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Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686.

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so betriegt sich der mensch schändlich/ fället
entweder gar in eine solche fleischliche sicher-
heit/ darinnen er allgemach erhartet/ und
hält immer seine sorglosigkeit vor den rech-
ten frieden/ den er auch deßwegen nicht
stöhren lassen will; oder wo nachmal die
traurigkeit überhand nimmet/ muß er mit
desto schrecklichern ängsten büssen/ daß er
den ersten rührungen so lange kein gehör
gegeben/ und kommet desto längsamer zu
dem wahren frieden. Welcher aber nie/ so zu-
reden/ vieles zusammen kommen läst/ sondern
seine wunden täglich von dem eyter säu-
bert/ ob er wol seine bußschmertzen fühlet/
die einigerley massen die empfindung seines
friedens hindern wird gleichwol gemeinig-
lich wiederum soviel eher dazu kommen/ und
sich beftändiger darinnen erhalten.

§. 10.

Jndessen muß man auch der
traurigkeit in der täglichen buß nicht all-
zusehr und unmüssig nachhengen/ als wel-
che eine bereitung des hertzens seyn muß/ des
trostes und friedens recht fähig zuwerden/
nicht aber den genuß desselben zu hindern/
und uns in steter angst zubehalten. Daher
wo man die krafft der sünden und göttli-
chen zorns so viel in sich empfunden/ daß

da-
C

ſo betriegt ſich der menſch ſchaͤndlich/ faͤllet
entweder gar in eine ſolche fleiſchliche ſicher-
heit/ darinnen er allgemach erhartet/ und
haͤlt immer ſeine ſorgloſigkeit vor den rech-
ten frieden/ den er auch deßwegen nicht
ſtoͤhren laſſen will; oder wo nachmal die
traurigkeit uͤberhand nimmet/ muß er mit
deſto ſchrecklichern aͤngſten buͤſſen/ daß er
den erſten ruͤhrungen ſo lange kein gehoͤr
gegeben/ und kommet deſto laͤngſamer zu
dem wahren frieden. Welcher aber nie/ ſo zu-
reden/ vieles zuſammen kom̃en laͤſt/ ſondern
ſeine wunden taͤglich von dem eyter ſaͤu-
bert/ ob er wol ſeine bußſchmertzen fuͤhlet/
die einigerley maſſen die empfindung ſeines
friedens hindern wird gleichwol gemeinig-
lich wiederum ſoviel eher dazu kommen/ und
ſich beftaͤndiger darinnen erhalten.

§. 10.

Jndeſſen muß man auch der
traurigkeit in der taͤglichen buß nicht all-
zuſehr und unmuͤſſig nachhengen/ als wel-
che eine bereitung des hertzens ſeyn muß/ des
troſtes und friedens recht faͤhig zuwerden/
nicht aber den genuß deſſelben zu hindern/
und uns in ſteter angſt zubehalten. Daher
wo man die krafft der ſuͤnden und goͤttli-
chen zorns ſo viel in ſich empfunden/ daß

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[49/0061] ſo betriegt ſich der menſch ſchaͤndlich/ faͤllet entweder gar in eine ſolche fleiſchliche ſicher- heit/ darinnen er allgemach erhartet/ und haͤlt immer ſeine ſorgloſigkeit vor den rech- ten frieden/ den er auch deßwegen nicht ſtoͤhren laſſen will; oder wo nachmal die traurigkeit uͤberhand nimmet/ muß er mit deſto ſchrecklichern aͤngſten buͤſſen/ daß er den erſten ruͤhrungen ſo lange kein gehoͤr gegeben/ und kommet deſto laͤngſamer zu dem wahren frieden. Welcher aber nie/ ſo zu- reden/ vieles zuſammen kom̃en laͤſt/ ſondern ſeine wunden taͤglich von dem eyter ſaͤu- bert/ ob er wol ſeine bußſchmertzen fuͤhlet/ die einigerley maſſen die empfindung ſeines friedens hindern wird gleichwol gemeinig- lich wiederum ſoviel eher dazu kommen/ und ſich beftaͤndiger darinnen erhalten. §. 10. Jndeſſen muß man auch der traurigkeit in der taͤglichen buß nicht all- zuſehr und unmuͤſſig nachhengen/ als wel- che eine bereitung des hertzens ſeyn muß/ des troſtes und friedens recht faͤhig zuwerden/ nicht aber den genuß deſſelben zu hindern/ und uns in ſteter angſt zubehalten. Daher wo man die krafft der ſuͤnden und goͤttli- chen zorns ſo viel in ſich empfunden/ daß da- C

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/61>, abgerufen am 19.04.2024.