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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Einleitung.
tropfen fallen auf die äußere Seite jener, hingegen auf die innere
Seite dieser. Jene muß folglich der Krone der grade herab-
hangenden, diese der Krone der grade aufrecht stehenden
Blumen ähnlich seyn. Jene ist also gewölbt, unzertheilt,
hat inwendig keine Haare; diese ist flach, oftmals zertheilt, und
vor der Oeffnung der Röhre haaricht. Diese Blumen sind ent-
weder beständig geschlossen, als die Maskenblumen, oder ihr Saft
ist auf eine andere Art vor dem Regen vollkommen verwahrt,
daß sie also nicht nöthig haben, sich bey Regenwetter zu schließen.

4. Veranstaltung, daß die Insekten den Saft der
Saftblumen leicht finden können. Krone.
Geruch. Saftmaal.

Daß die meisten Blumen Saft absondern, und daß die-
ser Saft gegen den Regen gesichert ist, würde den Insekten nichts
helfen, wenn nicht zugleich dafür gesorgt wäre, daß sie dieses ih-
nen bestimmte Nahrungsmittel leicht finden können. Die Natur,
welche nichts halb thut, hat auch in diesem Punkt die zweck-
mäßigsten Anstalten getroffen. Erstlich hat sie dafür gesorgt, daß
die Insekten die Blumen schon von weitem gewahr werden, ent-
weder durch das Gesicht, oder durch den Geruch, oder durch
beyde Sinnen zugleich. Alle Saftblumen sind deswegen mit ei-
ner Krone geziert, und sehr viele duften einen Geruch aus, wel-
cher den Menschen mehrentheils angenehm, oft unangenehm,
zuweilen unausstehlich, denjenigen Insekten aber, für welche ihr
Saft bestimmt ist, jederzeit angenehm ist. Die Krone ist (sehr
wenige Arten ausgenommen) gefärbt, d. i. anders gefärbt, als
grün, damit sie gegen die grüne Farbe der Pflanzen stark abste-
che. Zuweilen ist auch der Kelch gefärbt, und zwar, wenn eine
vollständige Krone da ist, anders als diese, oder, wenn er mit
derselben Ein Ganzes ausmacht, auf der inneren Seite eben so,
als die Krone. Fehlt aber die Krone, so vertritt er ihre Stelle.
Bey vielen Arten sind auch die Blumenblättir (bracteae) zu eben
diesem Endzweck gefärbt, jedoch mehrentheils anders, als die Krone.

Wenn nun ein Insekt, durch die Schönheit der Krone, oder
durch den angenehmen Geruch einer Blume gelockt, sich auf die-
selbe begeben hat: so wird es entweder den Saft sogleich gewahr,
oder nicht, weil dieser sich an einem verborgenen Ort befindet.
Im letztern Fall kömmt ihm die Natur durch das Saftmaal zu
Hülfe. Dieses besteht aus Einem oder mehrern Flecken, Linien,
Düpfeln oder Figuren von einer andern Farbe, als die Krone
überhaupt hat, und sticht folglich gegen die Farbe der Krone schwä[-]
cher oder stärker ab. Es befindet sich jederzeit da, wo die Insek[-]
ten hineinkriechen müssen, wenn sie zum Saft gelangen wollen.
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Einleitung.
Reguläre Blumen haben ein reguläres, irreguläre ein irreguläres
Saftmaal. Wenn der Safthalter von der Oeffnung, durch wel-
che die Insekten hineinkriechen, entfernt ist, so zieht sich das
Saftmaal, weiches vor der Oeffnung anfängt, durch dieselbe hin-
durch bis zum Safthalter, dienet also den Insekten zu einem
sichern Wegweiser. Hat eine Blume mehrere Eingänge zum Saft-
halter, so hat sie auch eben so viel Saftmäler. Wenn eine Blume
mehrere Safthalter hat, welche ringsherum um den Fruchtknoten
stehen, oder zwar nur Einen, welcher aber in der Gestalt eines
Ringes den Fruchtknoten umgiebt, und dessen Saft das Insekt
nicht anders verzehren kann, als wenn es im Kreise um denselben
herum läuft, und seinen Saugerüssel öfters hineinsteckt: so hat
das Saftmaal eine ringförmige Gestalt, und führt das Insekt
im Kreise herum.

Bey Gelegenheit des Saftmaals muß ich von der Verschieden-
heit der Saftblumen reden, welche auf der Tageszeit, in welcher
sie blühen, beruht. So wie es Insekten giebt, die bloß bey Tage
umherschwärmen, und solche, die bloß des Nachts ihrer Nah[-]
rung nachgehen, eben so giebt es auch Tagesblumen und Nacht[-]
blumen.

Die Tagesblumen brechen des Morgens auf. Viele von den[-]
selben schließen sich des Abends, oder senken sich, da sie am Tage
aufrecht standen, oder es geht eine andere Veränderung mit ihnen
vor, woraus man schließen kann, daß sie nur für Tagesinsekten
bestimmt sind. Manche schließen sich am ersten Abend, und öff[-]
nen sich am folgenden Morgen nicht wieder, blühen also nur Ei[-]
nen Tag; die mehresten blühen mehrere Tage.

Die Tagesblumen sind mit einem Saftmaal geziert, obgleich
nicht alle.

Die Nachtblumen brechen des Abends auf. Bey Tage sind
die mehresten von denselben geschlossen, oder welk und unansehn[-]
lich, woraus erhellet, daß sie für Tagesinsekten nicht bestimm[t]
sind. Manche blühen mehrere Nächte; die gemeine Nachtker[ze]
(Oenothera biennis) blühet zwey Nächte.

Die Nachtblumen haben eine große und hellgefärbte Kron[e]
damit sie in der Dunkelheit der Nacht den Insekten in die Auge[n]
fallen. Ist ihre Krone unansehnlich, so wird dieser Mangel dur[ch]
einen starken Geruch ersetzt. Ein Saftmaal hingegen findet b[ey]
ihnen nicht Statt. Denn hätte z. B. die weiße Krone ein[er]
Nachtblume ein Saftmaal von einer andern, aber auch hell[en]
Farbe, so würde dasselbe in der Dunkelheit der Nacht gegen d[ie]
Farbe der Krone nicht abstechen, folglich ohne Nutzen seyn. Hät[te]
sie aber ein dunkelgefärbtes Saftmaal, so würde dies nicht [in]
die Augen fallen, folglich eben so unnütz seyn, als jenes.

5. B[e]

[Spaltenumbruch]

Einleitung.
tropfen fallen auf die aͤußere Seite jener, hingegen auf die innere
Seite dieſer. Jene muß folglich der Krone der grade herab-
hangenden, dieſe der Krone der grade aufrecht ſtehenden
Blumen aͤhnlich ſeyn. Jene iſt alſo gewoͤlbt, unzertheilt,
hat inwendig keine Haare; dieſe iſt flach, oftmals zertheilt, und
vor der Oeffnung der Roͤhre haaricht. Dieſe Blumen ſind ent-
weder beſtaͤndig geſchloſſen, als die Maskenblumen, oder ihr Saft
iſt auf eine andere Art vor dem Regen vollkommen verwahrt,
daß ſie alſo nicht noͤthig haben, ſich bey Regenwetter zu ſchließen.

4. Veranſtaltung, daß die Inſekten den Saft der
Saftblumen leicht finden koͤnnen. Krone.
Geruch. Saftmaal.

Daß die meiſten Blumen Saft abſondern, und daß die-
ſer Saft gegen den Regen geſichert iſt, wuͤrde den Inſekten nichts
helfen, wenn nicht zugleich dafuͤr geſorgt waͤre, daß ſie dieſes ih-
nen beſtimmte Nahrungsmittel leicht finden koͤnnen. Die Natur,
welche nichts halb thut, hat auch in dieſem Punkt die zweck-
maͤßigſten Anſtalten getroffen. Erſtlich hat ſie dafuͤr geſorgt, daß
die Inſekten die Blumen ſchon von weitem gewahr werden, ent-
weder durch das Geſicht, oder durch den Geruch, oder durch
beyde Sinnen zugleich. Alle Saftblumen ſind deswegen mit ei-
ner Krone geziert, und ſehr viele duften einen Geruch aus, wel-
cher den Menſchen mehrentheils angenehm, oft unangenehm,
zuweilen unausſtehlich, denjenigen Inſekten aber, fuͤr welche ihr
Saft beſtimmt iſt, jederzeit angenehm iſt. Die Krone iſt (ſehr
wenige Arten ausgenommen) gefaͤrbt, d. i. anders gefaͤrbt, als
gruͤn, damit ſie gegen die gruͤne Farbe der Pflanzen ſtark abſte-
che. Zuweilen iſt auch der Kelch gefaͤrbt, und zwar, wenn eine
vollſtaͤndige Krone da iſt, anders als dieſe, oder, wenn er mit
derſelben Ein Ganzes ausmacht, auf der inneren Seite eben ſo,
als die Krone. Fehlt aber die Krone, ſo vertritt er ihre Stelle.
Bey vielen Arten ſind auch die Blumenblaͤttir (bracteae) zu eben
dieſem Endzweck gefaͤrbt, jedoch mehrentheils anders, als die Krone.

Wenn nun ein Inſekt, durch die Schoͤnheit der Krone, oder
durch den angenehmen Geruch einer Blume gelockt, ſich auf die-
ſelbe begeben hat: ſo wird es entweder den Saft ſogleich gewahr,
oder nicht, weil dieſer ſich an einem verborgenen Ort befindet.
Im letztern Fall koͤmmt ihm die Natur durch das Saftmaal zu
Huͤlfe. Dieſes beſteht aus Einem oder mehrern Flecken, Linien,
Duͤpfeln oder Figuren von einer andern Farbe, als die Krone
uͤberhaupt hat, und ſticht folglich gegen die Farbe der Krone ſchwaͤ[-]
cher oder ſtaͤrker ab. Es befindet ſich jederzeit da, wo die Inſek[-]
ten hineinkriechen muͤſſen, wenn ſie zum Saft gelangen wollen.
[Spaltenumbruch]

Einleitung.
Regulaͤre Blumen haben ein regulaͤres, irregulaͤre ein irregulaͤres
Saftmaal. Wenn der Safthalter von der Oeffnung, durch wel-
che die Inſekten hineinkriechen, entfernt iſt, ſo zieht ſich das
Saftmaal, weiches vor der Oeffnung anfaͤngt, durch dieſelbe hin-
durch bis zum Safthalter, dienet alſo den Inſekten zu einem
ſichern Wegweiſer. Hat eine Blume mehrere Eingaͤnge zum Saft-
halter, ſo hat ſie auch eben ſo viel Saftmaͤler. Wenn eine Blume
mehrere Safthalter hat, welche ringsherum um den Fruchtknoten
ſtehen, oder zwar nur Einen, welcher aber in der Geſtalt eines
Ringes den Fruchtknoten umgiebt, und deſſen Saft das Inſekt
nicht anders verzehren kann, als wenn es im Kreiſe um denſelben
herum laͤuft, und ſeinen Saugeruͤſſel oͤfters hineinſteckt: ſo hat
das Saftmaal eine ringfoͤrmige Geſtalt, und fuͤhrt das Inſekt
im Kreiſe herum.

Bey Gelegenheit des Saftmaals muß ich von der Verſchieden-
heit der Saftblumen reden, welche auf der Tageszeit, in welcher
ſie bluͤhen, beruht. So wie es Inſekten giebt, die bloß bey Tage
umherſchwaͤrmen, und ſolche, die bloß des Nachts ihrer Nah[-]
rung nachgehen, eben ſo giebt es auch Tagesblumen und Nacht[-]
blumen.

Die Tagesblumen brechen des Morgens auf. Viele von den[-]
ſelben ſchließen ſich des Abends, oder ſenken ſich, da ſie am Tage
aufrecht ſtanden, oder es geht eine andere Veraͤnderung mit ihnen
vor, woraus man ſchließen kann, daß ſie nur fuͤr Tagesinſekten
beſtimmt ſind. Manche ſchließen ſich am erſten Abend, und oͤff[-]
nen ſich am folgenden Morgen nicht wieder, bluͤhen alſo nur Ei[-]
nen Tag; die mehreſten bluͤhen mehrere Tage.

Die Tagesblumen ſind mit einem Saftmaal geziert, obgleich
nicht alle.

Die Nachtblumen brechen des Abends auf. Bey Tage ſind
die mehreſten von denſelben geſchloſſen, oder welk und unanſehn[-]
lich, woraus erhellet, daß ſie fuͤr Tagesinſekten nicht beſtimm[t]
ſind. Manche bluͤhen mehrere Naͤchte; die gemeine Nachtker[ze]
(Oenothera biennis) bluͤhet zwey Naͤchte.

Die Nachtblumen haben eine große und hellgefaͤrbte Kron[e]
damit ſie in der Dunkelheit der Nacht den Inſekten in die Auge[n]
fallen. Iſt ihre Krone unanſehnlich, ſo wird dieſer Mangel dur[ch]
einen ſtarken Geruch erſetzt. Ein Saftmaal hingegen findet b[ey]
ihnen nicht Statt. Denn haͤtte z. B. die weiße Krone ein[er]
Nachtblume ein Saftmaal von einer andern, aber auch hell[en]
Farbe, ſo wuͤrde daſſelbe in der Dunkelheit der Nacht gegen d[ie]
Farbe der Krone nicht abſtechen, folglich ohne Nutzen ſeyn. Haͤt[te]
ſie aber ein dunkelgefaͤrbtes Saftmaal, ſo wuͤrde dies nicht [in]
die Augen fallen, folglich eben ſo unnuͤtz ſeyn, als jenes.

5. B[e]
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[[20]/0020] Einleitung. Einleitung. tropfen fallen auf die aͤußere Seite jener, hingegen auf die innere Seite dieſer. Jene muß folglich der Krone der grade herab- hangenden, dieſe der Krone der grade aufrecht ſtehenden Blumen aͤhnlich ſeyn. Jene iſt alſo gewoͤlbt, unzertheilt, hat inwendig keine Haare; dieſe iſt flach, oftmals zertheilt, und vor der Oeffnung der Roͤhre haaricht. Dieſe Blumen ſind ent- weder beſtaͤndig geſchloſſen, als die Maskenblumen, oder ihr Saft iſt auf eine andere Art vor dem Regen vollkommen verwahrt, daß ſie alſo nicht noͤthig haben, ſich bey Regenwetter zu ſchließen. 4. Veranſtaltung, daß die Inſekten den Saft der Saftblumen leicht finden koͤnnen. Krone. Geruch. Saftmaal. Daß die meiſten Blumen Saft abſondern, und daß die- ſer Saft gegen den Regen geſichert iſt, wuͤrde den Inſekten nichts helfen, wenn nicht zugleich dafuͤr geſorgt waͤre, daß ſie dieſes ih- nen beſtimmte Nahrungsmittel leicht finden koͤnnen. 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Bey vielen Arten ſind auch die Blumenblaͤttir (bracteae) zu eben dieſem Endzweck gefaͤrbt, jedoch mehrentheils anders, als die Krone. Wenn nun ein Inſekt, durch die Schoͤnheit der Krone, oder durch den angenehmen Geruch einer Blume gelockt, ſich auf die- ſelbe begeben hat: ſo wird es entweder den Saft ſogleich gewahr, oder nicht, weil dieſer ſich an einem verborgenen Ort befindet. Im letztern Fall koͤmmt ihm die Natur durch das Saftmaal zu Huͤlfe. Dieſes beſteht aus Einem oder mehrern Flecken, Linien, Duͤpfeln oder Figuren von einer andern Farbe, als die Krone uͤberhaupt hat, und ſticht folglich gegen die Farbe der Krone ſchwaͤ- cher oder ſtaͤrker ab. Es befindet ſich jederzeit da, wo die Inſek- ten hineinkriechen muͤſſen, wenn ſie zum Saft gelangen wollen. Regulaͤre Blumen haben ein regulaͤres, irregulaͤre ein irregulaͤres Saftmaal. Wenn der Safthalter von der Oeffnung, durch wel- che die Inſekten hineinkriechen, entfernt iſt, ſo zieht ſich das Saftmaal, weiches vor der Oeffnung anfaͤngt, durch dieſelbe hin- durch bis zum Safthalter, dienet alſo den Inſekten zu einem ſichern Wegweiſer. Hat eine Blume mehrere Eingaͤnge zum Saft- halter, ſo hat ſie auch eben ſo viel Saftmaͤler. Wenn eine Blume mehrere Safthalter hat, welche ringsherum um den Fruchtknoten ſtehen, oder zwar nur Einen, welcher aber in der Geſtalt eines Ringes den Fruchtknoten umgiebt, und deſſen Saft das Inſekt nicht anders verzehren kann, als wenn es im Kreiſe um denſelben herum laͤuft, und ſeinen Saugeruͤſſel oͤfters hineinſteckt: ſo hat das Saftmaal eine ringfoͤrmige Geſtalt, und fuͤhrt das Inſekt im Kreiſe herum. Bey Gelegenheit des Saftmaals muß ich von der Verſchieden- heit der Saftblumen reden, welche auf der Tageszeit, in welcher ſie bluͤhen, beruht. So wie es Inſekten giebt, die bloß bey Tage umherſchwaͤrmen, und ſolche, die bloß des Nachts ihrer Nah- rung nachgehen, eben ſo giebt es auch Tagesblumen und Nacht- blumen. Die Tagesblumen brechen des Morgens auf. Viele von den- ſelben ſchließen ſich des Abends, oder ſenken ſich, da ſie am Tage aufrecht ſtanden, oder es geht eine andere Veraͤnderung mit ihnen vor, woraus man ſchließen kann, daß ſie nur fuͤr Tagesinſekten beſtimmt ſind. Manche ſchließen ſich am erſten Abend, und oͤff- nen ſich am folgenden Morgen nicht wieder, bluͤhen alſo nur Ei- nen Tag; die mehreſten bluͤhen mehrere Tage. Die Tagesblumen ſind mit einem Saftmaal geziert, obgleich nicht alle. Die Nachtblumen brechen des Abends auf. Bey Tage ſind die mehreſten von denſelben geſchloſſen, oder welk und unanſehn- lich, woraus erhellet, daß ſie fuͤr Tagesinſekten nicht beſtimmt ſind. Manche bluͤhen mehrere Naͤchte; die gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis) bluͤhet zwey Naͤchte. Die Nachtblumen haben eine große und hellgefaͤrbte Krone damit ſie in der Dunkelheit der Nacht den Inſekten in die Augen fallen. Iſt ihre Krone unanſehnlich, ſo wird dieſer Mangel durch einen ſtarken Geruch erſetzt. Ein Saftmaal hingegen findet bey ihnen nicht Statt. Denn haͤtte z. B. die weiße Krone einer Nachtblume ein Saftmaal von einer andern, aber auch hellen Farbe, ſo wuͤrde daſſelbe in der Dunkelheit der Nacht gegen die Farbe der Krone nicht abſtechen, folglich ohne Nutzen ſeyn. Haͤtte ſie aber ein dunkelgefaͤrbtes Saftmaal, ſo wuͤrde dies nicht in die Augen fallen, folglich eben ſo unnuͤtz ſeyn, als jenes. 5. Be

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [20]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/20>, abgerufen am 28.03.2024.