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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Dritter Theil.
Das Umlaufswesen. Begriff und Inhalt.

Der Umlauf schließt sich nun unmittelbar an den Verkehr, aber
als selbständiger Theil der wirthschaftlichen Bewegung. Der Umlauf
ist seinem Begriffe nach derjenige Akt, durch welchen die im Verkehr
örtlich bewegten Personen- und Güterverhältnisse aus dem wirthschaft-
lichen Leben des Einen in das des Andern übertragen werden. Der
Umlauf als rechtlicher Akt ist der Vertrag; sein wirthschaftlicher Inhalt
ist die Verwirklichung des Gewinnes, den der Verkehr beabsichtigt.
Der Umlauf ist daher zunächst ein rein nationalökonomischer Proceß
und ein Verhalten, das an und für sich rein dem Einzelnen gehört.

Dennoch hat er Eine Bedingung, welche der Einzelne nicht her-
stellen kann, wenigstens nicht ohne eine mit dem Gewinne in keinem
Verhältniß stehende Anstrengung. Das ist die Sicherheit für das rich-
tige Maß in Gut und Werth bei den Leistungen. Diese Sicherheit
kann nur gegeben werden, indem das Maß objektiv feststeht und der
subjektiven Willkür entgegen ist. Diese zur objektiven Geltung gelangende
Bestimmung des festen Maßes kann nun weder die Selbstverwaltung
noch der Verein geben, weil sie für alle Umlaufsverhältnisse in gleicher
Weise gelten soll. Sie muß durch das Gesetz des Staats aufgestellt
und durch die Verwaltung desselben durchgeführt werden, und die
Gesammtheit der darauf bezüglichen Bestimmungen und Maßregeln
bilden nun das, was wir im Sinne der Verwaltung das Umlaufs-
wesen
nennen.

Dieses Umlaufswesen hat nun, nach dem Wesen des Gutes, einen
doppelten Inhalt. Es bezieht sich zuerst auf das Gut für sich und
erscheint hier als Gütermaß im Maß- und Gewichtssystem; dann
bezieht es sich auf den Werth im System der Münze und des Papier-
geldes. Mit dem letzteren geht es in das Creditwesen über, dem auch
die Frage nach den Werthpapieren angehört.

Das Umlaufswesen ist nun an sich so nothwendig und natürlich,
daß es als öffentliches Recht fast mit dem Entstehen der menschlichen
Einigung überhaupt entsteht. Dennoch ist es weder praktisch noch theo-
retisch zum Abschluß gebracht. Das beruht darauf, daß dieser Abschluß
nicht etwa in dem Finden dieses oder jenes Systems, sondern in der
einheitlichen Gültigkeit derselben Größenmaße und Grundsätze
für den ganzen Weltverkehr
liegt. Die Geschichte des Umlaufs-
wesens ist aber nichts anderes, als der allerdings höchst langsame und
zugleich bei dem Maß- und Geldwesen sehr verschieden verlaufende

Dritter Theil.
Das Umlaufsweſen. Begriff und Inhalt.

Der Umlauf ſchließt ſich nun unmittelbar an den Verkehr, aber
als ſelbſtändiger Theil der wirthſchaftlichen Bewegung. Der Umlauf
iſt ſeinem Begriffe nach derjenige Akt, durch welchen die im Verkehr
örtlich bewegten Perſonen- und Güterverhältniſſe aus dem wirthſchaft-
lichen Leben des Einen in das des Andern übertragen werden. Der
Umlauf als rechtlicher Akt iſt der Vertrag; ſein wirthſchaftlicher Inhalt
iſt die Verwirklichung des Gewinnes, den der Verkehr beabſichtigt.
Der Umlauf iſt daher zunächſt ein rein nationalökonomiſcher Proceß
und ein Verhalten, das an und für ſich rein dem Einzelnen gehört.

Dennoch hat er Eine Bedingung, welche der Einzelne nicht her-
ſtellen kann, wenigſtens nicht ohne eine mit dem Gewinne in keinem
Verhältniß ſtehende Anſtrengung. Das iſt die Sicherheit für das rich-
tige Maß in Gut und Werth bei den Leiſtungen. Dieſe Sicherheit
kann nur gegeben werden, indem das Maß objektiv feſtſteht und der
ſubjektiven Willkür entgegen iſt. Dieſe zur objektiven Geltung gelangende
Beſtimmung des feſten Maßes kann nun weder die Selbſtverwaltung
noch der Verein geben, weil ſie für alle Umlaufsverhältniſſe in gleicher
Weiſe gelten ſoll. Sie muß durch das Geſetz des Staats aufgeſtellt
und durch die Verwaltung deſſelben durchgeführt werden, und die
Geſammtheit der darauf bezüglichen Beſtimmungen und Maßregeln
bilden nun das, was wir im Sinne der Verwaltung das Umlaufs-
weſen
nennen.

Dieſes Umlaufsweſen hat nun, nach dem Weſen des Gutes, einen
doppelten Inhalt. Es bezieht ſich zuerſt auf das Gut für ſich und
erſcheint hier als Gütermaß im Maß- und Gewichtsſyſtem; dann
bezieht es ſich auf den Werth im Syſtem der Münze und des Papier-
geldes. Mit dem letzteren geht es in das Creditweſen über, dem auch
die Frage nach den Werthpapieren angehört.

Das Umlaufsweſen iſt nun an ſich ſo nothwendig und natürlich,
daß es als öffentliches Recht faſt mit dem Entſtehen der menſchlichen
Einigung überhaupt entſteht. Dennoch iſt es weder praktiſch noch theo-
retiſch zum Abſchluß gebracht. Das beruht darauf, daß dieſer Abſchluß
nicht etwa in dem Finden dieſes oder jenes Syſtems, ſondern in der
einheitlichen Gültigkeit derſelben Größenmaße und Grundſätze
für den ganzen Weltverkehr
liegt. Die Geſchichte des Umlaufs-
weſens iſt aber nichts anderes, als der allerdings höchſt langſame und
zugleich bei dem Maß- und Geldweſen ſehr verſchieden verlaufende

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[224/0248] Dritter Theil. Das Umlaufsweſen. Begriff und Inhalt. Der Umlauf ſchließt ſich nun unmittelbar an den Verkehr, aber als ſelbſtändiger Theil der wirthſchaftlichen Bewegung. Der Umlauf iſt ſeinem Begriffe nach derjenige Akt, durch welchen die im Verkehr örtlich bewegten Perſonen- und Güterverhältniſſe aus dem wirthſchaft- lichen Leben des Einen in das des Andern übertragen werden. Der Umlauf als rechtlicher Akt iſt der Vertrag; ſein wirthſchaftlicher Inhalt iſt die Verwirklichung des Gewinnes, den der Verkehr beabſichtigt. Der Umlauf iſt daher zunächſt ein rein nationalökonomiſcher Proceß und ein Verhalten, das an und für ſich rein dem Einzelnen gehört. Dennoch hat er Eine Bedingung, welche der Einzelne nicht her- ſtellen kann, wenigſtens nicht ohne eine mit dem Gewinne in keinem Verhältniß ſtehende Anſtrengung. Das iſt die Sicherheit für das rich- tige Maß in Gut und Werth bei den Leiſtungen. Dieſe Sicherheit kann nur gegeben werden, indem das Maß objektiv feſtſteht und der ſubjektiven Willkür entgegen iſt. Dieſe zur objektiven Geltung gelangende Beſtimmung des feſten Maßes kann nun weder die Selbſtverwaltung noch der Verein geben, weil ſie für alle Umlaufsverhältniſſe in gleicher Weiſe gelten ſoll. Sie muß durch das Geſetz des Staats aufgeſtellt und durch die Verwaltung deſſelben durchgeführt werden, und die Geſammtheit der darauf bezüglichen Beſtimmungen und Maßregeln bilden nun das, was wir im Sinne der Verwaltung das Umlaufs- weſen nennen. Dieſes Umlaufsweſen hat nun, nach dem Weſen des Gutes, einen doppelten Inhalt. Es bezieht ſich zuerſt auf das Gut für ſich und erſcheint hier als Gütermaß im Maß- und Gewichtsſyſtem; dann bezieht es ſich auf den Werth im Syſtem der Münze und des Papier- geldes. Mit dem letzteren geht es in das Creditweſen über, dem auch die Frage nach den Werthpapieren angehört. Das Umlaufsweſen iſt nun an ſich ſo nothwendig und natürlich, daß es als öffentliches Recht faſt mit dem Entſtehen der menſchlichen Einigung überhaupt entſteht. Dennoch iſt es weder praktiſch noch theo- retiſch zum Abſchluß gebracht. Das beruht darauf, daß dieſer Abſchluß nicht etwa in dem Finden dieſes oder jenes Syſtems, ſondern in der einheitlichen Gültigkeit derſelben Größenmaße und Grundſätze für den ganzen Weltverkehr liegt. Die Geſchichte des Umlaufs- weſens iſt aber nichts anderes, als der allerdings höchſt langſame und zugleich bei dem Maß- und Geldweſen ſehr verſchieden verlaufende

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/248>, abgerufen am 20.04.2024.