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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Echium.

4. Eben diese Schüppchen sind zugleich das Saftmaal;
denn sie sind weiß, da der Kronensaum blau ist.

Echium.

Echium vulgare. Otternkopf. Tab. III. 39. 41--50.
Tab. IV.
1.

Tab. III. 39. Ein mit Blumenknospen, Blumen, und
Kelchen, welche die Stelle der Samenkapseln vertreten, versehe-
ner Zweig in natürlicher Stellung und Grösse.

41. Eine Blume, von welcher vorne ein Stück weggeschnit-
ten worden.

42. Eine ältere Blume.

43. Eine jüngere Blume, von welcher der Kelch weggeschnit-
ten worden, von vorne.

45. Dieselbe von hinten.

44. Die reifen Samenkörner, an welchen man noch die vor-
malige (punktirte) Saftdrüse bemerkt.

46. Die Krone, unterwärts aufgeschnitten, und flach aus-
gebreitet.

47. Die Fruchtknoten nebst der (punktirten) Saftdrüse.

48. Der unterste Theil der Krone bis c b Fig. 43. und 45.
von vorne gesehen.

49. Das Stück der Krone c b d a von hinten gesehen.

50. Der Griffel der älteren Blume.

Tab. IV. 1. Die Blume von vorne gesehen.

1. Die Saftdrüse ist die gelbliche Basis der Fruchtknoten.
An den reifen Samenkörnern erkennet man dieselbe noch deutlich.
Denn sie unrerscheidet sich durch ihre Farbe und ebene Oberfläche
von denselben, da diese runzlicht sind.

2. Der Safthalter ist der Grund der Kronenröhre. Damit
der Rand desselben die Saftdrüse dicht umschließe, so ist er mit
Haaren besetzt, Fig. 46. Die Krone sitzt daher sehr fest.

3. Weil die Blume eine horizontale Stellung, und eine
glockenförmige Gestalt hat, so mußte sie irregulär seyn, wenn der
Saft gegen den Regen gesichert seyn sollte. Zu dieser Irregula-
rität gehört, und zur Erreichung dieses Endzwecks dient Folgendes.
1) Die beiden Seitenabschnitte des Kronensaums sind einander
gleich; der oberste aber, weicher wieder in zwey kleinere getheilt
ist, ist grösser, als der unterste, weil jener die Regentropfen auf
seiner äußeren, dieser aber auf seiner inneren Oberfläche erhält,
und jener diesem zum Obdach dient. 2) Die Kronenröhre, welche
an und für sich schon enger ist, als der Kronensaum, wird da-
durch noch enger, daß die längst derselben angewachsenen Fila-
wente dieselbe einwärts ziehen, wodurch dieselbe auswendig fünf
länglichte Vertiefungen erhält, Fig, 43. 45. 3) Die Filamente
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Echium.
sind einander nicht gleich, sondern das oberste unterscheidet sich
von den übrigen dadurch, daß es nicht unmittelbar, sondern ver-
mittelst eines dünnen Fortsatzes an die Röhre angewachsen, und,
so weit es angewachsen ist, breiter ist, als die übrigen, Fig. 41.
46. 49. 4) Die Filamente biegen sich nicht auf eine reguläre Art
gegen die Axe der Krone, sondern auf eine irreguläre Art gegen
ihre unterste Seite. Diese beiden Umstände verursachen, daß die
Kronenröhre in zwey kleinere Röhren getheilt ist, in welche kein
Regentropfen hineindringen kann, Fig. 48. 49. Tab. IV. 1.
5) Endlich hilft auch der Griffel diese Absicht befördern, denn er
ist mit vorwärts gerichteten Haaren überzogen, Fig. 50.

4. Ich habe oben beym Cynoglossum officinale die Ursache
angezeigt, warum die Kelche, welche die Samenbehältnisse sind,
auf der innern Seite der Zweige sitzen müssen. Nun sollen die
Blumen von Insekten befruchtet werden, und zu diesem Ende
denselben von weitem in die Augen fallen. Sollen sie dies kön-
nen, so müssen sie nicht an der inneren, sondern an der äußeren
Seite der Zweige sitzen; denn im ersten Fall befinden sie sich hin-
ter den Zweigen, und werden von denselben zum Theil verdeckt.
Hier sollen also zwey Absichten erreicht werden, welche sich einan-
der grade entgegengesetzt sind, und deren eine die andere ganz
unerreichbar zu machen scheint. Bey dieser Kollision hat sich die
Natur sehr glücklich zu helfen gewußt. Sie hat es nemlich so
veranstaltet, daß der Zweig zwar, so weit er mit Kelchen oder
Samenbehältnissen besetzt ist, grade gestreckt, so weit er aber mit
Blumenknospen versehen ist, spiralförmig aus- und abwärts
gekrümmt ist, Fig. 39. Auf solche Art bekommen die in der Mitte
zwischen jenen und diesen befindlichen Blumen einen freyen Stand,
und werden von dem obersten mit Blumenknospen versehenen Theil
des Zweiges nicht verdeckt, sondern fallen ihrer ganzen Grösse
und Gestalt nach den Insekten in die Augen.

So wie nun die Insekten die Blumen von weitem leicht be-
merken können, so zeigt ihnen das Saftmaal, daß dieselben wirk-
lich Saft enthalten, und wie sie zu demselben gelangen sollen.
Dasselbe besteht theils aus fünf Linien von hellerer Farbe, welche
auf dem Kronensaum nach der Kronenröhre zu laufen, theils aus
den beiden Oeffnungen der Kronenröhre, durch welche man die
weiße Farbe der Kronenröhre erblickt, da der Kronensaum pur-
purfarben oder blau ist. Beides ist in Tab. IV. 1. durch Punkte
angedeutet.

5. Die Blumen werden von Bienen und Hummeln häufig
besucht. Daß sie von diesen Insekten auch befruchtet werden,
keinesweges aber eine mechanische Befruchtungsart bey ihnen
Statt finden könne, erhellet daraus, daß sie Dichogamisten, und
zwar von der männlich-weiblichen Art sind. Denn die jüngeren

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Echium.

4. Eben dieſe Schuͤppchen ſind zugleich das Saftmaal;
denn ſie ſind weiß, da der Kronenſaum blau iſt.

Echium.

Echium vulgare. Otternkopf. Tab. III. 39. 41—50.
Tab. IV.
1.

Tab. III. 39. Ein mit Blumenknospen, Blumen, und
Kelchen, welche die Stelle der Samenkapſeln vertreten, verſehe-
ner Zweig in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.

41. Eine Blume, von welcher vorne ein Stuͤck weggeſchnit-
ten worden.

42. Eine aͤltere Blume.

43. Eine juͤngere Blume, von welcher der Kelch weggeſchnit-
ten worden, von vorne.

45. Dieſelbe von hinten.

44. Die reifen Samenkoͤrner, an welchen man noch die vor-
malige (punktirte) Saftdruͤſe bemerkt.

46. Die Krone, unterwaͤrts aufgeſchnitten, und flach aus-
gebreitet.

47. Die Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe.

48. Der unterſte Theil der Krone bis c b Fig. 43. und 45.
von vorne geſehen.

49. Das Stuͤck der Krone c b d a von hinten geſehen.

50. Der Griffel der aͤlteren Blume.

Tab. IV. 1. Die Blume von vorne geſehen.

1. Die Saftdruͤſe iſt die gelbliche Baſis der Fruchtknoten.
An den reifen Samenkoͤrnern erkennet man dieſelbe noch deutlich.
Denn ſie unrerſcheidet ſich durch ihre Farbe und ebene Oberflaͤche
von denſelben, da dieſe runzlicht ſind.

2. Der Safthalter iſt der Grund der Kronenroͤhre. Damit
der Rand deſſelben die Saftdruͤſe dicht umſchließe, ſo iſt er mit
Haaren beſetzt, Fig. 46. Die Krone ſitzt daher ſehr feſt.

3. Weil die Blume eine horizontale Stellung, und eine
glockenfoͤrmige Geſtalt hat, ſo mußte ſie irregulaͤr ſeyn, wenn der
Saft gegen den Regen geſichert ſeyn ſollte. Zu dieſer Irregula-
ritaͤt gehoͤrt, und zur Erreichung dieſes Endzwecks dient Folgendes.
1) Die beiden Seitenabſchnitte des Kronenſaums ſind einander
gleich; der oberſte aber, weicher wieder in zwey kleinere getheilt
iſt, iſt groͤſſer, als der unterſte, weil jener die Regentropfen auf
ſeiner aͤußeren, dieſer aber auf ſeiner inneren Oberflaͤche erhaͤlt,
und jener dieſem zum Obdach dient. 2) Die Kronenroͤhre, welche
an und fuͤr ſich ſchon enger iſt, als der Kronenſaum, wird da-
durch noch enger, daß die laͤngſt derſelben angewachſenen Fila-
wente dieſelbe einwaͤrts ziehen, wodurch dieſelbe auswendig fuͤnf
laͤnglichte Vertiefungen erhaͤlt, Fig, 43. 45. 3) Die Filamente
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Echium.
ſind einander nicht gleich, ſondern das oberſte unterſcheidet ſich
von den uͤbrigen dadurch, daß es nicht unmittelbar, ſondern ver-
mittelſt eines duͤnnen Fortſatzes an die Roͤhre angewachſen, und,
ſo weit es angewachſen iſt, breiter iſt, als die uͤbrigen, Fig. 41.
46. 49. 4) Die Filamente biegen ſich nicht auf eine regulaͤre Art
gegen die Axe der Krone, ſondern auf eine irregulaͤre Art gegen
ihre unterſte Seite. Dieſe beiden Umſtaͤnde verurſachen, daß die
Kronenroͤhre in zwey kleinere Roͤhren getheilt iſt, in welche kein
Regentropfen hineindringen kann, Fig. 48. 49. Tab. IV. 1.
5) Endlich hilft auch der Griffel dieſe Abſicht befoͤrdern, denn er
iſt mit vorwaͤrts gerichteten Haaren uͤberzogen, Fig. 50.

4. Ich habe oben beym Cynogloſſum officinale die Urſache
angezeigt, warum die Kelche, welche die Samenbehaͤltniſſe ſind,
auf der innern Seite der Zweige ſitzen muͤſſen. Nun ſollen die
Blumen von Inſekten befruchtet werden, und zu dieſem Ende
denſelben von weitem in die Augen fallen. Sollen ſie dies koͤn-
nen, ſo muͤſſen ſie nicht an der inneren, ſondern an der aͤußeren
Seite der Zweige ſitzen; denn im erſten Fall befinden ſie ſich hin-
ter den Zweigen, und werden von denſelben zum Theil verdeckt.
Hier ſollen alſo zwey Abſichten erreicht werden, welche ſich einan-
der grade entgegengeſetzt ſind, und deren eine die andere ganz
unerreichbar zu machen ſcheint. Bey dieſer Kolliſion hat ſich die
Natur ſehr gluͤcklich zu helfen gewußt. Sie hat es nemlich ſo
veranſtaltet, daß der Zweig zwar, ſo weit er mit Kelchen oder
Samenbehaͤltniſſen beſetzt iſt, grade geſtreckt, ſo weit er aber mit
Blumenknospen verſehen iſt, ſpiralfoͤrmig aus- und abwaͤrts
gekruͤmmt iſt, Fig. 39. Auf ſolche Art bekommen die in der Mitte
zwiſchen jenen und dieſen befindlichen Blumen einen freyen Stand,
und werden von dem oberſten mit Blumenknospen verſehenen Theil
des Zweiges nicht verdeckt, ſondern fallen ihrer ganzen Groͤſſe
und Geſtalt nach den Inſekten in die Augen.

So wie nun die Inſekten die Blumen von weitem leicht be-
merken koͤnnen, ſo zeigt ihnen das Saftmaal, daß dieſelben wirk-
lich Saft enthalten, und wie ſie zu demſelben gelangen ſollen.
Daſſelbe beſteht theils aus fuͤnf Linien von hellerer Farbe, welche
auf dem Kronenſaum nach der Kronenroͤhre zu laufen, theils aus
den beiden Oeffnungen der Kronenroͤhre, durch welche man die
weiße Farbe der Kronenroͤhre erblickt, da der Kronenſaum pur-
purfarben oder blau iſt. Beides iſt in Tab. IV. 1. durch Punkte
angedeutet.

5. Die Blumen werden von Bienen und Hummeln haͤufig
beſucht. Daß ſie von dieſen Inſekten auch befruchtet werden,
keinesweges aber eine mechaniſche Befruchtungsart bey ihnen
Statt finden koͤnne, erhellet daraus, daß ſie Dichogamiſten, und
zwar von der maͤnnlich-weiblichen Art ſind. Denn die juͤngeren

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[[62]/0062] Echium. Echium. 4. Eben dieſe Schuͤppchen ſind zugleich das Saftmaal; denn ſie ſind weiß, da der Kronenſaum blau iſt. Echium. Echium vulgare. Otternkopf. Tab. III. 39. 41—50. Tab. IV. 1. Tab. III. 39. Ein mit Blumenknospen, Blumen, und Kelchen, welche die Stelle der Samenkapſeln vertreten, verſehe- ner Zweig in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe. 41. Eine Blume, von welcher vorne ein Stuͤck weggeſchnit- ten worden. 42. Eine aͤltere Blume. 43. Eine juͤngere Blume, von welcher der Kelch weggeſchnit- ten worden, von vorne. 45. Dieſelbe von hinten. 44. Die reifen Samenkoͤrner, an welchen man noch die vor- malige (punktirte) Saftdruͤſe bemerkt. 46. Die Krone, unterwaͤrts aufgeſchnitten, und flach aus- gebreitet. 47. Die Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe. 48. Der unterſte Theil der Krone bis c b Fig. 43. und 45. von vorne geſehen. 49. Das Stuͤck der Krone c b d a von hinten geſehen. 50. Der Griffel der aͤlteren Blume. Tab. IV. 1. Die Blume von vorne geſehen. 1. Die Saftdruͤſe iſt die gelbliche Baſis der Fruchtknoten. An den reifen Samenkoͤrnern erkennet man dieſelbe noch deutlich. Denn ſie unrerſcheidet ſich durch ihre Farbe und ebene Oberflaͤche von denſelben, da dieſe runzlicht ſind. 2. Der Safthalter iſt der Grund der Kronenroͤhre. Damit der Rand deſſelben die Saftdruͤſe dicht umſchließe, ſo iſt er mit Haaren beſetzt, Fig. 46. Die Krone ſitzt daher ſehr feſt. 3. Weil die Blume eine horizontale Stellung, und eine glockenfoͤrmige Geſtalt hat, ſo mußte ſie irregulaͤr ſeyn, wenn der Saft gegen den Regen geſichert ſeyn ſollte. Zu dieſer Irregula- ritaͤt gehoͤrt, und zur Erreichung dieſes Endzwecks dient Folgendes. 1) Die beiden Seitenabſchnitte des Kronenſaums ſind einander gleich; der oberſte aber, weicher wieder in zwey kleinere getheilt iſt, iſt groͤſſer, als der unterſte, weil jener die Regentropfen auf ſeiner aͤußeren, dieſer aber auf ſeiner inneren Oberflaͤche erhaͤlt, und jener dieſem zum Obdach dient. 2) Die Kronenroͤhre, welche an und fuͤr ſich ſchon enger iſt, als der Kronenſaum, wird da- durch noch enger, daß die laͤngſt derſelben angewachſenen Fila- wente dieſelbe einwaͤrts ziehen, wodurch dieſelbe auswendig fuͤnf laͤnglichte Vertiefungen erhaͤlt, Fig, 43. 45. 3) Die Filamente ſind einander nicht gleich, ſondern das oberſte unterſcheidet ſich von den uͤbrigen dadurch, daß es nicht unmittelbar, ſondern ver- mittelſt eines duͤnnen Fortſatzes an die Roͤhre angewachſen, und, ſo weit es angewachſen iſt, breiter iſt, als die uͤbrigen, Fig. 41. 46. 49. 4) Die Filamente biegen ſich nicht auf eine regulaͤre Art gegen die Axe der Krone, ſondern auf eine irregulaͤre Art gegen ihre unterſte Seite. Dieſe beiden Umſtaͤnde verurſachen, daß die Kronenroͤhre in zwey kleinere Roͤhren getheilt iſt, in welche kein Regentropfen hineindringen kann, Fig. 48. 49. Tab. IV. 1. 5) Endlich hilft auch der Griffel dieſe Abſicht befoͤrdern, denn er iſt mit vorwaͤrts gerichteten Haaren uͤberzogen, Fig. 50. 4. Ich habe oben beym Cynogloſſum officinale die Urſache angezeigt, warum die Kelche, welche die Samenbehaͤltniſſe ſind, auf der innern Seite der Zweige ſitzen muͤſſen. Nun ſollen die Blumen von Inſekten befruchtet werden, und zu dieſem Ende denſelben von weitem in die Augen fallen. Sollen ſie dies koͤn- nen, ſo muͤſſen ſie nicht an der inneren, ſondern an der aͤußeren Seite der Zweige ſitzen; denn im erſten Fall befinden ſie ſich hin- ter den Zweigen, und werden von denſelben zum Theil verdeckt. Hier ſollen alſo zwey Abſichten erreicht werden, welche ſich einan- der grade entgegengeſetzt ſind, und deren eine die andere ganz unerreichbar zu machen ſcheint. Bey dieſer Kolliſion hat ſich die Natur ſehr gluͤcklich zu helfen gewußt. Sie hat es nemlich ſo veranſtaltet, daß der Zweig zwar, ſo weit er mit Kelchen oder Samenbehaͤltniſſen beſetzt iſt, grade geſtreckt, ſo weit er aber mit Blumenknospen verſehen iſt, ſpiralfoͤrmig aus- und abwaͤrts gekruͤmmt iſt, Fig. 39. Auf ſolche Art bekommen die in der Mitte zwiſchen jenen und dieſen befindlichen Blumen einen freyen Stand, und werden von dem oberſten mit Blumenknospen verſehenen Theil des Zweiges nicht verdeckt, ſondern fallen ihrer ganzen Groͤſſe und Geſtalt nach den Inſekten in die Augen. So wie nun die Inſekten die Blumen von weitem leicht be- merken koͤnnen, ſo zeigt ihnen das Saftmaal, daß dieſelben wirk- lich Saft enthalten, und wie ſie zu demſelben gelangen ſollen. Daſſelbe beſteht theils aus fuͤnf Linien von hellerer Farbe, welche auf dem Kronenſaum nach der Kronenroͤhre zu laufen, theils aus den beiden Oeffnungen der Kronenroͤhre, durch welche man die weiße Farbe der Kronenroͤhre erblickt, da der Kronenſaum pur- purfarben oder blau iſt. Beides iſt in Tab. IV. 1. durch Punkte angedeutet. 5. Die Blumen werden von Bienen und Hummeln haͤufig beſucht. Daß ſie von dieſen Inſekten auch befruchtet werden, keinesweges aber eine mechaniſche Befruchtungsart bey ihnen Statt finden koͤnne, erhellet daraus, daß ſie Dichogamiſten, und zwar von der maͤnnlich-weiblichen Art ſind. Denn die juͤngeren

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [62]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/62>, abgerufen am 29.03.2024.