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Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686.

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sie das jenige plaget/ beyde was sie hat und
nicht hat. Wer die ehre suchet/ hat es nicht
besser: als der nimmer ehre genug empfän-
get/ sondern stets mehrere haben will/ und
wo nicht jederman den götzen anbeten will/
sich erbärmlich drüber hermet und grämet.
Jener Haman stunde in den höchsten eh-
ren in deß Ahasveri reich/ die er auch erkante
und rühmte/ aber dabey bekannte/ er habe
in allem kein genüge/ so lang er sehe den Ju-
den Mardachai an des königs thor sitzen/
weil sich derselbe vor ihm nicht bücken wolte.
Esth. 5/ 13. Also kan der allergeringste/ ja
ein eingebildeter/ affront oder schimpff/ der
einem solchen ehrgeitzigen begegnet/ seine seele
mehr verunruhigen/ als alle ehr die er ge-
niesset/ dieselbe befriedigen/ gleich wie auch
einem geldbegierigen zu seines gemüths plag
und unruhe mehr thut der verlust einer ge-
ringern summa/ als ihn das viele so er hat
ergötzet. Nicht weniger wer in den wol-
lüsten ersoffen ist/ hat gleichfals keine ruhe/
sondern kaum ist eine wollust vorbey/ so
hat er nach einer andern einen eben so gros-
sen hunger/ und kan davor nicht ruhen.
Deßwegen wo ein friede in unser hertz
kommen solle/ so muß jene selbs-liebe ver-

läug-

ſie das jenige plaget/ beyde was ſie hat und
nicht hat. Wer die ehre ſuchet/ hat es nicht
beſſer: als der nimmer ehre genug empfaͤn-
get/ ſondern ſtets mehrere haben will/ und
wo nicht jederman den goͤtzen anbeten will/
ſich erbaͤrmlich druͤber hermet und graͤmet.
Jener Haman ſtunde in den hoͤchſten eh-
ren in deß Ahaſveri reich/ die er auch erkante
und ruͤhmte/ aber dabey bekannte/ er habe
in allem kein genuͤge/ ſo lang er ſehe den Ju-
den Mardachai an des koͤnigs thor ſitzen/
weil ſich derſelbe vor ihm nicht buͤcken wolte.
Eſth. 5/ 13. Alſo kan der allergeringſte/ ja
ein eingebildeter/ affront oder ſchimpff/ der
einem ſolchen ehrgeitzigen begegnet/ ſeine ſeele
mehr verunruhigen/ als alle ehr die er ge-
nieſſet/ dieſelbe befriedigen/ gleich wie auch
einem geldbegierigen zu ſeines gemuͤths plag
und unruhe mehr thut der verluſt einer ge-
ringern ſumma/ als ihn das viele ſo er hat
ergoͤtzet. Nicht weniger wer in den wol-
luͤſten erſoffen iſt/ hat gleichfals keine ruhe/
ſondern kaum iſt eine wolluſt vorbey/ ſo
hat er nach einer andern einen eben ſo groſ-
ſen hunger/ und kan davor nicht ruhen.
Deßwegen wo ein friede in unſer hertz
kommen ſolle/ ſo muß jene ſelbs-liebe ver-

laͤug-
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[124/0136] ſie das jenige plaget/ beyde was ſie hat und nicht hat. Wer die ehre ſuchet/ hat es nicht beſſer: als der nimmer ehre genug empfaͤn- get/ ſondern ſtets mehrere haben will/ und wo nicht jederman den goͤtzen anbeten will/ ſich erbaͤrmlich druͤber hermet und graͤmet. Jener Haman ſtunde in den hoͤchſten eh- ren in deß Ahaſveri reich/ die er auch erkante und ruͤhmte/ aber dabey bekannte/ er habe in allem kein genuͤge/ ſo lang er ſehe den Ju- den Mardachai an des koͤnigs thor ſitzen/ weil ſich derſelbe vor ihm nicht buͤcken wolte. Eſth. 5/ 13. Alſo kan der allergeringſte/ ja ein eingebildeter/ affront oder ſchimpff/ der einem ſolchen ehrgeitzigen begegnet/ ſeine ſeele mehr verunruhigen/ als alle ehr die er ge- nieſſet/ dieſelbe befriedigen/ gleich wie auch einem geldbegierigen zu ſeines gemuͤths plag und unruhe mehr thut der verluſt einer ge- ringern ſumma/ als ihn das viele ſo er hat ergoͤtzet. Nicht weniger wer in den wol- luͤſten erſoffen iſt/ hat gleichfals keine ruhe/ ſondern kaum iſt eine wolluſt vorbey/ ſo hat er nach einer andern einen eben ſo groſ- ſen hunger/ und kan davor nicht ruhen. Deßwegen wo ein friede in unſer hertz kommen ſolle/ ſo muß jene ſelbs-liebe ver- laͤug-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Der innerliche und geistliche Friede. Frankfurt (Main), 1686, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_friede_1686/136>, abgerufen am 28.03.2024.