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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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durch ihre Maßregeln zu einer bestimmten und nachweisbaren Sache
und dadurch ihn vor Gericht verfolgbar zu machen. Das Verwaltungs-
recht des geistigen Erwerbes ist daher gar nichts anderes, als die Auf-
stellung und Organisirung des Eigenthumsrechts am wirth-
schaftlichen Werthe
einer geistigen Produktion, wie das
Pfandrecht das Eigenthumsrecht an dem Werthe eines wirthschaftlichen
Gutes enthält, oder die durch Verwaltungsmaßregeln gesicherte Aus-
dehnung des Werthrechts oder die Gebiete des geistigen Lebens. Und
diese Aufgabe hat nun eine doppelte Gestalt: für die geistigen Werke,
oder das sogenannte literarische Eigenthum, und für die Erfin-
dungen
mit dem Patentrecht, dem Musterschutz und dem Markenrecht.

Es ist wohl sehr schwierig, das Gebiet in überzeugender Weise zu behan-
deln, so lange man in der Rechtswissenschaft nicht als Grundlage das Eigen-
thumsrecht besitzt, Gebrauch und Werth als selbständige Momente des Eigen-
thums anerkennt, die ihrerseits wieder fähig sind, selbständige Gegenstände des
Eigenthums werden zu können. Allein es gibt keinen andern Weg zu einem
definitiven und klaren Resultate zu gelangen. Die bisherige Literatur hat sich
dabei stets auf dem Standpunkt gehalten, jene Gebiete des literarischen Eigen-
thums und der Erfindungen getrennt, ohne Bewußtsein ihres Zusammen-
gehörens, zu bearbeiten. Es fehlt daher schon der allein richtige Ausgangs-
punkt, eben so sehr, wie die Stellung der ganzen Lehre im System der Staats-
wissenschaft. Das Folgende muß sich daher auf die einfachsten Grundlagen
beschränken.

1) Das literarische Eigenthum und das Nachdrucksrecht.

Es ist wohl durchaus unmöglich, zum Begriff und Wesen des lite-
rarischen Rechts zu gelangen, wenn man nicht die des Sachenrechts
zum Grunde legt.

Es ist ganz richtig, daß die geistige Schöpfung an sich kein Eigen-
thum sein kann, da sie keine Sache ist. Allein in ihrer Erscheinung
wird sie Sache. Als solche ist sie das Manuscript, die Zeichnung etc.
So wie sie das ist, empfängt sie die Momente derselben; sie läßt einen
Besitz (das Manuscript), sie läßt einen Gebrauch (zum Setzen, Drucken,
Lesen etc.), sie läßt einen Werth (im Honorar), sie läßt ein Erbrecht
und eine Verjährung (schriftstellerisches Erbrecht), ja sie läßt den Ver-
kehr (im Verlagsvertrage) zu. So wird die geistige Produktion ein
sachliches Eigenthum.

Allein sie ist zugleich ein Gut. Sie wird nicht bloß erzeugt durch
die Arbeit des Geistes aus geistigem Stoff und consumirt, sondern sie
hat auch einen wirthschaftlichen Werth, und wird dadurch die
Grundlage des wirthschaftlichen Einkommens, da das Honorar als

durch ihre Maßregeln zu einer beſtimmten und nachweisbaren Sache
und dadurch ihn vor Gericht verfolgbar zu machen. Das Verwaltungs-
recht des geiſtigen Erwerbes iſt daher gar nichts anderes, als die Auf-
ſtellung und Organiſirung des Eigenthumsrechts am wirth-
ſchaftlichen Werthe
einer geiſtigen Produktion, wie das
Pfandrecht das Eigenthumsrecht an dem Werthe eines wirthſchaftlichen
Gutes enthält, oder die durch Verwaltungsmaßregeln geſicherte Aus-
dehnung des Werthrechts oder die Gebiete des geiſtigen Lebens. Und
dieſe Aufgabe hat nun eine doppelte Geſtalt: für die geiſtigen Werke,
oder das ſogenannte literariſche Eigenthum, und für die Erfin-
dungen
mit dem Patentrecht, dem Muſterſchutz und dem Markenrecht.

Es iſt wohl ſehr ſchwierig, das Gebiet in überzeugender Weiſe zu behan-
deln, ſo lange man in der Rechtswiſſenſchaft nicht als Grundlage das Eigen-
thumsrecht beſitzt, Gebrauch und Werth als ſelbſtändige Momente des Eigen-
thums anerkennt, die ihrerſeits wieder fähig ſind, ſelbſtändige Gegenſtände des
Eigenthums werden zu können. Allein es gibt keinen andern Weg zu einem
definitiven und klaren Reſultate zu gelangen. Die bisherige Literatur hat ſich
dabei ſtets auf dem Standpunkt gehalten, jene Gebiete des literariſchen Eigen-
thums und der Erfindungen getrennt, ohne Bewußtſein ihres Zuſammen-
gehörens, zu bearbeiten. Es fehlt daher ſchon der allein richtige Ausgangs-
punkt, eben ſo ſehr, wie die Stellung der ganzen Lehre im Syſtem der Staats-
wiſſenſchaft. Das Folgende muß ſich daher auf die einfachſten Grundlagen
beſchränken.

1) Das literariſche Eigenthum und das Nachdrucksrecht.

Es iſt wohl durchaus unmöglich, zum Begriff und Weſen des lite-
rariſchen Rechts zu gelangen, wenn man nicht die des Sachenrechts
zum Grunde legt.

Es iſt ganz richtig, daß die geiſtige Schöpfung an ſich kein Eigen-
thum ſein kann, da ſie keine Sache iſt. Allein in ihrer Erſcheinung
wird ſie Sache. Als ſolche iſt ſie das Manuſcript, die Zeichnung ꝛc.
So wie ſie das iſt, empfängt ſie die Momente derſelben; ſie läßt einen
Beſitz (das Manuſcript), ſie läßt einen Gebrauch (zum Setzen, Drucken,
Leſen ꝛc.), ſie läßt einen Werth (im Honorar), ſie läßt ein Erbrecht
und eine Verjährung (ſchriftſtelleriſches Erbrecht), ja ſie läßt den Ver-
kehr (im Verlagsvertrage) zu. So wird die geiſtige Produktion ein
ſachliches Eigenthum.

Allein ſie iſt zugleich ein Gut. Sie wird nicht bloß erzeugt durch
die Arbeit des Geiſtes aus geiſtigem Stoff und conſumirt, ſondern ſie
hat auch einen wirthſchaftlichen Werth, und wird dadurch die
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[384/0408] durch ihre Maßregeln zu einer beſtimmten und nachweisbaren Sache und dadurch ihn vor Gericht verfolgbar zu machen. Das Verwaltungs- recht des geiſtigen Erwerbes iſt daher gar nichts anderes, als die Auf- ſtellung und Organiſirung des Eigenthumsrechts am wirth- ſchaftlichen Werthe einer geiſtigen Produktion, wie das Pfandrecht das Eigenthumsrecht an dem Werthe eines wirthſchaftlichen Gutes enthält, oder die durch Verwaltungsmaßregeln geſicherte Aus- dehnung des Werthrechts oder die Gebiete des geiſtigen Lebens. Und dieſe Aufgabe hat nun eine doppelte Geſtalt: für die geiſtigen Werke, oder das ſogenannte literariſche Eigenthum, und für die Erfin- dungen mit dem Patentrecht, dem Muſterſchutz und dem Markenrecht. Es iſt wohl ſehr ſchwierig, das Gebiet in überzeugender Weiſe zu behan- deln, ſo lange man in der Rechtswiſſenſchaft nicht als Grundlage das Eigen- thumsrecht beſitzt, Gebrauch und Werth als ſelbſtändige Momente des Eigen- thums anerkennt, die ihrerſeits wieder fähig ſind, ſelbſtändige Gegenſtände des Eigenthums werden zu können. Allein es gibt keinen andern Weg zu einem definitiven und klaren Reſultate zu gelangen. Die bisherige Literatur hat ſich dabei ſtets auf dem Standpunkt gehalten, jene Gebiete des literariſchen Eigen- thums und der Erfindungen getrennt, ohne Bewußtſein ihres Zuſammen- gehörens, zu bearbeiten. Es fehlt daher ſchon der allein richtige Ausgangs- punkt, eben ſo ſehr, wie die Stellung der ganzen Lehre im Syſtem der Staats- wiſſenſchaft. Das Folgende muß ſich daher auf die einfachſten Grundlagen beſchränken. 1) Das literariſche Eigenthum und das Nachdrucksrecht. Es iſt wohl durchaus unmöglich, zum Begriff und Weſen des lite- rariſchen Rechts zu gelangen, wenn man nicht die des Sachenrechts zum Grunde legt. Es iſt ganz richtig, daß die geiſtige Schöpfung an ſich kein Eigen- thum ſein kann, da ſie keine Sache iſt. Allein in ihrer Erſcheinung wird ſie Sache. Als ſolche iſt ſie das Manuſcript, die Zeichnung ꝛc. So wie ſie das iſt, empfängt ſie die Momente derſelben; ſie läßt einen Beſitz (das Manuſcript), ſie läßt einen Gebrauch (zum Setzen, Drucken, Leſen ꝛc.), ſie läßt einen Werth (im Honorar), ſie läßt ein Erbrecht und eine Verjährung (ſchriftſtelleriſches Erbrecht), ja ſie läßt den Ver- kehr (im Verlagsvertrage) zu. So wird die geiſtige Produktion ein ſachliches Eigenthum. Allein ſie iſt zugleich ein Gut. Sie wird nicht bloß erzeugt durch die Arbeit des Geiſtes aus geiſtigem Stoff und conſumirt, ſondern ſie hat auch einen wirthſchaftlichen Werth, und wird dadurch die Grundlage des wirthſchaftlichen Einkommens, da das Honorar als

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/408>, abgerufen am 28.03.2024.