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Sperander [i. e. Gladov, Friedrich]: Sorgfältiger Negotiant und Wechßler. Leipzig, 1706.

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ches wann es umschlägt/ seinen eigenen Herrn stürtzen kan.

Seinen eigenen Vortheil durch andrer Schaden suchen ist
ungerecht und hat selten Bestand/ ia ist höchst gefährlich. Dann auf
andrer Untergang bauen ist ein böses fundament oder Grund/ und
stürtz der Bau offters über den Baumeister selbst.

Tugend aber belohnt sich selbst.

Wer sich von der Furcht und Entsetzen binden lässet/ der kan
schweren Dingen nicht wieder streben.

Der Anfang Fortlauff und Abnam der Kranckheit wird nicht
mit einerley medicin Currirt/ mit Veränderung der Zeiten mus
man auch das Werck verändern.

Geheimhaltung ist der Handlung Seele/ und ist eben dasjeni-
ge welches eigentlich alle Wiederwärtigkeit und Nachtheil verhütet/
dann was man nicht weiß/ deme kan man auch nicht nachstellen.

Tum muß der so handeln will nicht seyn/ dann zur Hand-
lung gehöret Lebhafftigkeit/ Tumheit aber ist ein lebendiger Tod der
Sinne/ so nicht zu bewegen stehet/ was ihme auch ergötzlich nützlich
erbar und rühmliches vorgestellet wird/ ein solcher ist wie ein ge-
schnitzt Bild.

Ein glücklicher Ignorant ist besser als ein unglücklicher omni-
scient.

Wer aber viel versucht hat/ der weiß auch viel/ undwer durch
anderer Leute Schaden klug werden kan/ ob er gleich nicht allzu klug
ist/ so ist er doch glücklicher.

Exempel des verlauffenen können in Vorfällen nachrichtlich die-
nen/ allein wo die Sache zweifelhafftig/ und die Umstände verän-
derlich/ muß man den Verstand zusammen fassen sich Gott und dem
Glücke vertrauen.

Wer die Gelegenheit nicht ergreiffen kan/ und das Glück
nicht anhalten/ der wird selten vor spot erlangen.

Man muß sich in kein Labyrint stecken/ daß man darunter er-
druckt werde/ den beym stürtzen pflegt der Schade grösser zu seyn/
weder der verhoffte Nutzen bey allzuviel unterfangen.

Chi troppo abbraccia poco stringe pfleget der Jtaliäner zusa-
gen/ das ist: wer allzu viel umarmet oder umfasset der kan nicht
harte zudrucken. Sich in alles stecken ist kein Rath bey.

Müßig-
R 3

ches wann es umſchlaͤgt/ ſeinen eigenen Herrn ſtuͤrtzen kan.

Seinen eigenen Vortheil durch andrer Schaden ſuchen iſt
ungerecht und hat ſelten Beſtand/ ia iſt hoͤchſt gefaͤhrlich. Dann auf
andrer Untergang bauen iſt ein boͤſes fundament oder Grund/ und
ſtuͤrtz der Bau offters uͤber den Baumeiſter ſelbſt.

Tugend aber belohnt ſich ſelbſt.

Wer ſich von der Furcht und Entſetzen binden laͤſſet/ der kan
ſchweren Dingen nicht wieder ſtreben.

Der Anfang Fortlauff und Abnam der Kranckheit wird nicht
mit einerley medicin Currirt/ mit Veraͤnderung der Zeiten mus
man auch das Werck veraͤndern.

Geheimhaltung iſt der Handlung Seele/ und iſt eben dasjeni-
ge welches eigentlich alle Wiederwaͤrtigkeit und Nachtheil verhuͤtet/
dann was man nicht weiß/ deme kan man auch nicht nachſtellen.

Tum muß der ſo handeln will nicht ſeyn/ dann zur Hand-
lung gehoͤret Lebhafftigkeit/ Tumheit aber iſt ein lebendiger Tod der
Sinne/ ſo nicht zu bewegen ſtehet/ was ihme auch ergoͤtzlich nuͤtzlich
erbar und ruͤhmliches vorgeſtellet wird/ ein ſolcher iſt wie ein ge-
ſchnitzt Bild.

Ein gluͤcklicher Ignorant iſt beſſer als ein ungluͤcklicher omni-
ſcient.

Wer aber viel verſucht hat/ der weiß auch viel/ undwer durch
anderer Leute Schaden klug werden kan/ ob er gleich nicht allzu klug
iſt/ ſo iſt er doch gluͤcklicher.

Exempel des verlauffenen koͤnnen in Vorfaͤllen nachrichtlich die-
nen/ allein wo die Sache zweifelhafftig/ und die Umſtaͤnde veraͤn-
derlich/ muß man den Verſtand zuſammen faſſen ſich Gott und dem
Gluͤcke vertrauen.

Wer die Gelegenheit nicht ergreiffen kan/ und das Gluͤck
nicht anhalten/ der wird ſelten vor ſpot erlangen.

Man muß ſich in kein Labyrint ſtecken/ daß man darunter er-
druckt werde/ den beym ſtuͤrtzen pflegt der Schade groͤſſer zu ſeyn/
weder der verhoffte Nutzen bey allzuviel unterfangen.

Chi troppo abbraccia poco ſtringe pfleget der Jtaliaͤner zuſa-
gen/ das iſt: wer allzu viel umarmet oder umfaſſet der kan nicht
harte zudrucken. Sich in alles ſtecken iſt kein Rath bey.

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R 3
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[133/0145] ches wann es umſchlaͤgt/ ſeinen eigenen Herrn ſtuͤrtzen kan. Seinen eigenen Vortheil durch andrer Schaden ſuchen iſt ungerecht und hat ſelten Beſtand/ ia iſt hoͤchſt gefaͤhrlich. Dann auf andrer Untergang bauen iſt ein boͤſes fundament oder Grund/ und ſtuͤrtz der Bau offters uͤber den Baumeiſter ſelbſt. Tugend aber belohnt ſich ſelbſt. Wer ſich von der Furcht und Entſetzen binden laͤſſet/ der kan ſchweren Dingen nicht wieder ſtreben. Der Anfang Fortlauff und Abnam der Kranckheit wird nicht mit einerley medicin Currirt/ mit Veraͤnderung der Zeiten mus man auch das Werck veraͤndern. Geheimhaltung iſt der Handlung Seele/ und iſt eben dasjeni- ge welches eigentlich alle Wiederwaͤrtigkeit und Nachtheil verhuͤtet/ dann was man nicht weiß/ deme kan man auch nicht nachſtellen. Tum muß der ſo handeln will nicht ſeyn/ dann zur Hand- lung gehoͤret Lebhafftigkeit/ Tumheit aber iſt ein lebendiger Tod der Sinne/ ſo nicht zu bewegen ſtehet/ was ihme auch ergoͤtzlich nuͤtzlich erbar und ruͤhmliches vorgeſtellet wird/ ein ſolcher iſt wie ein ge- ſchnitzt Bild. Ein gluͤcklicher Ignorant iſt beſſer als ein ungluͤcklicher omni- ſcient. Wer aber viel verſucht hat/ der weiß auch viel/ undwer durch anderer Leute Schaden klug werden kan/ ob er gleich nicht allzu klug iſt/ ſo iſt er doch gluͤcklicher. Exempel des verlauffenen koͤnnen in Vorfaͤllen nachrichtlich die- nen/ allein wo die Sache zweifelhafftig/ und die Umſtaͤnde veraͤn- derlich/ muß man den Verſtand zuſammen faſſen ſich Gott und dem Gluͤcke vertrauen. Wer die Gelegenheit nicht ergreiffen kan/ und das Gluͤck nicht anhalten/ der wird ſelten vor ſpot erlangen. Man muß ſich in kein Labyrint ſtecken/ daß man darunter er- druckt werde/ den beym ſtuͤrtzen pflegt der Schade groͤſſer zu ſeyn/ weder der verhoffte Nutzen bey allzuviel unterfangen. Chi troppo abbraccia poco ſtringe pfleget der Jtaliaͤner zuſa- gen/ das iſt: wer allzu viel umarmet oder umfaſſet der kan nicht harte zudrucken. Sich in alles ſtecken iſt kein Rath bey. Muͤßig- R 3

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Zitationshilfe: Sperander [i. e. Gladov, Friedrich]: Sorgfältiger Negotiant und Wechßler. Leipzig, 1706, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sperander_negotiant_1706/145>, abgerufen am 29.03.2024.