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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880.

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gleich Nachmittags mit Heidi ausziehen zu können, und so
sah nun Alles ringsherum gut und zu seiner Zufriedenheit
aus. Bei der Gaißenpeter-Hütte trennten sie sich, und
Heidi sprang herein. Schon hatte die Großmutter seinen
Schritt gehört und rief ihm liebevoll entgegen: "Kommst
du, Kind? Kommst du wieder?"

Dann erfaßte sie Heidi's Hand und hielt sie ganz fest,
denn immer noch fürchtete sie, das Kind könnte ihr wieder
entrissen werden. Und nun mußte die Großmutter er¬
zählen, wie die Brödchen geschmeckt hätten, und sie sagte,
sie habe sich so daran erlabt, daß sie meine, sie sei heute
viel kräftiger, als lange nicht mehr, und Peter's Mutter
fügte hinzu, die Großmutter habe vor lauter Sorge, sie
werde zu bald fertig damit, nur ein einziges Brödchen essen
wollen, gestern und heut' zusammen, und sie käme gewiß
noch ziemlich zu Kräften, wenn sie so acht Tage lang hinter¬
einander jeden Tag eines essen wollte. Heidi hörte der
Brigitte mit Aufmerksamkeit zu und blieb jetzt noch eine
Zeit lang nachdenklich. Nun hatte es seinen Weg gefun¬
den. "Ich weiß schon, was ich mache, Großmutter", sagte
es in freudigem Eifer, "ich schreibe der Klara einen Brief
und dann schickt sie mir gewiß noch einmal so viele Bröd¬
chen, wie da sind, oder zweimal, denn ich hatte schon einen
großen Haufen ganz gleiche im Kasten, und als man mir
sie weggenommen hatte, sagte Klara, sie gebe mir gerade
so viele wieder, und das thut sie schon."

gleich Nachmittags mit Heidi ausziehen zu können, und ſo
ſah nun Alles ringsherum gut und zu ſeiner Zufriedenheit
aus. Bei der Gaißenpeter-Hütte trennten ſie ſich, und
Heidi ſprang herein. Schon hatte die Großmutter ſeinen
Schritt gehört und rief ihm liebevoll entgegen: „Kommſt
du, Kind? Kommſt du wieder?“

Dann erfaßte ſie Heidi's Hand und hielt ſie ganz feſt,
denn immer noch fürchtete ſie, das Kind könnte ihr wieder
entriſſen werden. Und nun mußte die Großmutter er¬
zählen, wie die Brödchen geſchmeckt hätten, und ſie ſagte,
ſie habe ſich ſo daran erlabt, daß ſie meine, ſie ſei heute
viel kräftiger, als lange nicht mehr, und Peter's Mutter
fügte hinzu, die Großmutter habe vor lauter Sorge, ſie
werde zu bald fertig damit, nur ein einziges Brödchen eſſen
wollen, geſtern und heut' zuſammen, und ſie käme gewiß
noch ziemlich zu Kräften, wenn ſie ſo acht Tage lang hinter¬
einander jeden Tag eines eſſen wollte. Heidi hörte der
Brigitte mit Aufmerkſamkeit zu und blieb jetzt noch eine
Zeit lang nachdenklich. Nun hatte es ſeinen Weg gefun¬
den. „Ich weiß ſchon, was ich mache, Großmutter“, ſagte
es in freudigem Eifer, „ich ſchreibe der Klara einen Brief
und dann ſchickt ſie mir gewiß noch einmal ſo viele Bröd¬
chen, wie da ſind, oder zweimal, denn ich hatte ſchon einen
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[220/0230] gleich Nachmittags mit Heidi ausziehen zu können, und ſo ſah nun Alles ringsherum gut und zu ſeiner Zufriedenheit aus. Bei der Gaißenpeter-Hütte trennten ſie ſich, und Heidi ſprang herein. Schon hatte die Großmutter ſeinen Schritt gehört und rief ihm liebevoll entgegen: „Kommſt du, Kind? Kommſt du wieder?“ Dann erfaßte ſie Heidi's Hand und hielt ſie ganz feſt, denn immer noch fürchtete ſie, das Kind könnte ihr wieder entriſſen werden. Und nun mußte die Großmutter er¬ zählen, wie die Brödchen geſchmeckt hätten, und ſie ſagte, ſie habe ſich ſo daran erlabt, daß ſie meine, ſie ſei heute viel kräftiger, als lange nicht mehr, und Peter's Mutter fügte hinzu, die Großmutter habe vor lauter Sorge, ſie werde zu bald fertig damit, nur ein einziges Brödchen eſſen wollen, geſtern und heut' zuſammen, und ſie käme gewiß noch ziemlich zu Kräften, wenn ſie ſo acht Tage lang hinter¬ einander jeden Tag eines eſſen wollte. Heidi hörte der Brigitte mit Aufmerkſamkeit zu und blieb jetzt noch eine Zeit lang nachdenklich. Nun hatte es ſeinen Weg gefun¬ den. „Ich weiß ſchon, was ich mache, Großmutter“, ſagte es in freudigem Eifer, „ich ſchreibe der Klara einen Brief und dann ſchickt ſie mir gewiß noch einmal ſo viele Bröd¬ chen, wie da ſind, oder zweimal, denn ich hatte ſchon einen großen Haufen ganz gleiche im Kaſten, und als man mir ſie weggenommen hatte, ſagte Klara, ſie gebe mir gerade ſo viele wieder, und das thut ſie ſchon.“

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Zitationshilfe: Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/230>, abgerufen am 28.03.2024.