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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Borago.
sten helfen, und an Analogie würde gar nicht zu denken seyn.
Was vermag aber der menschliche Verstand ohne Analogie?

Um nun auf die Befruchtung der Borago zu kommen, so
verhält es sich mit derselben folgendermaßen.

Sobald die Blume aufgebrochen ist, so fangen die Antheren
an der Spitze an, sich zu öffnen, und fahren damit nach und
nach fort, bis sie endlich der ganzen Länge nach offen stehen.
Ihr Staub ist dem Staube des Veilchens vollkommen gleich. Er
ist nemlich einem überaus feinen Streusande ähnlich, und von
weißer Farbe. Er unterscheidet sich also sehr sowohl von dem
flüchtigen Staube derjenigen Blumen, welche vom Winde be-
fruchtet werden, als auch von dem an den Antheren festsitzenden
Staube der meisten Saftblumen. So weit sich also die Antheren
geöffnet haben, haben sie keinen Staub mehr, weil derselbe we-
gen dieser seiner Eigenschaft sogleich aus beiden Fächern heraus-
fällt. Haben sie sich also gänzlich geöffnet, so sind sie von Staube
ganz leer. In der 32. Fig. ist eine Anthere abgebildet, welche
angefangen hat, sich zu öffnen. Von der Spitze bis an die Li-
nie a b hat sie keinen Staub mehr, und ist bräunlich; von dieser
Linie bis an das unterste Ende ist sie weiß, weil der weiße Staub
durchschimmert. In Fig. 23. sieht man zwey Antheren abgebildet,
welche sich gänzlich geöffnet haben, und kein Staubkörnchen mehr
enthalten.

Die Antheren bilden einen Kegel, dessen Spitze der Erde
zugekehrt ist. Der Staub fällt also vermöge seiner Schwere in
den untersten Theil dieses Kegels, aus welchem er nicht von
selbst herausfallen kann, weil die Antheren dicht zusammen-
schließen.

Untersucht man nun eine jüngere Blume, so sollte man beym
ersten Anblick glauben, daß die Befruchtung hier auf eine mechani-
sche Art gescheha, nemlich also, daß der Staub das Stigma un-
mittelbar berührt. Denn wenn man die 37. Fig. umkehrt, so
sieht man, daß das bey a befindliche Ende des Griffels mitten in
dem Staube steckt, welcher sich dort gesammlet hat. Man wird
aber diese Meinung fahren lassen, sobald man durch die Loupe
das Ende des Griffels besieht, weil man nicht die geringste Spur
von einem Stigma findet, b. Folglich ist bey der jüngeren
Blume an diese mechanische Befruchtungsart nicht zu denken,
weil dieselbe zwar Staub, aber kein Stigma hat. In der älteren
Blume hat sich der Griffel verlängert, und das Ende desselben,
welches nun ein wirkliches Stigma ist, raget aus dem Antheren-
kegel heraus, Fig. 21. und 37. c. Wenn wir nun auch den Fall
annehmen, daß die ältere Blume noch Staub im Antherenkegel
enthalte, da sie doch bey dem oftmaligen Besuch, welchen sie bis-
her von den Vienen erhalten hat, denselben schon längst verloren
[Spaltenumbruch]

Borago. Lycopsis.
haben muß: so begreifen wir doch nicht, wie dieser Staub auf
das Stigma sollte fallen können, da dasselbe sehr klein, und nicht
aufwärts gerichtet, sondern der Erde zugekehrt ist. Folglich kann
auch die ältere Blume auf keine mechanische Art befruchtet wer-
den, weil sie zwar ein Stigma, aber keinen Staub hat, oder
wenigstens derselbe, wenn er zufälligerweise noch vorhanden seyn
sollte, nicht auf das Stigma fallen kann.

Der Saft muß den Bienen sehr angenehm seyn. Wenn sie
denselben einmal gekostet haben, so halten sie sich bloß zu dieser
Blume, und verschmähen andere in der Nähe befindliche Blu-
men. So fand ich einstmals auf einigen blühenden Pflanzen ei-
nige Bienen in voller Arbeit. Weil nun neben denselben eine
blühende Staude der Raute stand, und ich noch niemals auf der
Raute ein Insekt angetroffen hatte: so wartete ich lange, ob sich
eine Biene auf dieselbe setzen würde. Sie schienen aber die Raute
nicht einmal zu sehen, sondern blieben bey ihrer Borago.

Nun kann eine Biene des Safts nicht anders theilhaftig
werden, als so, daß sie sich auf den Kegel, welchen die Staub-
gefäße bilden, setzt, auf demselben ringsherum läuft, und unter-
dessen ihren Saugerüssel zwischen die fleischichte Basis der Fila-
mente hindurch steckt. Hierdurch aber verursacht sie, daß die An-
theren sich ein wenig von einander begeben. Auf solche Art be-
kömmt der Kegel, welchen sie bilden, eine Oeffnung, und der
Staub fällt aus demselben heraus, und auf den unteren Theil
des Körpers der Biene, mit welchem sie die Spitze des Kegels
wegen ihrer Stellung nothwendig berühren muß. So beladet sie
sich mit dem Staube einer jüngeren Blume. Von dieser fliegt
sie auf eine ältere hin. Da das Stigma derselben aus dem An-
therenkegel herausraget, so berührt sie mit dem unteren Theil ih-
res Körpers dasselbe, streift den an demselben haftenden Staub
auf dasselbe ab, und befruchtet auf solche Art die ältere Blume
mit dem Staube der jüngeren.

Lycopsis.

Lycopsis aruensis.

1. Die Saftdrüse ist der unterste Theil der Fruchtknoten,
welcher sich von dem obersten durch die Farbe unterscheidet, indem
er blasser grün ist, als dieser. Wann die Samenkörner ihre völ-
lige Grösse erreicht haben, so kann man die vormalige Saftdrüse
noch deutlich an denselben erkennen.

2. Der Safthalter ist der unterste glatte Theil der Kro-
nenröhre.

3. Die Saftdecke sind die fünf Schüppchen, welche die
Oeffnung der Kronenröhre verschließen, und auswendig haaricht
sind.

G

[Spaltenumbruch]

Borago.
ſten helfen, und an Analogie wuͤrde gar nicht zu denken ſeyn.
Was vermag aber der menſchliche Verſtand ohne Analogie?

Um nun auf die Befruchtung der Borago zu kommen, ſo
verhaͤlt es ſich mit derſelben folgendermaßen.

Sobald die Blume aufgebrochen iſt, ſo fangen die Antheren
an der Spitze an, ſich zu oͤffnen, und fahren damit nach und
nach fort, bis ſie endlich der ganzen Laͤnge nach offen ſtehen.
Ihr Staub iſt dem Staube des Veilchens vollkommen gleich. Er
iſt nemlich einem uͤberaus feinen Streuſande aͤhnlich, und von
weißer Farbe. Er unterſcheidet ſich alſo ſehr ſowohl von dem
fluͤchtigen Staube derjenigen Blumen, welche vom Winde be-
fruchtet werden, als auch von dem an den Antheren feſtſitzenden
Staube der meiſten Saftblumen. So weit ſich alſo die Antheren
geoͤffnet haben, haben ſie keinen Staub mehr, weil derſelbe we-
gen dieſer ſeiner Eigenſchaft ſogleich aus beiden Faͤchern heraus-
faͤllt. Haben ſie ſich alſo gaͤnzlich geoͤffnet, ſo ſind ſie von Staube
ganz leer. In der 32. Fig. iſt eine Anthere abgebildet, welche
angefangen hat, ſich zu oͤffnen. Von der Spitze bis an die Li-
nie a b hat ſie keinen Staub mehr, und iſt braͤunlich; von dieſer
Linie bis an das unterſte Ende iſt ſie weiß, weil der weiße Staub
durchſchimmert. In Fig. 23. ſieht man zwey Antheren abgebildet,
welche ſich gaͤnzlich geoͤffnet haben, und kein Staubkoͤrnchen mehr
enthalten.

Die Antheren bilden einen Kegel, deſſen Spitze der Erde
zugekehrt iſt. Der Staub faͤllt alſo vermoͤge ſeiner Schwere in
den unterſten Theil dieſes Kegels, aus welchem er nicht von
ſelbſt herausfallen kann, weil die Antheren dicht zuſammen-
ſchließen.

Unterſucht man nun eine juͤngere Blume, ſo ſollte man beym
erſten Anblick glauben, daß die Befruchtung hier auf eine mechani-
ſche Art geſcheha, nemlich alſo, daß der Staub das Stigma un-
mittelbar beruͤhrt. Denn wenn man die 37. Fig. umkehrt, ſo
ſieht man, daß das bey a befindliche Ende des Griffels mitten in
dem Staube ſteckt, welcher ſich dort geſammlet hat. Man wird
aber dieſe Meinung fahren laſſen, ſobald man durch die Loupe
das Ende des Griffels beſieht, weil man nicht die geringſte Spur
von einem Stigma findet, b. Folglich iſt bey der juͤngeren
Blume an dieſe mechaniſche Befruchtungsart nicht zu denken,
weil dieſelbe zwar Staub, aber kein Stigma hat. In der aͤlteren
Blume hat ſich der Griffel verlaͤngert, und das Ende deſſelben,
welches nun ein wirkliches Stigma iſt, raget aus dem Antheren-
kegel heraus, Fig. 21. und 37. c. Wenn wir nun auch den Fall
annehmen, daß die aͤltere Blume noch Staub im Antherenkegel
enthalte, da ſie doch bey dem oftmaligen Beſuch, welchen ſie bis-
her von den Vienen erhalten hat, denſelben ſchon laͤngſt verloren
[Spaltenumbruch]

Borago. Lycopſis.
haben muß: ſo begreifen wir doch nicht, wie dieſer Staub auf
das Stigma ſollte fallen koͤnnen, da daſſelbe ſehr klein, und nicht
aufwaͤrts gerichtet, ſondern der Erde zugekehrt iſt. Folglich kann
auch die aͤltere Blume auf keine mechaniſche Art befruchtet wer-
den, weil ſie zwar ein Stigma, aber keinen Staub hat, oder
wenigſtens derſelbe, wenn er zufaͤlligerweiſe noch vorhanden ſeyn
ſollte, nicht auf das Stigma fallen kann.

Der Saft muß den Bienen ſehr angenehm ſeyn. Wenn ſie
denſelben einmal gekoſtet haben, ſo halten ſie ſich bloß zu dieſer
Blume, und verſchmaͤhen andere in der Naͤhe befindliche Blu-
men. So fand ich einſtmals auf einigen bluͤhenden Pflanzen ei-
nige Bienen in voller Arbeit. Weil nun neben denſelben eine
bluͤhende Staude der Raute ſtand, und ich noch niemals auf der
Raute ein Inſekt angetroffen hatte: ſo wartete ich lange, ob ſich
eine Biene auf dieſelbe ſetzen wuͤrde. Sie ſchienen aber die Raute
nicht einmal zu ſehen, ſondern blieben bey ihrer Borago.

Nun kann eine Biene des Safts nicht anders theilhaftig
werden, als ſo, daß ſie ſich auf den Kegel, welchen die Staub-
gefaͤße bilden, ſetzt, auf demſelben ringsherum laͤuft, und unter-
deſſen ihren Saugeruͤſſel zwiſchen die fleiſchichte Baſis der Fila-
mente hindurch ſteckt. Hierdurch aber verurſacht ſie, daß die An-
theren ſich ein wenig von einander begeben. Auf ſolche Art be-
koͤmmt der Kegel, welchen ſie bilden, eine Oeffnung, und der
Staub faͤllt aus demſelben heraus, und auf den unteren Theil
des Koͤrpers der Biene, mit welchem ſie die Spitze des Kegels
wegen ihrer Stellung nothwendig beruͤhren muß. So beladet ſie
ſich mit dem Staube einer juͤngeren Blume. Von dieſer fliegt
ſie auf eine aͤltere hin. Da das Stigma derſelben aus dem An-
therenkegel herausraget, ſo beruͤhrt ſie mit dem unteren Theil ih-
res Koͤrpers daſſelbe, ſtreift den an demſelben haftenden Staub
auf daſſelbe ab, und befruchtet auf ſolche Art die aͤltere Blume
mit dem Staube der juͤngeren.

Lycopſis.

Lycopſis aruenſis.

1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte Theil der Fruchtknoten,
welcher ſich von dem oberſten durch die Farbe unterſcheidet, indem
er blaſſer gruͤn iſt, als dieſer. Wann die Samenkoͤrner ihre voͤl-
lige Groͤſſe erreicht haben, ſo kann man die vormalige Saftdruͤſe
noch deutlich an denſelben erkennen.

2. Der Safthalter iſt der unterſte glatte Theil der Kro-
nenroͤhre.

3. Die Saftdecke ſind die fuͤnf Schuͤppchen, welche die
Oeffnung der Kronenroͤhre verſchließen, und auswendig haaricht
ſind.

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[[61]/0061] Borago. Borago. Lycopſis. ſten helfen, und an Analogie wuͤrde gar nicht zu denken ſeyn. Was vermag aber der menſchliche Verſtand ohne Analogie? Um nun auf die Befruchtung der Borago zu kommen, ſo verhaͤlt es ſich mit derſelben folgendermaßen. Sobald die Blume aufgebrochen iſt, ſo fangen die Antheren an der Spitze an, ſich zu oͤffnen, und fahren damit nach und nach fort, bis ſie endlich der ganzen Laͤnge nach offen ſtehen. Ihr Staub iſt dem Staube des Veilchens vollkommen gleich. Er iſt nemlich einem uͤberaus feinen Streuſande aͤhnlich, und von weißer Farbe. Er unterſcheidet ſich alſo ſehr ſowohl von dem fluͤchtigen Staube derjenigen Blumen, welche vom Winde be- fruchtet werden, als auch von dem an den Antheren feſtſitzenden Staube der meiſten Saftblumen. So weit ſich alſo die Antheren geoͤffnet haben, haben ſie keinen Staub mehr, weil derſelbe we- gen dieſer ſeiner Eigenſchaft ſogleich aus beiden Faͤchern heraus- faͤllt. Haben ſie ſich alſo gaͤnzlich geoͤffnet, ſo ſind ſie von Staube ganz leer. In der 32. Fig. iſt eine Anthere abgebildet, welche angefangen hat, ſich zu oͤffnen. Von der Spitze bis an die Li- nie a b hat ſie keinen Staub mehr, und iſt braͤunlich; von dieſer Linie bis an das unterſte Ende iſt ſie weiß, weil der weiße Staub durchſchimmert. In Fig. 23. ſieht man zwey Antheren abgebildet, welche ſich gaͤnzlich geoͤffnet haben, und kein Staubkoͤrnchen mehr enthalten. Die Antheren bilden einen Kegel, deſſen Spitze der Erde zugekehrt iſt. Der Staub faͤllt alſo vermoͤge ſeiner Schwere in den unterſten Theil dieſes Kegels, aus welchem er nicht von ſelbſt herausfallen kann, weil die Antheren dicht zuſammen- ſchließen. Unterſucht man nun eine juͤngere Blume, ſo ſollte man beym erſten Anblick glauben, daß die Befruchtung hier auf eine mechani- ſche Art geſcheha, nemlich alſo, daß der Staub das Stigma un- mittelbar beruͤhrt. Denn wenn man die 37. Fig. umkehrt, ſo ſieht man, daß das bey a befindliche Ende des Griffels mitten in dem Staube ſteckt, welcher ſich dort geſammlet hat. Man wird aber dieſe Meinung fahren laſſen, ſobald man durch die Loupe das Ende des Griffels beſieht, weil man nicht die geringſte Spur von einem Stigma findet, b. Folglich iſt bey der juͤngeren Blume an dieſe mechaniſche Befruchtungsart nicht zu denken, weil dieſelbe zwar Staub, aber kein Stigma hat. In der aͤlteren Blume hat ſich der Griffel verlaͤngert, und das Ende deſſelben, welches nun ein wirkliches Stigma iſt, raget aus dem Antheren- kegel heraus, Fig. 21. und 37. c. Wenn wir nun auch den Fall annehmen, daß die aͤltere Blume noch Staub im Antherenkegel enthalte, da ſie doch bey dem oftmaligen Beſuch, welchen ſie bis- her von den Vienen erhalten hat, denſelben ſchon laͤngſt verloren haben muß: ſo begreifen wir doch nicht, wie dieſer Staub auf das Stigma ſollte fallen koͤnnen, da daſſelbe ſehr klein, und nicht aufwaͤrts gerichtet, ſondern der Erde zugekehrt iſt. Folglich kann auch die aͤltere Blume auf keine mechaniſche Art befruchtet wer- den, weil ſie zwar ein Stigma, aber keinen Staub hat, oder wenigſtens derſelbe, wenn er zufaͤlligerweiſe noch vorhanden ſeyn ſollte, nicht auf das Stigma fallen kann. Der Saft muß den Bienen ſehr angenehm ſeyn. Wenn ſie denſelben einmal gekoſtet haben, ſo halten ſie ſich bloß zu dieſer Blume, und verſchmaͤhen andere in der Naͤhe befindliche Blu- men. So fand ich einſtmals auf einigen bluͤhenden Pflanzen ei- nige Bienen in voller Arbeit. Weil nun neben denſelben eine bluͤhende Staude der Raute ſtand, und ich noch niemals auf der Raute ein Inſekt angetroffen hatte: ſo wartete ich lange, ob ſich eine Biene auf dieſelbe ſetzen wuͤrde. Sie ſchienen aber die Raute nicht einmal zu ſehen, ſondern blieben bey ihrer Borago. Nun kann eine Biene des Safts nicht anders theilhaftig werden, als ſo, daß ſie ſich auf den Kegel, welchen die Staub- gefaͤße bilden, ſetzt, auf demſelben ringsherum laͤuft, und unter- deſſen ihren Saugeruͤſſel zwiſchen die fleiſchichte Baſis der Fila- mente hindurch ſteckt. Hierdurch aber verurſacht ſie, daß die An- theren ſich ein wenig von einander begeben. Auf ſolche Art be- koͤmmt der Kegel, welchen ſie bilden, eine Oeffnung, und der Staub faͤllt aus demſelben heraus, und auf den unteren Theil des Koͤrpers der Biene, mit welchem ſie die Spitze des Kegels wegen ihrer Stellung nothwendig beruͤhren muß. So beladet ſie ſich mit dem Staube einer juͤngeren Blume. Von dieſer fliegt ſie auf eine aͤltere hin. Da das Stigma derſelben aus dem An- therenkegel herausraget, ſo beruͤhrt ſie mit dem unteren Theil ih- res Koͤrpers daſſelbe, ſtreift den an demſelben haftenden Staub auf daſſelbe ab, und befruchtet auf ſolche Art die aͤltere Blume mit dem Staube der juͤngeren. Lycopſis. Lycopſis aruenſis. 1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte Theil der Fruchtknoten, welcher ſich von dem oberſten durch die Farbe unterſcheidet, indem er blaſſer gruͤn iſt, als dieſer. Wann die Samenkoͤrner ihre voͤl- lige Groͤſſe erreicht haben, ſo kann man die vormalige Saftdruͤſe noch deutlich an denſelben erkennen. 2. Der Safthalter iſt der unterſte glatte Theil der Kro- nenroͤhre. 3. Die Saftdecke ſind die fuͤnf Schuͤppchen, welche die Oeffnung der Kronenroͤhre verſchließen, und auswendig haaricht ſind. G

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [61]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/61>, abgerufen am 28.03.2024.