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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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durchaus rationell, denselben mit dem Grundstück, dem er angehört,
auch in die Grundbücher eintragen zu lassen und ihm damit das
Recht des Grundbuchs in Beziehung auf Eigenthum und Besitz zu
geben. Die Natur dieses Gebrauches bringt es dann mit sich, daß er
selbst den bereits von einem Andern erworbenen Gebrauch an demselben
Wasser nicht störe und ausschließe. Ist er aber erworben, so gilt für
ihn wie für jedes erworbene Recht der Grundsatz, daß wenn das öffent-
liche Interesse eine Aufhebung jenes Rechts fordert, dafür die Enteig-
nung nach den allgemeinen Grundsätzen einzutreten hat. An das
Eigenthum und das Grundbuch des fließenden Wassers schließt sich
daher das Princip der Wasserenteignung. Alle diese Sätze scheinen
klar zu sein.

Fraglich wird das System des Privatwasserrechts nur da, wo
das fließende Wasser der Art ist, um neben dem Einzelgebrauch auch
einen öffentlichen Gebrauch zuzulassen. Offenbar ist ein jedes Wasser,
welches für alle einen Gebrauch zuläßt, seiner Natur nach unfähig,
ein Privateigenthum zu werden. Das ist der Begriff des flumen publi-
cum
des römischen Rechts, den die germanische Rechtsbildung dahin
bestimmte, daß die schiff- und flößbaren Wasser öffentliches Eigen-
thum seien und als solche dem öffentlichen Wasserrecht unterstehen.
Dieser an sich einfache Satz wird nun durch das Princip der Grund-
herrlichkeit gebrochen, indem dieselbe aus dem Obereigenthum an dem
ganzen Ufer das Eigenthumsrecht auch an dem öffentlichen Gebrauche
des Wassers ableitete. Das ist das Rechtsprincip des grundherr-
lichen
Wasserrechts, dessen Inhalt und Entwicklung dann das deutsche
Privatrecht
gegeben hat.

Die Geschichte des Wasserrechts zeigt nun den Kampf und Sieg
der Idee des öffentlichen Interesses mit diesem grundherrlichen Wasser-
recht zuerst in der Idee des Wasserregals, und dann in der seit
dem siebenzehnten Jahrhundert entstehenden Wassergesetzgebung.
Der schließliche Inhalt dieser Bewegung ist der Uebergang aller eigent-
lich grundherrlichen Wasserrechte an die Verwaltung. Auf diese Weise
haben sich mit dem neunzehnten Jahrhundert die beiden Kategorien des
Privat- und des öffentlichen Wasserrechts der Sache nach festgestellt,
wenn auch in der theoretischen Form namentlich dadurch viel Unsicher-
heit hineingekommen ist, daß entweder das römische Recht mit seinen
Begriffen, die es höchstens bis zur Wasserpolizei bringen, für die ganze
Lehre vom Wasserrecht zum Grunde gelegt, oder das deutsche Privat-
recht, das nur historische Rechtsbildungen kennt, als einfacher und
unerkannter Gegensatz des römischen Rechts angenommen wurde. So
wie aber die Verwaltungslehre ihren Platz findet, so ergibt sich sofort,

durchaus rationell, denſelben mit dem Grundſtück, dem er angehört,
auch in die Grundbücher eintragen zu laſſen und ihm damit das
Recht des Grundbuchs in Beziehung auf Eigenthum und Beſitz zu
geben. Die Natur dieſes Gebrauches bringt es dann mit ſich, daß er
ſelbſt den bereits von einem Andern erworbenen Gebrauch an demſelben
Waſſer nicht ſtöre und ausſchließe. Iſt er aber erworben, ſo gilt für
ihn wie für jedes erworbene Recht der Grundſatz, daß wenn das öffent-
liche Intereſſe eine Aufhebung jenes Rechts fordert, dafür die Enteig-
nung nach den allgemeinen Grundſätzen einzutreten hat. An das
Eigenthum und das Grundbuch des fließenden Waſſers ſchließt ſich
daher das Princip der Waſſerenteignung. Alle dieſe Sätze ſcheinen
klar zu ſein.

Fraglich wird das Syſtem des Privatwaſſerrechts nur da, wo
das fließende Waſſer der Art iſt, um neben dem Einzelgebrauch auch
einen öffentlichen Gebrauch zuzulaſſen. Offenbar iſt ein jedes Waſſer,
welches für alle einen Gebrauch zuläßt, ſeiner Natur nach unfähig,
ein Privateigenthum zu werden. Das iſt der Begriff des flumen publi-
cum
des römiſchen Rechts, den die germaniſche Rechtsbildung dahin
beſtimmte, daß die ſchiff- und flößbaren Waſſer öffentliches Eigen-
thum ſeien und als ſolche dem öffentlichen Waſſerrecht unterſtehen.
Dieſer an ſich einfache Satz wird nun durch das Princip der Grund-
herrlichkeit gebrochen, indem dieſelbe aus dem Obereigenthum an dem
ganzen Ufer das Eigenthumsrecht auch an dem öffentlichen Gebrauche
des Waſſers ableitete. Das iſt das Rechtsprincip des grundherr-
lichen
Waſſerrechts, deſſen Inhalt und Entwicklung dann das deutſche
Privatrecht
gegeben hat.

Die Geſchichte des Waſſerrechts zeigt nun den Kampf und Sieg
der Idee des öffentlichen Intereſſes mit dieſem grundherrlichen Waſſer-
recht zuerſt in der Idee des Waſſerregals, und dann in der ſeit
dem ſiebenzehnten Jahrhundert entſtehenden Waſſergeſetzgebung.
Der ſchließliche Inhalt dieſer Bewegung iſt der Uebergang aller eigent-
lich grundherrlichen Waſſerrechte an die Verwaltung. Auf dieſe Weiſe
haben ſich mit dem neunzehnten Jahrhundert die beiden Kategorien des
Privat- und des öffentlichen Waſſerrechts der Sache nach feſtgeſtellt,
wenn auch in der theoretiſchen Form namentlich dadurch viel Unſicher-
heit hineingekommen iſt, daß entweder das römiſche Recht mit ſeinen
Begriffen, die es höchſtens bis zur Waſſerpolizei bringen, für die ganze
Lehre vom Waſſerrecht zum Grunde gelegt, oder das deutſche Privat-
recht, das nur hiſtoriſche Rechtsbildungen kennt, als einfacher und
unerkannter Gegenſatz des römiſchen Rechts angenommen wurde. So
wie aber die Verwaltungslehre ihren Platz findet, ſo ergibt ſich ſofort,

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[158/0182] durchaus rationell, denſelben mit dem Grundſtück, dem er angehört, auch in die Grundbücher eintragen zu laſſen und ihm damit das Recht des Grundbuchs in Beziehung auf Eigenthum und Beſitz zu geben. Die Natur dieſes Gebrauches bringt es dann mit ſich, daß er ſelbſt den bereits von einem Andern erworbenen Gebrauch an demſelben Waſſer nicht ſtöre und ausſchließe. Iſt er aber erworben, ſo gilt für ihn wie für jedes erworbene Recht der Grundſatz, daß wenn das öffent- liche Intereſſe eine Aufhebung jenes Rechts fordert, dafür die Enteig- nung nach den allgemeinen Grundſätzen einzutreten hat. An das Eigenthum und das Grundbuch des fließenden Waſſers ſchließt ſich daher das Princip der Waſſerenteignung. Alle dieſe Sätze ſcheinen klar zu ſein. Fraglich wird das Syſtem des Privatwaſſerrechts nur da, wo das fließende Waſſer der Art iſt, um neben dem Einzelgebrauch auch einen öffentlichen Gebrauch zuzulaſſen. Offenbar iſt ein jedes Waſſer, welches für alle einen Gebrauch zuläßt, ſeiner Natur nach unfähig, ein Privateigenthum zu werden. Das iſt der Begriff des flumen publi- cum des römiſchen Rechts, den die germaniſche Rechtsbildung dahin beſtimmte, daß die ſchiff- und flößbaren Waſſer öffentliches Eigen- thum ſeien und als ſolche dem öffentlichen Waſſerrecht unterſtehen. Dieſer an ſich einfache Satz wird nun durch das Princip der Grund- herrlichkeit gebrochen, indem dieſelbe aus dem Obereigenthum an dem ganzen Ufer das Eigenthumsrecht auch an dem öffentlichen Gebrauche des Waſſers ableitete. Das iſt das Rechtsprincip des grundherr- lichen Waſſerrechts, deſſen Inhalt und Entwicklung dann das deutſche Privatrecht gegeben hat. Die Geſchichte des Waſſerrechts zeigt nun den Kampf und Sieg der Idee des öffentlichen Intereſſes mit dieſem grundherrlichen Waſſer- recht zuerſt in der Idee des Waſſerregals, und dann in der ſeit dem ſiebenzehnten Jahrhundert entſtehenden Waſſergeſetzgebung. Der ſchließliche Inhalt dieſer Bewegung iſt der Uebergang aller eigent- lich grundherrlichen Waſſerrechte an die Verwaltung. Auf dieſe Weiſe haben ſich mit dem neunzehnten Jahrhundert die beiden Kategorien des Privat- und des öffentlichen Waſſerrechts der Sache nach feſtgeſtellt, wenn auch in der theoretiſchen Form namentlich dadurch viel Unſicher- heit hineingekommen iſt, daß entweder das römiſche Recht mit ſeinen Begriffen, die es höchſtens bis zur Waſſerpolizei bringen, für die ganze Lehre vom Waſſerrecht zum Grunde gelegt, oder das deutſche Privat- recht, das nur hiſtoriſche Rechtsbildungen kennt, als einfacher und unerkannter Gegenſatz des römiſchen Rechts angenommen wurde. So wie aber die Verwaltungslehre ihren Platz findet, ſo ergibt ſich ſofort,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/182>, abgerufen am 25.04.2024.