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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Pinguicula.
dadurch den Safthalter, so hat er, die Scheinsaftblumen ausge-
nommen, jederzeit Recht; versteht er aber dadurch zugleich die
Saftdrüse, so hat er zuweilen Unrecht. Denn zuweilen ist das
Ende dieses Theils zwar auch die Saftdrüse, und alsdenn pflegt
es fleischicht oder knorplicht zu seyn; zuweilen aber sitzt die Saft-
drüse oben an der Oeffnung dieses Theils am Fruchtknoten, und
alsdenn ist das Ende desselben eben so dünn, als der übrige Theil.
Bey der Pinguicula ist das Ende des Sporns die Saftdrüse, ob
es gleich nicht merklich dicker ist, als der übrige Theil desselben.

3. Die Saftdecke sind die Fäden, mit welchen die Unter-
lippe der Krone vor der Oeffnung des Sporns besetzt ist.

4. Die Natur hat dafür gesorgt, daß die Insekten, welche
sie zur Befruchtung der Blume bestimmt hat, dieselbe nicht nur
von weitem leicht gewahr werden, sondern auch, wenn sie sich
auf dieselbe gesetzt haben, den in derselben enthaltenen Saft leicht
finden können.

Was das Erstere betrifft, so sitzt zwar die Blume auf einem
unmittelbar aus der Wurzel entstehenden und nur eine Handbreite
langen Stengel, oder vielmehr Stiel; indessen habe ich doch ge-
funden, daß sie über alle Pflanzen hervorragte, welche mit ihr
auf der angeführten Wiese standen. Sie blühet im May und
Juny. Diese Zeit hat die Natur weislich erwählt. Blühete sie
später, so würde sie, von den benachbarten Pflanzen, welche
alsdenn in die Höhe gewachsen seyn würden, verdeckt, von den
Insekten nicht bemerkt und besucht werden können, und folglich
unbefruchtet bleiben. Auch ihr Standort ist von der Natur
weislich erwählt. Derselbe ist nemlich nicht eine von den niedri-
gen Wiesen, welche im Winter und Frühjahr unter Wasser ste-
hen, und auf welchen hohe Pflanzen wachsen, als der Katzensterz
(Equisetum fluviatile), das Schwadengras (Festuca fluitans)
und andere. Denn dergleichen Pflanzen sind zu dieser Jahres-
zeit schon so hoch, daß sie unsere Blume vor den Augen der In-
sekten verbergen würden. Sondern es ist eine höhere Wiese,
welche an und zwischen Ackerfeldern liegt, und auf welcher nie-
drige Pflanzen stehen, als Pedicularis syluatica, Carex piluli-
fera, Carex Leersii Willdenowi,
und andere.

Was das Letztere betrifft, so hat die Blume ein Saftmaal.
Denn die Krone ist violett, auf derjenigen Stelle aber, wo die
zur Saftdecke dienenden Fäden sitzen, weiß, und diese Fäden sind
auch weiß.

Weil die Blume eine horizontale Stellung hat, so ist sie
irregulär.

Daß die Befruchtung derselben keinesweges auf eine mecha-
nische Art, sondern durch irgend ein Insekt geschieht, erhellet
aus der besonderen Einrichtung des Stigma. Dasselbe besteht
[Spaltenumbruch]

Pinguicula. Verbena.
aus zwey Lappen. Der oberste von denselben ist sehr schmal, und
schmiegt sich an die Krone; der unterste hingegen ist sehr breit,
und biegt sich unterwärts, so daß er die Antheren zum Theil be-
deckt. Wäre nun die unterste Oberfläche dieses Lappens, mit wel-
cher derselbe die Antheren unmittelbar berührt, das eigentliche
Stigma: so würde, wenn die mechanische Vefruchtungsart hier
Statt finden sollte, nichts zweckmäßiger seyn, als diese Einrich-
tung, und die Befruchtung würde in keiner Blume fehlschlagen
können. Nun aber ist nicht die unterste, sondern die oberste
Oberfläche des breiten Lappens, und die unterste oder vorderste
Oberfläche des schmalen Lappens das eigentliche Stigma. Dieses
schließe ich aus der Analogie, indem, wenn ein Stigma aus
zwey Lappen besteht, jederzeit die beiden inneren Oberflächen der-
selben, mit welchen sie, ehe sie sich von einander begaben, auf
einander lagen, das eigentliche Stigma sind. Und daß dieser
Schluß richtig ist, erhellet daraus, daß die beiden inneren Ober-
flächen der Lappen mit Haaren überzogen, die beiden äußeren
hingegen kahl sind. Diese Einrichtung nun ist, wenn hier die
mechanische Befruchtungsart Statt finden soll, ungereimt. Höchst
zweckmäßig aber ist sie, wenn die Befruchtung durch ein Insekt
geschehen soll. Denn indem dasselbe in die Blume hineinkriecht,
so streift es schon mit dem Rücken Staub von den Antheren ab,
noch mehr aber, wenn es wieder herauskriecht, weil es alsdenn
den untersten Lappen des Stigma in die Höhe hebt. Mit diesem
Staube beladen fliegt es hierauf auf eine andere Blume. In-
dem es nun in dieselbe hineinkriecht, so muß es nothwendig den
auf seinem Rücken sitzenden Staub auf das Stigma absetzen,
folglich diese Blume durch den Staub der ersten befruchten.

Durch welches Insekt die Befruchtung geschieht, weiß ich
nicht. Ich habe mich im letzt vergangenen Jahr einigemal auf
die angeführte Wiese hinbegeben, und mich jedesmal lange genug
daselbst aufgehalten, aber niemals ein Insekt auf den Blumen
angetroffen. Vermuthlich kam dies daher, weil ich niemals in
der Mittagsstunde, sondern jedesmal gegen Abend hinging. Ob-
gleich jedesmal das schönste Wetter war, so wehete doch ein kal-
ter Ostwind, welcher vielleicht das zur Befruchtung der Blume
bestimmte Insekt abgehalten hat, dieselbe zu besuchen.

Verbena.

Verbena officinalis. Eisenkraut. Tab. I. 14--16.
21.

15. Die vergrösserte Blume in natürlicher Stellung.

14. Die oberwärts der Länge nach aufgeschnittene und flach
ausgebreitete Krone.

16. Die Frucht.

[Spaltenumbruch]

Pinguicula.
dadurch den Safthalter, ſo hat er, die Scheinſaftblumen ausge-
nommen, jederzeit Recht; verſteht er aber dadurch zugleich die
Saftdruͤſe, ſo hat er zuweilen Unrecht. Denn zuweilen iſt das
Ende dieſes Theils zwar auch die Saftdruͤſe, und alsdenn pflegt
es fleiſchicht oder knorplicht zu ſeyn; zuweilen aber ſitzt die Saft-
druͤſe oben an der Oeffnung dieſes Theils am Fruchtknoten, und
alsdenn iſt das Ende deſſelben eben ſo duͤnn, als der uͤbrige Theil.
Bey der Pinguicula iſt das Ende des Sporns die Saftdruͤſe, ob
es gleich nicht merklich dicker iſt, als der uͤbrige Theil deſſelben.

3. Die Saftdecke ſind die Faͤden, mit welchen die Unter-
lippe der Krone vor der Oeffnung des Sporns beſetzt iſt.

4. Die Natur hat dafuͤr geſorgt, daß die Inſekten, welche
ſie zur Befruchtung der Blume beſtimmt hat, dieſelbe nicht nur
von weitem leicht gewahr werden, ſondern auch, wenn ſie ſich
auf dieſelbe geſetzt haben, den in derſelben enthaltenen Saft leicht
finden koͤnnen.

Was das Erſtere betrifft, ſo ſitzt zwar die Blume auf einem
unmittelbar aus der Wurzel entſtehenden und nur eine Handbreite
langen Stengel, oder vielmehr Stiel; indeſſen habe ich doch ge-
funden, daß ſie uͤber alle Pflanzen hervorragte, welche mit ihr
auf der angefuͤhrten Wieſe ſtanden. Sie bluͤhet im May und
Juny. Dieſe Zeit hat die Natur weislich erwaͤhlt. Bluͤhete ſie
ſpaͤter, ſo wuͤrde ſie, von den benachbarten Pflanzen, welche
alsdenn in die Hoͤhe gewachſen ſeyn wuͤrden, verdeckt, von den
Inſekten nicht bemerkt und beſucht werden koͤnnen, und folglich
unbefruchtet bleiben. Auch ihr Standort iſt von der Natur
weislich erwaͤhlt. Derſelbe iſt nemlich nicht eine von den niedri-
gen Wieſen, welche im Winter und Fruͤhjahr unter Waſſer ſte-
hen, und auf welchen hohe Pflanzen wachſen, als der Katzenſterz
(Equiſetum fluviatile), das Schwadengras (Feſtuca fluitans)
und andere. Denn dergleichen Pflanzen ſind zu dieſer Jahres-
zeit ſchon ſo hoch, daß ſie unſere Blume vor den Augen der In-
ſekten verbergen wuͤrden. Sondern es iſt eine hoͤhere Wieſe,
welche an und zwiſchen Ackerfeldern liegt, und auf welcher nie-
drige Pflanzen ſtehen, als Pedicularis ſyluatica, Carex piluli-
fera, Carex Leerſii Willdenowi,
und andere.

Was das Letztere betrifft, ſo hat die Blume ein Saftmaal.
Denn die Krone iſt violett, auf derjenigen Stelle aber, wo die
zur Saftdecke dienenden Faͤden ſitzen, weiß, und dieſe Faͤden ſind
auch weiß.

Weil die Blume eine horizontale Stellung hat, ſo iſt ſie
irregulaͤr.

Daß die Befruchtung derſelben keinesweges auf eine mecha-
niſche Art, ſondern durch irgend ein Inſekt geſchieht, erhellet
aus der beſonderen Einrichtung des Stigma. Daſſelbe beſteht
[Spaltenumbruch]

Pinguicula. Verbena.
aus zwey Lappen. Der oberſte von denſelben iſt ſehr ſchmal, und
ſchmiegt ſich an die Krone; der unterſte hingegen iſt ſehr breit,
und biegt ſich unterwaͤrts, ſo daß er die Antheren zum Theil be-
deckt. Waͤre nun die unterſte Oberflaͤche dieſes Lappens, mit wel-
cher derſelbe die Antheren unmittelbar beruͤhrt, das eigentliche
Stigma: ſo wuͤrde, wenn die mechaniſche Vefruchtungsart hier
Statt finden ſollte, nichts zweckmaͤßiger ſeyn, als dieſe Einrich-
tung, und die Befruchtung wuͤrde in keiner Blume fehlſchlagen
koͤnnen. Nun aber iſt nicht die unterſte, ſondern die oberſte
Oberflaͤche des breiten Lappens, und die unterſte oder vorderſte
Oberflaͤche des ſchmalen Lappens das eigentliche Stigma. Dieſes
ſchließe ich aus der Analogie, indem, wenn ein Stigma aus
zwey Lappen beſteht, jederzeit die beiden inneren Oberflaͤchen der-
ſelben, mit welchen ſie, ehe ſie ſich von einander begaben, auf
einander lagen, das eigentliche Stigma ſind. Und daß dieſer
Schluß richtig iſt, erhellet daraus, daß die beiden inneren Ober-
flaͤchen der Lappen mit Haaren uͤberzogen, die beiden aͤußeren
hingegen kahl ſind. Dieſe Einrichtung nun iſt, wenn hier die
mechaniſche Befruchtungsart Statt finden ſoll, ungereimt. Hoͤchſt
zweckmaͤßig aber iſt ſie, wenn die Befruchtung durch ein Inſekt
geſchehen ſoll. Denn indem daſſelbe in die Blume hineinkriecht,
ſo ſtreift es ſchon mit dem Ruͤcken Staub von den Antheren ab,
noch mehr aber, wenn es wieder herauskriecht, weil es alsdenn
den unterſten Lappen des Stigma in die Hoͤhe hebt. Mit dieſem
Staube beladen fliegt es hierauf auf eine andere Blume. In-
dem es nun in dieſelbe hineinkriecht, ſo muß es nothwendig den
auf ſeinem Ruͤcken ſitzenden Staub auf das Stigma abſetzen,
folglich dieſe Blume durch den Staub der erſten befruchten.

Durch welches Inſekt die Befruchtung geſchieht, weiß ich
nicht. Ich habe mich im letzt vergangenen Jahr einigemal auf
die angefuͤhrte Wieſe hinbegeben, und mich jedesmal lange genug
daſelbſt aufgehalten, aber niemals ein Inſekt auf den Blumen
angetroffen. Vermuthlich kam dies daher, weil ich niemals in
der Mittagsſtunde, ſondern jedesmal gegen Abend hinging. Ob-
gleich jedesmal das ſchoͤnſte Wetter war, ſo wehete doch ein kal-
ter Oſtwind, welcher vielleicht das zur Befruchtung der Blume
beſtimmte Inſekt abgehalten hat, dieſelbe zu beſuchen.

Verbena.

Verbena officinalis. Eiſenkraut. Tab. I. 14—16.
21.

15. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.

14. Die oberwaͤrts der Laͤnge nach aufgeſchnittene und flach
ausgebreitete Krone.

16. Die Frucht.

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Daß die Befruchtung derſelben keinesweges auf eine mecha- niſche Art, ſondern durch irgend ein Inſekt geſchieht, erhellet aus der beſonderen Einrichtung des Stigma. Daſſelbe beſteht aus zwey Lappen. Der oberſte von denſelben iſt ſehr ſchmal, und ſchmiegt ſich an die Krone; der unterſte hingegen iſt ſehr breit, und biegt ſich unterwaͤrts, ſo daß er die Antheren zum Theil be- deckt. Waͤre nun die unterſte Oberflaͤche dieſes Lappens, mit wel- cher derſelbe die Antheren unmittelbar beruͤhrt, das eigentliche Stigma: ſo wuͤrde, wenn die mechaniſche Vefruchtungsart hier Statt finden ſollte, nichts zweckmaͤßiger ſeyn, als dieſe Einrich- tung, und die Befruchtung wuͤrde in keiner Blume fehlſchlagen koͤnnen. Nun aber iſt nicht die unterſte, ſondern die oberſte Oberflaͤche des breiten Lappens, und die unterſte oder vorderſte Oberflaͤche des ſchmalen Lappens das eigentliche Stigma. Dieſes ſchließe ich aus der Analogie, indem, wenn ein Stigma aus zwey Lappen beſteht, jederzeit die beiden inneren Oberflaͤchen der- ſelben, mit welchen ſie, ehe ſie ſich von einander begaben, auf einander lagen, das eigentliche Stigma ſind. Und daß dieſer Schluß richtig iſt, erhellet daraus, daß die beiden inneren Ober- flaͤchen der Lappen mit Haaren uͤberzogen, die beiden aͤußeren hingegen kahl ſind. Dieſe Einrichtung nun iſt, wenn hier die mechaniſche Befruchtungsart Statt finden ſoll, ungereimt. Hoͤchſt zweckmaͤßig aber iſt ſie, wenn die Befruchtung durch ein Inſekt geſchehen ſoll. Denn indem daſſelbe in die Blume hineinkriecht, ſo ſtreift es ſchon mit dem Ruͤcken Staub von den Antheren ab, noch mehr aber, wenn es wieder herauskriecht, weil es alsdenn den unterſten Lappen des Stigma in die Hoͤhe hebt. Mit dieſem Staube beladen fliegt es hierauf auf eine andere Blume. In- dem es nun in dieſelbe hineinkriecht, ſo muß es nothwendig den auf ſeinem Ruͤcken ſitzenden Staub auf das Stigma abſetzen, folglich dieſe Blume durch den Staub der erſten befruchten. Durch welches Inſekt die Befruchtung geſchieht, weiß ich nicht. Ich habe mich im letzt vergangenen Jahr einigemal auf die angefuͤhrte Wieſe hinbegeben, und mich jedesmal lange genug daſelbſt aufgehalten, aber niemals ein Inſekt auf den Blumen angetroffen. Vermuthlich kam dies daher, weil ich niemals in der Mittagsſtunde, ſondern jedesmal gegen Abend hinging. Ob- gleich jedesmal das ſchoͤnſte Wetter war, ſo wehete doch ein kal- ter Oſtwind, welcher vielleicht das zur Befruchtung der Blume beſtimmte Inſekt abgehalten hat, dieſelbe zu beſuchen. Verbena. Verbena officinalis. Eiſenkraut. Tab. I. 14—16. 21. 15. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung. 14. Die oberwaͤrts der Laͤnge nach aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Krone. 16. Die Frucht.

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [40]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/40>, abgerufen am 29.03.2024.