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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Prasium. Rhinanthus.
Prasium.

Prasium maius.

1. 2. 3. In Ansehung der Saftdrüse, des Safthalters und
der Saftdecke hat diese Blume die gewöhnliche Einrichtung.

4. Die Krone ist blaßgelb. Die Unterlippe ist mit purpur-
farbenen Punkten und Linien, und die Oberlippe auf beiden Sei-
ten mit breiten purpurfarbenen Linien geziert.

Rhinanthus.

Rhinanthus crista galli. Hahnenkamm. Tab.
XVI. 47. 50. 51. 54. 56. 59. 60. Tab. XXIII.
17--20. 39.

Tab. XVI. 51. Der vergrösserte oberste Theil der Blume,
von der Seite gesehen.

56. Derselbe, von vorne gesehen.

50. Die Krone im Durchschnitt.

59. Eine Anthere von innen, 60. von außen.

47. Der Fruchtknoten nebst der Saftdrüse a und der nach
dem Abfallen der Krone zurückgebliebenen Basis ihrer Röhre c,
von der Seite gesehen. b das Safttröpfchen.

54. Derselbe, von vorne gesehen.

Tab. XXIII. 18. Der Kelch, wann die Samenkapsel reif
ist, in natürlicher Stellung und Grösse.

17. Derselbe, vergrössert, wenn sich das Auge in der Linie
a b Fig. 18. befindet.

19. Die aufgeplatzte Samenkapsel.

20. Gestalt des Kelchs, wann die Blume noch blühet, aus
eben demselben Gesichtspunkt gesehen, als Fig. 17.

39. Die Blume wird von einer Biene besucht.

1. Die Saftdrüse ist der fleischichte Körper, welcher vorne
an der Basis des Fruchtknotens befindlich ist. Durch die Farbe
unterscheidet sie sich nicht sonderlich von dem Fruchtknoten.

2. Der Safthalter ist der unterste an den Kelch angewachsene
Theil der Kronenröhre. Wann die Krone verblühet ist, so löset
sie sich von diesem Theil ab, und fällt aus dem Kelch heraus.
Pollich hat denselben für die Saftdrüse gehalten, und die eigent-
liche Saftdrüse übersehen.

3. Der Saft ist vor dem Regen vollkommen verwahrt. Denn
die Unterlippe der Krone schließt dicht an die Oberlippe. Die
Oberlippe hat eine kleine Oeffnung. Auch durch diese kann kein
Regentropfen zum Saft dringen, weil hinter derselben sich die
haarichten Antheren befinden.

4. Die Krone ist gelb. Die Oberlippe aber ist vorne, wo
die kleine Oeffnung ist, blau, und der aus der Krone hervorra-
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Rhinanthus.
gende Theil des Griffels ist auch blau. Diese besondere Farbe
wird in Fig. 50. 51. 56. durch Punkte angedeutet.

5. Die Blume wird von Bienen und Hummeln häufig be-
sucht. Durch ihre eigene Schwere drücken sie die Unterlippe
herab, verschaffen sich dadurch einen bequemen Eingang, und
kriechen hinein. Es ist also wahrscheinlich, daß sie mit dem
Rücken den Staub der Antheren abstreifen, und denselben her-
nach auf das Stigma bringen, folglich die Blume befruchten.

Es ist merkwürdig, daß das Saftmaal nicht, wie gewöhn-
lich, auf der Unterlippe der Krone, sondern auf der Oberlippe
angebracht ist. Ehe ich die Bienen in die Blume hineinkriechen
gesehen hatte, glaubte ich aus diesem Umstande schließen zu müs-
sen, daß die kleine Oeffnung der Oberlippe zwischen diesem Saft-
maal der von der Natur bestimmte Eingang für kleinere Insekten
sey. Auch sahe ich wirklich einmal ein kleines Insekt durch diese
Oeffnung in die Blume hineinkriechen. Ich glaubte also, daß
die Befruchtung durch ein solches Insekt auf folgende Art geschehe.
Nachdem dasselbe durch die kleine Oeffnung hineingekrochen ist,
so findet es die Antheren im Wege. Indem es sich durch diesel-
ben hindurch arbeitet, so streift es einen Theil des Staubes von
denselben ab. Nachdem es in den Grund der Kronenröhre hinab-
gekrochen ist, und den Saft verzehrt hat, kriecht es wieder her-
auf, und durch jene Oeffnung wieder heraus, da es denn vorher
noch einmal die Antheren berühren muß. Wann es nun hierauf
in eine andere Blume hineinkriecht, so berührt es das unmittel-
bar über jener Oeffnung befindliche Stigma, und bestäubt das-
selbe.

Daß die Befruchtung schlechterdings nicht auf eine mechani-
sche Art geschehen könne, lehrt der Augenschein. Denn der An-
therenstaub kann eben so wenig von selbst auf das Stigma fallen,
als vom Winde auf dasselbe gebracht werden.

Unten in der Kronenröhre findet man zuweilen Löcher, welche
von einem Insekt, vermuthlich einer großen Hummel, für
welche der natürliche Eingang zu eng ist, hineingebissen worden
sind.

Daß die Pflanze sich so ungemein vermehrt, und nicht etwa
auf einzelnen Stellen häufig steht, sondern auf ganzen Wiesen
und Ackerfeldern in gleichem Ueberfluß angetroffen wird, läßt sich
aus der Gestalt des Kelchs leicht erklären, welche derselbe hat,
wann der Samen, welchem er zum äußeren Behältniß dient,
reif ist. Solange die Blume blühet, ist derselbe so gestaltet, wie
Fig. 20. zeigt. Die vier Stücke nemlich, in welche er sich ober-
wärts zertheilt, öffnen sich auf gleiche Art Wann aber der Sa-
men reif ist, haben sich diese Stücke zusammenbegeben, jedoch
so, daß zwischen den beiden obersten eine weite Oeffnung ist.

U 3
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Praſium. Rhinanthus.
Praſium.

Praſium maius.

1. 2. 3. In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und
der Saftdecke hat dieſe Blume die gewoͤhnliche Einrichtung.

4. Die Krone iſt blaßgelb. Die Unterlippe iſt mit purpur-
farbenen Punkten und Linien, und die Oberlippe auf beiden Sei-
ten mit breiten purpurfarbenen Linien geziert.

Rhinanthus.

Rhinanthus criſta galli. Hahnenkamm. Tab.
XVI. 47. 50. 51. 54. 56. 59. 60. Tab. XXIII.
17—20. 39.

Tab. XVI. 51. Der vergroͤſſerte oberſte Theil der Blume,
von der Seite geſehen.

56. Derſelbe, von vorne geſehen.

50. Die Krone im Durchſchnitt.

59. Eine Anthere von innen, 60. von außen.

47. Der Fruchtknoten nebſt der Saftdruͤſe a und der nach
dem Abfallen der Krone zuruͤckgebliebenen Baſis ihrer Roͤhre c,
von der Seite geſehen. b das Safttroͤpfchen.

54. Derſelbe, von vorne geſehen.

Tab. XXIII. 18. Der Kelch, wann die Samenkapſel reif
iſt, in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.

17. Derſelbe, vergroͤſſert, wenn ſich das Auge in der Linie
a b Fig. 18. befindet.

19. Die aufgeplatzte Samenkapſel.

20. Geſtalt des Kelchs, wann die Blume noch bluͤhet, aus
eben demſelben Geſichtspunkt geſehen, als Fig. 17.

39. Die Blume wird von einer Biene beſucht.

1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte Koͤrper, welcher vorne
an der Baſis des Fruchtknotens befindlich iſt. Durch die Farbe
unterſcheidet ſie ſich nicht ſonderlich von dem Fruchtknoten.

2. Der Safthalter iſt der unterſte an den Kelch angewachſene
Theil der Kronenroͤhre. Wann die Krone verbluͤhet iſt, ſo loͤſet
ſie ſich von dieſem Theil ab, und faͤllt aus dem Kelch heraus.
Pollich hat denſelben fuͤr die Saftdruͤſe gehalten, und die eigent-
liche Saftdruͤſe uͤberſehen.

3. Der Saft iſt vor dem Regen vollkommen verwahrt. Denn
die Unterlippe der Krone ſchließt dicht an die Oberlippe. Die
Oberlippe hat eine kleine Oeffnung. Auch durch dieſe kann kein
Regentropfen zum Saft dringen, weil hinter derſelben ſich die
haarichten Antheren befinden.

4. Die Krone iſt gelb. Die Oberlippe aber iſt vorne, wo
die kleine Oeffnung iſt, blau, und der aus der Krone hervorra-
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Rhinanthus.
gende Theil des Griffels iſt auch blau. Dieſe beſondere Farbe
wird in Fig. 50. 51. 56. durch Punkte angedeutet.

5. Die Blume wird von Bienen und Hummeln haͤufig be-
ſucht. Durch ihre eigene Schwere druͤcken ſie die Unterlippe
herab, verſchaffen ſich dadurch einen bequemen Eingang, und
kriechen hinein. Es iſt alſo wahrſcheinlich, daß ſie mit dem
Ruͤcken den Staub der Antheren abſtreifen, und denſelben her-
nach auf das Stigma bringen, folglich die Blume befruchten.

Es iſt merkwuͤrdig, daß das Saftmaal nicht, wie gewoͤhn-
lich, auf der Unterlippe der Krone, ſondern auf der Oberlippe
angebracht iſt. Ehe ich die Bienen in die Blume hineinkriechen
geſehen hatte, glaubte ich aus dieſem Umſtande ſchließen zu muͤſ-
ſen, daß die kleine Oeffnung der Oberlippe zwiſchen dieſem Saft-
maal der von der Natur beſtimmte Eingang fuͤr kleinere Inſekten
ſey. Auch ſahe ich wirklich einmal ein kleines Inſekt durch dieſe
Oeffnung in die Blume hineinkriechen. Ich glaubte alſo, daß
die Befruchtung durch ein ſolches Inſekt auf folgende Art geſchehe.
Nachdem daſſelbe durch die kleine Oeffnung hineingekrochen iſt,
ſo findet es die Antheren im Wege. Indem es ſich durch dieſel-
ben hindurch arbeitet, ſo ſtreift es einen Theil des Staubes von
denſelben ab. Nachdem es in den Grund der Kronenroͤhre hinab-
gekrochen iſt, und den Saft verzehrt hat, kriecht es wieder her-
auf, und durch jene Oeffnung wieder heraus, da es denn vorher
noch einmal die Antheren beruͤhren muß. Wann es nun hierauf
in eine andere Blume hineinkriecht, ſo beruͤhrt es das unmittel-
bar uͤber jener Oeffnung befindliche Stigma, und beſtaͤubt daſ-
ſelbe.

Daß die Befruchtung ſchlechterdings nicht auf eine mechani-
ſche Art geſchehen koͤnne, lehrt der Augenſchein. Denn der An-
therenſtaub kann eben ſo wenig von ſelbſt auf das Stigma fallen,
als vom Winde auf daſſelbe gebracht werden.

Unten in der Kronenroͤhre findet man zuweilen Loͤcher, welche
von einem Inſekt, vermuthlich einer großen Hummel, fuͤr
welche der natuͤrliche Eingang zu eng iſt, hineingebiſſen worden
ſind.

Daß die Pflanze ſich ſo ungemein vermehrt, und nicht etwa
auf einzelnen Stellen haͤufig ſteht, ſondern auf ganzen Wieſen
und Ackerfeldern in gleichem Ueberfluß angetroffen wird, laͤßt ſich
aus der Geſtalt des Kelchs leicht erklaͤren, welche derſelbe hat,
wann der Samen, welchem er zum aͤußeren Behaͤltniß dient,
reif iſt. Solange die Blume bluͤhet, iſt derſelbe ſo geſtaltet, wie
Fig. 20. zeigt. Die vier Stuͤcke nemlich, in welche er ſich ober-
waͤrts zertheilt, oͤffnen ſich auf gleiche Art Wann aber der Sa-
men reif iſt, haben ſich dieſe Stuͤcke zuſammenbegeben, jedoch
ſo, daß zwiſchen den beiden oberſten eine weite Oeffnung iſt.

U 3
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[[169]/0169] Praſium. Rhinanthus. Rhinanthus. Praſium. Praſium maius. 1. 2. 3. In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und der Saftdecke hat dieſe Blume die gewoͤhnliche Einrichtung. 4. Die Krone iſt blaßgelb. Die Unterlippe iſt mit purpur- farbenen Punkten und Linien, und die Oberlippe auf beiden Sei- ten mit breiten purpurfarbenen Linien geziert. Rhinanthus. Rhinanthus criſta galli. Hahnenkamm. Tab. XVI. 47. 50. 51. 54. 56. 59. 60. Tab. XXIII. 17—20. 39. Tab. XVI. 51. Der vergroͤſſerte oberſte Theil der Blume, von der Seite geſehen. 56. Derſelbe, von vorne geſehen. 50. Die Krone im Durchſchnitt. 59. Eine Anthere von innen, 60. von außen. 47. Der Fruchtknoten nebſt der Saftdruͤſe a und der nach dem Abfallen der Krone zuruͤckgebliebenen Baſis ihrer Roͤhre c, von der Seite geſehen. b das Safttroͤpfchen. 54. Derſelbe, von vorne geſehen. Tab. XXIII. 18. Der Kelch, wann die Samenkapſel reif iſt, in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe. 17. Derſelbe, vergroͤſſert, wenn ſich das Auge in der Linie a b Fig. 18. befindet. 19. Die aufgeplatzte Samenkapſel. 20. Geſtalt des Kelchs, wann die Blume noch bluͤhet, aus eben demſelben Geſichtspunkt geſehen, als Fig. 17. 39. Die Blume wird von einer Biene beſucht. 1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte Koͤrper, welcher vorne an der Baſis des Fruchtknotens befindlich iſt. Durch die Farbe unterſcheidet ſie ſich nicht ſonderlich von dem Fruchtknoten. 2. Der Safthalter iſt der unterſte an den Kelch angewachſene Theil der Kronenroͤhre. Wann die Krone verbluͤhet iſt, ſo loͤſet ſie ſich von dieſem Theil ab, und faͤllt aus dem Kelch heraus. Pollich hat denſelben fuͤr die Saftdruͤſe gehalten, und die eigent- liche Saftdruͤſe uͤberſehen. 3. Der Saft iſt vor dem Regen vollkommen verwahrt. Denn die Unterlippe der Krone ſchließt dicht an die Oberlippe. Die Oberlippe hat eine kleine Oeffnung. Auch durch dieſe kann kein Regentropfen zum Saft dringen, weil hinter derſelben ſich die haarichten Antheren befinden. 4. Die Krone iſt gelb. Die Oberlippe aber iſt vorne, wo die kleine Oeffnung iſt, blau, und der aus der Krone hervorra- gende Theil des Griffels iſt auch blau. Dieſe beſondere Farbe wird in Fig. 50. 51. 56. durch Punkte angedeutet. 5. Die Blume wird von Bienen und Hummeln haͤufig be- ſucht. Durch ihre eigene Schwere druͤcken ſie die Unterlippe herab, verſchaffen ſich dadurch einen bequemen Eingang, und kriechen hinein. Es iſt alſo wahrſcheinlich, daß ſie mit dem Ruͤcken den Staub der Antheren abſtreifen, und denſelben her- nach auf das Stigma bringen, folglich die Blume befruchten. Es iſt merkwuͤrdig, daß das Saftmaal nicht, wie gewoͤhn- lich, auf der Unterlippe der Krone, ſondern auf der Oberlippe angebracht iſt. Ehe ich die Bienen in die Blume hineinkriechen geſehen hatte, glaubte ich aus dieſem Umſtande ſchließen zu muͤſ- ſen, daß die kleine Oeffnung der Oberlippe zwiſchen dieſem Saft- maal der von der Natur beſtimmte Eingang fuͤr kleinere Inſekten ſey. Auch ſahe ich wirklich einmal ein kleines Inſekt durch dieſe Oeffnung in die Blume hineinkriechen. Ich glaubte alſo, daß die Befruchtung durch ein ſolches Inſekt auf folgende Art geſchehe. Nachdem daſſelbe durch die kleine Oeffnung hineingekrochen iſt, ſo findet es die Antheren im Wege. Indem es ſich durch dieſel- ben hindurch arbeitet, ſo ſtreift es einen Theil des Staubes von denſelben ab. Nachdem es in den Grund der Kronenroͤhre hinab- gekrochen iſt, und den Saft verzehrt hat, kriecht es wieder her- auf, und durch jene Oeffnung wieder heraus, da es denn vorher noch einmal die Antheren beruͤhren muß. Wann es nun hierauf in eine andere Blume hineinkriecht, ſo beruͤhrt es das unmittel- bar uͤber jener Oeffnung befindliche Stigma, und beſtaͤubt daſ- ſelbe. Daß die Befruchtung ſchlechterdings nicht auf eine mechani- ſche Art geſchehen koͤnne, lehrt der Augenſchein. Denn der An- therenſtaub kann eben ſo wenig von ſelbſt auf das Stigma fallen, als vom Winde auf daſſelbe gebracht werden. Unten in der Kronenroͤhre findet man zuweilen Loͤcher, welche von einem Inſekt, vermuthlich einer großen Hummel, fuͤr welche der natuͤrliche Eingang zu eng iſt, hineingebiſſen worden ſind. Daß die Pflanze ſich ſo ungemein vermehrt, und nicht etwa auf einzelnen Stellen haͤufig ſteht, ſondern auf ganzen Wieſen und Ackerfeldern in gleichem Ueberfluß angetroffen wird, laͤßt ſich aus der Geſtalt des Kelchs leicht erklaͤren, welche derſelbe hat, wann der Samen, welchem er zum aͤußeren Behaͤltniß dient, reif iſt. Solange die Blume bluͤhet, iſt derſelbe ſo geſtaltet, wie Fig. 20. zeigt. Die vier Stuͤcke nemlich, in welche er ſich ober- waͤrts zertheilt, oͤffnen ſich auf gleiche Art Wann aber der Sa- men reif iſt, haben ſich dieſe Stuͤcke zuſammenbegeben, jedoch ſo, daß zwiſchen den beiden oberſten eine weite Oeffnung iſt. U 3

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/169>, abgerufen am 18.04.2024.