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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Hemerocallis. Berberis.

Hemerocallis fulua. Diese steht beynahe aufrecht.
Auch dadurch unterscheidet sie sich von der vorhergehenden, daß
sie keinen Geruch, hingegen ein Saftmaal hat. Denn die zin-
noberrothe Krone hat im Grunde einen gelben sechsstrahlichten
Stern. Damit derselbe sich desto besser ausnehme, so sind die
drey innersten breiteren Abschnitte der Krone in der Mitte von
gesättigterer Farbe. Daß die Blume von einem Insekt befruchtet
wird, erhellet daraus, daß die Filamente nicht, wie der Griffel,
grade gestreckt sind, sondern sich nach der oberen Seite der Krone
zu krümmen, und die Antheren ihre staubvolle Seite nicht dem
Stigma, sondern der oberen Seite der Krone zukehren. Diese
Einrichtung würde höchst zweckwidrig seyn, wenn die Befruch-
tung auf eine mechanische Art geschehen sollte. Da die Blume
ein Saftmaal hat, so ist sie eine Tagesblume. Welches die Er-
fahrung bestätigt. Denn bey schönem Wetter öffnet sie sich
des Morgens zwischen 5 und 6 Uhr, bey trüber Witterung
etwas später. Gegen Abend schließt sie sich wieder, und öffnet
sich am folgenden Morgen nicht von neuem. Bey einigen
Blumen bemerkte ich des Abends, daß auf ihr mit weißen Haa-
ren überzogenes Stigma kein Körnchen des gelben Staubes ge-
kommen war. Diese haben auch in der Folge keine Frucht ange-
setzt. Ich habe zwar Blasenfüße in den Blumen angetroffen;
diese aber können sie nicht befruchten, sondern es muß durch ein
großes Insekt geschehen.

In beiden Arten hat schon Gleditsch Saft gefunden,
S. 223.

Berberis.

Berberis vulgaris. Berberitzenstrauch. Titelk. Fig.
VIII. Die vergrösserte Blume von unten gesehen. Tab. VII.
8--10. 12. 18. 19. 24. 25.

8. Die Blume in natürlicher Stellung, nachdem der Kelch
und die Krone abgelöset worden.

12. Dieselbe, von unten gesehen. Ein Staubgefäß hat sich,
von einer Fliege berührt, an das Pistill angelegt.

9. Das Pistill.

10. Der unterste Theil des Pistills und eines Staubgefäßes,
welches sich an dasselbe angelegt hat.

18. Der unterste Theil eines Staubgefäßes, dessen Antheren
sich noch nicht geöffnet haben, in umgekehrter Stellung, von der
inneren Seite.

19. Derselbe, nachdem sich die Antheren geöffnet und herab-
gezogen haben.

24. Derselbe von der äußeren Seite.

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Berberis.

25. Ein Kronenblatt von der inneren Seite. An seiner
Basis die beiden (punktirten) Saftdrüsen.

1. 2. Ich habe anfangs geglaubt, daß nicht die zwölf Drü-
sen, von welchen auf jedem Kronenblatt Ein Paar sitzt, welches
Linne Nectarium nennt, den Saft absondern, sondern daß
die Basis des Fruchtknotens, welche in Fig. 9. punktirt ist, die
eigentliche Saftdrüse sey. Denn ich fand den Saft niemals zwi-
schen jenen Drüsen und den Filamenten, sondern zwischen den
Filamenten und dem Pistill; auch ist die Basis des Fruchtknotens
etwas dunkelgrüner, als der übrige Theil. Um mich hievon zu
überzeugen, nahm ich eine Blumentraube, welche einige noch
nicht völlig aufgebrochne Blumen hatte, lösete den Kelch, die
Krone und die Staubgefäße von diesen Blumen ab, und stellte
sie ins Wasser. Ich fand aber am folgenden Tage die Basis des
Fruchtknotens ganz trocken, sahe also ein, daß jene zwölf Drüsen
dennoch die Saftdrüsen sind, und daß sich folglich der von densel-
ben abgesonderte Saft wegen der stärkeren Anziehungskraft der
Filamente und des Pistills in den Winkel zwischen jenen und die-
sem begiebt.

3. Daß dieser Saft von keinem Regentropfen verdorben wer-
den könne, lehrt der Augenschein, indem die Blume herabhängt,
und eine kugelförmige Gestalt hat, und im Grunde derselben sich
der Saft befindet.

4. Die Blumentrauben fallen den Insekten schon von weitem
in die Augen. Weil die Blumen herabhangen, und nicht auf
einem hohen Baum, sondern auf einem niedrigen Strauch sich be-
finden, folglich den in der Luft umherfliegenden Insekten mehr der
obere, als der untere Theil derselben, in die Augen fällt: so
würde der Kelch, wenn er grün wäre, der Bemerkbarkeit der
Blumen hinderlich seyn. Daher ist er eben so gefärbt, als die
Krone, nemlich gelb. Die Saftdrüsen sind zugleich das Saft-
maal; denn sie sind gelber, als die Krone.

5. Daß die Staubgefäße reizbar sind, und, wenn sie berührt
werden, sich schnell an das Pistill anlegen, ist schon dem Linne
bekannt gewesen. Auch hat derselbe eingesehen, daß dieses auf
die Befruchtung sich beziehen müsse, daß folglich die Insekten,
welche dem Saft nachgehen, indem sie die Staubgefäße berühren,
die Blumen befruchten. Indessen würde es ihm doch schwer ge-
worden seyn, zu zeigen, wie die Staubgefäße, wann sie sich an
das Pistill anlegen, das Stigma bestäuben. Denn wenn man
Fig. 10. und 12. betrachtet, so sieht man, daß die Antheren sich
zwar an den Rand des Stigma, nicht aber an das Stigma selbst
legen. Diese Schwierigkeit verschwindet, sobald man weiß, daß
derjenige Theil, welchen Linne, und, nach seinem Beyspiel,
Gleditsch, Pollich, und noch neulich Batsch in seinen

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Hemerocallis. Berberis.

Hemerocallis fulua. Dieſe ſteht beynahe aufrecht.
Auch dadurch unterſcheidet ſie ſich von der vorhergehenden, daß
ſie keinen Geruch, hingegen ein Saftmaal hat. Denn die zin-
noberrothe Krone hat im Grunde einen gelben ſechsſtrahlichten
Stern. Damit derſelbe ſich deſto beſſer ausnehme, ſo ſind die
drey innerſten breiteren Abſchnitte der Krone in der Mitte von
geſaͤttigterer Farbe. Daß die Blume von einem Inſekt befruchtet
wird, erhellet daraus, daß die Filamente nicht, wie der Griffel,
grade geſtreckt ſind, ſondern ſich nach der oberen Seite der Krone
zu kruͤmmen, und die Antheren ihre ſtaubvolle Seite nicht dem
Stigma, ſondern der oberen Seite der Krone zukehren. Dieſe
Einrichtung wuͤrde hoͤchſt zweckwidrig ſeyn, wenn die Befruch-
tung auf eine mechaniſche Art geſchehen ſollte. Da die Blume
ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tagesblume. Welches die Er-
fahrung beſtaͤtigt. Denn bey ſchoͤnem Wetter oͤffnet ſie ſich
des Morgens zwiſchen 5 und 6 Uhr, bey truͤber Witterung
etwas ſpaͤter. Gegen Abend ſchließt ſie ſich wieder, und oͤffnet
ſich am folgenden Morgen nicht von neuem. Bey einigen
Blumen bemerkte ich des Abends, daß auf ihr mit weißen Haa-
ren uͤberzogenes Stigma kein Koͤrnchen des gelben Staubes ge-
kommen war. Dieſe haben auch in der Folge keine Frucht ange-
ſetzt. Ich habe zwar Blaſenfuͤße in den Blumen angetroffen;
dieſe aber koͤnnen ſie nicht befruchten, ſondern es muß durch ein
großes Inſekt geſchehen.

In beiden Arten hat ſchon Gleditſch Saft gefunden,
S. 223.

Berberis.

Berberis vulgaris. Berberitzenſtrauch. Titelk. Fig.
VIII. Die vergroͤſſerte Blume von unten geſehen. Tab. VII.
8—10. 12. 18. 19. 24. 25.

8. Die Blume in natuͤrlicher Stellung, nachdem der Kelch
und die Krone abgeloͤſet worden.

12. Dieſelbe, von unten geſehen. Ein Staubgefaͤß hat ſich,
von einer Fliege beruͤhrt, an das Piſtill angelegt.

9. Das Piſtill.

10. Der unterſte Theil des Piſtills und eines Staubgefaͤßes,
welches ſich an daſſelbe angelegt hat.

18. Der unterſte Theil eines Staubgefaͤßes, deſſen Antheren
ſich noch nicht geoͤffnet haben, in umgekehrter Stellung, von der
inneren Seite.

19. Derſelbe, nachdem ſich die Antheren geoͤffnet und herab-
gezogen haben.

24. Derſelbe von der aͤußeren Seite.

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Berberis.

25. Ein Kronenblatt von der inneren Seite. An ſeiner
Baſis die beiden (punktirten) Saftdruͤſen.

1. 2. Ich habe anfangs geglaubt, daß nicht die zwoͤlf Druͤ-
ſen, von welchen auf jedem Kronenblatt Ein Paar ſitzt, welches
Linné Nectarium nennt, den Saft abſondern, ſondern daß
die Baſis des Fruchtknotens, welche in Fig. 9. punktirt iſt, die
eigentliche Saftdruͤſe ſey. Denn ich fand den Saft niemals zwi-
ſchen jenen Druͤſen und den Filamenten, ſondern zwiſchen den
Filamenten und dem Piſtill; auch iſt die Baſis des Fruchtknotens
etwas dunkelgruͤner, als der uͤbrige Theil. Um mich hievon zu
uͤberzeugen, nahm ich eine Blumentraube, welche einige noch
nicht voͤllig aufgebrochne Blumen hatte, loͤſete den Kelch, die
Krone und die Staubgefaͤße von dieſen Blumen ab, und ſtellte
ſie ins Waſſer. Ich fand aber am folgenden Tage die Baſis des
Fruchtknotens ganz trocken, ſahe alſo ein, daß jene zwoͤlf Druͤſen
dennoch die Saftdruͤſen ſind, und daß ſich folglich der von denſel-
ben abgeſonderte Saft wegen der ſtaͤrkeren Anziehungskraft der
Filamente und des Piſtills in den Winkel zwiſchen jenen und die-
ſem begiebt.

3. Daß dieſer Saft von keinem Regentropfen verdorben wer-
den koͤnne, lehrt der Augenſchein, indem die Blume herabhaͤngt,
und eine kugelfoͤrmige Geſtalt hat, und im Grunde derſelben ſich
der Saft befindet.

4. Die Blumentrauben fallen den Inſekten ſchon von weitem
in die Augen. Weil die Blumen herabhangen, und nicht auf
einem hohen Baum, ſondern auf einem niedrigen Strauch ſich be-
finden, folglich den in der Luft umherfliegenden Inſekten mehr der
obere, als der untere Theil derſelben, in die Augen faͤllt: ſo
wuͤrde der Kelch, wenn er gruͤn waͤre, der Bemerkbarkeit der
Blumen hinderlich ſeyn. Daher iſt er eben ſo gefaͤrbt, als die
Krone, nemlich gelb. Die Saftdruͤſen ſind zugleich das Saft-
maal; denn ſie ſind gelber, als die Krone.

5. Daß die Staubgefaͤße reizbar ſind, und, wenn ſie beruͤhrt
werden, ſich ſchnell an das Piſtill anlegen, iſt ſchon dem Linné
bekannt geweſen. Auch hat derſelbe eingeſehen, daß dieſes auf
die Befruchtung ſich beziehen muͤſſe, daß folglich die Inſekten,
welche dem Saft nachgehen, indem ſie die Staubgefaͤße beruͤhren,
die Blumen befruchten. Indeſſen wuͤrde es ihm doch ſchwer ge-
worden ſeyn, zu zeigen, wie die Staubgefaͤße, wann ſie ſich an
das Piſtill anlegen, das Stigma beſtaͤuben. Denn wenn man
Fig. 10. und 12. betrachtet, ſo ſieht man, daß die Antheren ſich
zwar an den Rand des Stigma, nicht aber an das Stigma ſelbſt
legen. Dieſe Schwierigkeit verſchwindet, ſobald man weiß, daß
derjenige Theil, welchen Linné, und, nach ſeinem Beyſpiel,
Gleditſch, Pollich, und noch neulich Batſch in ſeinen

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[[114]/0114] Hemerocallis. Berberis. Berberis. Hemerocallis fulua. Dieſe ſteht beynahe aufrecht. Auch dadurch unterſcheidet ſie ſich von der vorhergehenden, daß ſie keinen Geruch, hingegen ein Saftmaal hat. Denn die zin- noberrothe Krone hat im Grunde einen gelben ſechsſtrahlichten Stern. Damit derſelbe ſich deſto beſſer ausnehme, ſo ſind die drey innerſten breiteren Abſchnitte der Krone in der Mitte von geſaͤttigterer Farbe. Daß die Blume von einem Inſekt befruchtet wird, erhellet daraus, daß die Filamente nicht, wie der Griffel, grade geſtreckt ſind, ſondern ſich nach der oberen Seite der Krone zu kruͤmmen, und die Antheren ihre ſtaubvolle Seite nicht dem Stigma, ſondern der oberen Seite der Krone zukehren. Dieſe Einrichtung wuͤrde hoͤchſt zweckwidrig ſeyn, wenn die Befruch- tung auf eine mechaniſche Art geſchehen ſollte. Da die Blume ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tagesblume. Welches die Er- fahrung beſtaͤtigt. Denn bey ſchoͤnem Wetter oͤffnet ſie ſich des Morgens zwiſchen 5 und 6 Uhr, bey truͤber Witterung etwas ſpaͤter. Gegen Abend ſchließt ſie ſich wieder, und oͤffnet ſich am folgenden Morgen nicht von neuem. Bey einigen Blumen bemerkte ich des Abends, daß auf ihr mit weißen Haa- ren uͤberzogenes Stigma kein Koͤrnchen des gelben Staubes ge- kommen war. Dieſe haben auch in der Folge keine Frucht ange- ſetzt. Ich habe zwar Blaſenfuͤße in den Blumen angetroffen; dieſe aber koͤnnen ſie nicht befruchten, ſondern es muß durch ein großes Inſekt geſchehen. In beiden Arten hat ſchon Gleditſch Saft gefunden, S. 223. Berberis. Berberis vulgaris. Berberitzenſtrauch. Titelk. Fig. VIII. Die vergroͤſſerte Blume von unten geſehen. Tab. VII. 8—10. 12. 18. 19. 24. 25. 8. Die Blume in natuͤrlicher Stellung, nachdem der Kelch und die Krone abgeloͤſet worden. 12. Dieſelbe, von unten geſehen. Ein Staubgefaͤß hat ſich, von einer Fliege beruͤhrt, an das Piſtill angelegt. 9. Das Piſtill. 10. Der unterſte Theil des Piſtills und eines Staubgefaͤßes, welches ſich an daſſelbe angelegt hat. 18. Der unterſte Theil eines Staubgefaͤßes, deſſen Antheren ſich noch nicht geoͤffnet haben, in umgekehrter Stellung, von der inneren Seite. 19. Derſelbe, nachdem ſich die Antheren geoͤffnet und herab- gezogen haben. 24. Derſelbe von der aͤußeren Seite. 25. Ein Kronenblatt von der inneren Seite. An ſeiner Baſis die beiden (punktirten) Saftdruͤſen. 1. 2. Ich habe anfangs geglaubt, daß nicht die zwoͤlf Druͤ- ſen, von welchen auf jedem Kronenblatt Ein Paar ſitzt, welches Linné Nectarium nennt, den Saft abſondern, ſondern daß die Baſis des Fruchtknotens, welche in Fig. 9. punktirt iſt, die eigentliche Saftdruͤſe ſey. Denn ich fand den Saft niemals zwi- ſchen jenen Druͤſen und den Filamenten, ſondern zwiſchen den Filamenten und dem Piſtill; auch iſt die Baſis des Fruchtknotens etwas dunkelgruͤner, als der uͤbrige Theil. Um mich hievon zu uͤberzeugen, nahm ich eine Blumentraube, welche einige noch nicht voͤllig aufgebrochne Blumen hatte, loͤſete den Kelch, die Krone und die Staubgefaͤße von dieſen Blumen ab, und ſtellte ſie ins Waſſer. Ich fand aber am folgenden Tage die Baſis des Fruchtknotens ganz trocken, ſahe alſo ein, daß jene zwoͤlf Druͤſen dennoch die Saftdruͤſen ſind, und daß ſich folglich der von denſel- ben abgeſonderte Saft wegen der ſtaͤrkeren Anziehungskraft der Filamente und des Piſtills in den Winkel zwiſchen jenen und die- ſem begiebt. 3. Daß dieſer Saft von keinem Regentropfen verdorben wer- den koͤnne, lehrt der Augenſchein, indem die Blume herabhaͤngt, und eine kugelfoͤrmige Geſtalt hat, und im Grunde derſelben ſich der Saft befindet. 4. Die Blumentrauben fallen den Inſekten ſchon von weitem in die Augen. Weil die Blumen herabhangen, und nicht auf einem hohen Baum, ſondern auf einem niedrigen Strauch ſich be- finden, folglich den in der Luft umherfliegenden Inſekten mehr der obere, als der untere Theil derſelben, in die Augen faͤllt: ſo wuͤrde der Kelch, wenn er gruͤn waͤre, der Bemerkbarkeit der Blumen hinderlich ſeyn. Daher iſt er eben ſo gefaͤrbt, als die Krone, nemlich gelb. Die Saftdruͤſen ſind zugleich das Saft- maal; denn ſie ſind gelber, als die Krone. 5. Daß die Staubgefaͤße reizbar ſind, und, wenn ſie beruͤhrt werden, ſich ſchnell an das Piſtill anlegen, iſt ſchon dem Linné bekannt geweſen. Auch hat derſelbe eingeſehen, daß dieſes auf die Befruchtung ſich beziehen muͤſſe, daß folglich die Inſekten, welche dem Saft nachgehen, indem ſie die Staubgefaͤße beruͤhren, die Blumen befruchten. Indeſſen wuͤrde es ihm doch ſchwer ge- worden ſeyn, zu zeigen, wie die Staubgefaͤße, wann ſie ſich an das Piſtill anlegen, das Stigma beſtaͤuben. Denn wenn man Fig. 10. und 12. betrachtet, ſo ſieht man, daß die Antheren ſich zwar an den Rand des Stigma, nicht aber an das Stigma ſelbſt legen. Dieſe Schwierigkeit verſchwindet, ſobald man weiß, daß derjenige Theil, welchen Linné, und, nach ſeinem Beyſpiel, Gleditſch, Pollich, und noch neulich Batſch in ſeinen

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [114]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/114>, abgerufen am 24.04.2024.