe nicht anders als wohl regieren koͤnne, ja von der weißheit GOt- tes, ſo ſich gern gibet in die ſeelen, die ſie ſuchen, regieret werden muͤſſe; Und wird alſo derjenige mehr und mehr mit David des vortrefflichen und geſegneten koͤnigs geiſt und weißheit erfuͤllet werden, deme das jenige ſtaͤts vor augen und in dem hertzen iſt, was ſolcher geiſt durch jenen ſeinen werckzeug ausgeſprochen, und uns hinterlaſſen hat. So iſt auch ferner die abſicht loͤblich, die jenige wort, welche abermal der heilige Geiſt durch Da- vid geredet und geheiliget hat, dahin trachten anzuwenden, wie ſie uns in un- ſerm gebrauch moͤgen dienlich ſeyn, daß alſo was der theure Koͤnig und Pro- phet in gewiſſen und particular angelegenheiten geredet, auch mit weniger aͤnderung von uns in dem gemeinen und taͤglichen anligen nachgeſprochen werden moͤge. Maſſen wo niemand anders, als welcher mit dem lieben David in gleichen aͤuſſerlichen truͤbſalen und verfolgungen (die demſelben zum g 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/63
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/63>, abgerufen am 29.03.2024.