Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Störung des Werthes hervorruft. Grundgewicht und Münzfuß sowie
die Stückelung sind an sich gleichgültig, und gewinnen erst Bedeutung,
wo der Weltverkehr die Münzsysteme der Völker in allgemeine Berüh-
rung bringt. Die Scheidemünze behält unter allen Umständen den
Charakter einer örtlichen Münze.

Mit diesen an sich höchst einfachen Begriffen wäre nun das ganze
Münzwesen rein der ausführenden Technik der Münzämter überwiesen,
wenn sich nicht im Laufe der Geschichte zwei Fragen ergeben hätten,
durch welche eigentlich die Welt erst zum Bewußtsein der hohen Be-
deutung des Münzwesens gekommen ist.

1) Offenbar ist die Voraussetzung jeder Geltung der Münze die
Prägung. Daraus ist auf den unteren Stufen der wirthschaftlichen
Bildung die Meinung entstanden, daß es auch die Prägung sei, welche
der Münze den Werth gebe. Die Consequenz davon war der Versuch
der Regierungen, bei eintretendem Geldmangel den Münzfuß zu ändern,
und theils zwar offen, indem man das Grundgewicht in mehr Theile
theilte, aber der so entstandenen leichteren Hauptmünze den Werth der
schwereren gesetzlich beilegte, obwohl sie ihn faktisch nicht hatte; theils
heimlich, indem man ohne Gesetz mehr Münzen aus dem Grundgewicht
schlug, als der Münzfuß zuließ. Damit begann jener merkwürdige
Kampf der Regierungen mit der höheren Natur des Geldes. Die
letztere ließ sich aber nicht bewältigen. Der Verkehr, der ohne einen
festen Maßstab des Werthes nicht bestehen kann, ließ die gesetzlichen
Werthbestimmungen der Münze fallen, und berechnete sie sofort durch
Reducirung ihres wirklichen Feingehalts auf das Grundgewicht nur
nach dem letzteren, während da, wo einmal ein leichter Münzfuß ge-
setzlich eingeführt war, und der alte Name der Hauptmünze daher auch
für die neue leichtere Münze blieb, der Nominalpreis der Güter stieg,
während ihr Werth der gleiche blieb. So gewannen die Regierungen
nichts, da sie immer mindestens dasselbe Quantum edler Metalle,
wenn auch in anderer Form, zahlen mußten; der Verkehr aber verlor
die Sicherheit seines Werthmaßstabes, und der Nachtheil dieses Ver-
lustes war für das Gesammtleben ein so großer, daß endlich mit unserem
Jahrhundert die absolute Unverletzlichkeit der höchstmöglichen
Genauigkeit
der Ausbringung für alle europäischen Staaten feststeht.
Die Geschichte des Münzwesens ist bis auf die neueste Zeit fast nur
die Geschichte dieses merkwürdigen Kampfes zwischen Staat und National-
ökonomie, in welchem die letztere den entschiedenen Sieg davon trägt.

Aus demselben Princip ist mit dem neunzehnten Jahrhundert der
Schlagschatz aufgehoben; die Gestehungskosten der Münze sind jetzt
Verwaltungskosten, da der Werth der absolut genauen Ausbringung

Störung des Werthes hervorruft. Grundgewicht und Münzfuß ſowie
die Stückelung ſind an ſich gleichgültig, und gewinnen erſt Bedeutung,
wo der Weltverkehr die Münzſyſteme der Völker in allgemeine Berüh-
rung bringt. Die Scheidemünze behält unter allen Umſtänden den
Charakter einer örtlichen Münze.

Mit dieſen an ſich höchſt einfachen Begriffen wäre nun das ganze
Münzweſen rein der ausführenden Technik der Münzämter überwieſen,
wenn ſich nicht im Laufe der Geſchichte zwei Fragen ergeben hätten,
durch welche eigentlich die Welt erſt zum Bewußtſein der hohen Be-
deutung des Münzweſens gekommen iſt.

1) Offenbar iſt die Vorausſetzung jeder Geltung der Münze die
Prägung. Daraus iſt auf den unteren Stufen der wirthſchaftlichen
Bildung die Meinung entſtanden, daß es auch die Prägung ſei, welche
der Münze den Werth gebe. Die Conſequenz davon war der Verſuch
der Regierungen, bei eintretendem Geldmangel den Münzfuß zu ändern,
und theils zwar offen, indem man das Grundgewicht in mehr Theile
theilte, aber der ſo entſtandenen leichteren Hauptmünze den Werth der
ſchwereren geſetzlich beilegte, obwohl ſie ihn faktiſch nicht hatte; theils
heimlich, indem man ohne Geſetz mehr Münzen aus dem Grundgewicht
ſchlug, als der Münzfuß zuließ. Damit begann jener merkwürdige
Kampf der Regierungen mit der höheren Natur des Geldes. Die
letztere ließ ſich aber nicht bewältigen. Der Verkehr, der ohne einen
feſten Maßſtab des Werthes nicht beſtehen kann, ließ die geſetzlichen
Werthbeſtimmungen der Münze fallen, und berechnete ſie ſofort durch
Reducirung ihres wirklichen Feingehalts auf das Grundgewicht nur
nach dem letzteren, während da, wo einmal ein leichter Münzfuß ge-
ſetzlich eingeführt war, und der alte Name der Hauptmünze daher auch
für die neue leichtere Münze blieb, der Nominalpreis der Güter ſtieg,
während ihr Werth der gleiche blieb. So gewannen die Regierungen
nichts, da ſie immer mindeſtens daſſelbe Quantum edler Metalle,
wenn auch in anderer Form, zahlen mußten; der Verkehr aber verlor
die Sicherheit ſeines Werthmaßſtabes, und der Nachtheil dieſes Ver-
luſtes war für das Geſammtleben ein ſo großer, daß endlich mit unſerem
Jahrhundert die abſolute Unverletzlichkeit der höchſtmöglichen
Genauigkeit
der Ausbringung für alle europäiſchen Staaten feſtſteht.
Die Geſchichte des Münzweſens iſt bis auf die neueſte Zeit faſt nur
die Geſchichte dieſes merkwürdigen Kampfes zwiſchen Staat und National-
ökonomie, in welchem die letztere den entſchiedenen Sieg davon trägt.

Aus demſelben Princip iſt mit dem neunzehnten Jahrhundert der
Schlagſchatz aufgehoben; die Geſtehungskoſten der Münze ſind jetzt
Verwaltungskoſten, da der Werth der abſolut genauen Ausbringung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0256" n="232"/>
Störung des Werthes hervorruft. Grundgewicht und Münzfuß &#x017F;owie<lb/>
die Stückelung &#x017F;ind an &#x017F;ich gleichgültig, und gewinnen er&#x017F;t Bedeutung,<lb/>
wo der Weltverkehr die Münz&#x017F;y&#x017F;teme der Völker in allgemeine Berüh-<lb/>
rung bringt. Die Scheidemünze behält unter allen Um&#x017F;tänden den<lb/>
Charakter einer örtlichen Münze.</p><lb/>
                    <p>Mit die&#x017F;en an &#x017F;ich höch&#x017F;t einfachen Begriffen wäre nun das ganze<lb/>
Münzwe&#x017F;en rein der ausführenden Technik der Münzämter überwie&#x017F;en,<lb/>
wenn &#x017F;ich nicht im Laufe der Ge&#x017F;chichte zwei Fragen ergeben hätten,<lb/>
durch welche eigentlich die Welt er&#x017F;t zum Bewußt&#x017F;ein der hohen Be-<lb/>
deutung des Münzwe&#x017F;ens gekommen i&#x017F;t.</p><lb/>
                    <p>1) Offenbar i&#x017F;t die Voraus&#x017F;etzung jeder Geltung der Münze die<lb/>
Prägung. Daraus i&#x017F;t auf den unteren Stufen der wirth&#x017F;chaftlichen<lb/>
Bildung die Meinung ent&#x017F;tanden, daß es auch die Prägung &#x017F;ei, welche<lb/>
der Münze den <hi rendition="#g">Werth</hi> gebe. Die Con&#x017F;equenz davon war der Ver&#x017F;uch<lb/>
der Regierungen, bei eintretendem Geldmangel den Münzfuß zu ändern,<lb/>
und theils zwar offen, indem man das Grundgewicht in mehr Theile<lb/>
theilte, aber der &#x017F;o ent&#x017F;tandenen leichteren Hauptmünze den Werth der<lb/>
&#x017F;chwereren ge&#x017F;etzlich beilegte, obwohl &#x017F;ie ihn fakti&#x017F;ch nicht hatte; theils<lb/>
heimlich, indem man ohne Ge&#x017F;etz mehr Münzen aus dem Grundgewicht<lb/>
&#x017F;chlug, als der Münzfuß zuließ. Damit begann jener merkwürdige<lb/>
Kampf der Regierungen mit der höheren Natur des Geldes. Die<lb/>
letztere ließ &#x017F;ich aber nicht bewältigen. Der Verkehr, der ohne einen<lb/>
fe&#x017F;ten Maß&#x017F;tab des Werthes nicht be&#x017F;tehen kann, ließ die ge&#x017F;etzlichen<lb/>
Werthbe&#x017F;timmungen der Münze fallen, und berechnete &#x017F;ie &#x017F;ofort durch<lb/>
Reducirung ihres wirklichen Feingehalts auf das Grundgewicht nur<lb/>
nach dem letzteren, während da, wo einmal ein leichter Münzfuß ge-<lb/>
&#x017F;etzlich eingeführt war, und der alte Name der Hauptmünze daher auch<lb/>
für die neue leichtere Münze blieb, der Nominalpreis der Güter &#x017F;tieg,<lb/>
während ihr Werth der gleiche blieb. So gewannen die Regierungen<lb/>
nichts, da &#x017F;ie immer <hi rendition="#g">minde&#x017F;tens</hi> da&#x017F;&#x017F;elbe Quantum edler Metalle,<lb/>
wenn auch in anderer Form, zahlen mußten; der Verkehr aber verlor<lb/>
die Sicherheit &#x017F;eines Werthmaß&#x017F;tabes, und der Nachtheil die&#x017F;es Ver-<lb/>
lu&#x017F;tes war für das Ge&#x017F;ammtleben ein &#x017F;o großer, daß endlich mit un&#x017F;erem<lb/>
Jahrhundert die <hi rendition="#g">ab&#x017F;olute Unverletzlichkeit der höch&#x017F;tmöglichen<lb/>
Genauigkeit</hi> der Ausbringung für alle europäi&#x017F;chen Staaten fe&#x017F;t&#x017F;teht.<lb/>
Die Ge&#x017F;chichte des Münzwe&#x017F;ens i&#x017F;t bis auf die neue&#x017F;te Zeit fa&#x017F;t nur<lb/>
die Ge&#x017F;chichte die&#x017F;es merkwürdigen Kampfes zwi&#x017F;chen Staat und National-<lb/>
ökonomie, in welchem die letztere den ent&#x017F;chiedenen Sieg davon trägt.</p><lb/>
                    <p>Aus dem&#x017F;elben Princip i&#x017F;t mit dem neunzehnten Jahrhundert der<lb/><hi rendition="#g">Schlag&#x017F;chatz</hi> aufgehoben; die Ge&#x017F;tehungsko&#x017F;ten der Münze &#x017F;ind jetzt<lb/>
Verwaltungsko&#x017F;ten, da der Werth der ab&#x017F;olut genauen Ausbringung<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0256] Störung des Werthes hervorruft. Grundgewicht und Münzfuß ſowie die Stückelung ſind an ſich gleichgültig, und gewinnen erſt Bedeutung, wo der Weltverkehr die Münzſyſteme der Völker in allgemeine Berüh- rung bringt. Die Scheidemünze behält unter allen Umſtänden den Charakter einer örtlichen Münze. Mit dieſen an ſich höchſt einfachen Begriffen wäre nun das ganze Münzweſen rein der ausführenden Technik der Münzämter überwieſen, wenn ſich nicht im Laufe der Geſchichte zwei Fragen ergeben hätten, durch welche eigentlich die Welt erſt zum Bewußtſein der hohen Be- deutung des Münzweſens gekommen iſt. 1) Offenbar iſt die Vorausſetzung jeder Geltung der Münze die Prägung. Daraus iſt auf den unteren Stufen der wirthſchaftlichen Bildung die Meinung entſtanden, daß es auch die Prägung ſei, welche der Münze den Werth gebe. Die Conſequenz davon war der Verſuch der Regierungen, bei eintretendem Geldmangel den Münzfuß zu ändern, und theils zwar offen, indem man das Grundgewicht in mehr Theile theilte, aber der ſo entſtandenen leichteren Hauptmünze den Werth der ſchwereren geſetzlich beilegte, obwohl ſie ihn faktiſch nicht hatte; theils heimlich, indem man ohne Geſetz mehr Münzen aus dem Grundgewicht ſchlug, als der Münzfuß zuließ. Damit begann jener merkwürdige Kampf der Regierungen mit der höheren Natur des Geldes. Die letztere ließ ſich aber nicht bewältigen. Der Verkehr, der ohne einen feſten Maßſtab des Werthes nicht beſtehen kann, ließ die geſetzlichen Werthbeſtimmungen der Münze fallen, und berechnete ſie ſofort durch Reducirung ihres wirklichen Feingehalts auf das Grundgewicht nur nach dem letzteren, während da, wo einmal ein leichter Münzfuß ge- ſetzlich eingeführt war, und der alte Name der Hauptmünze daher auch für die neue leichtere Münze blieb, der Nominalpreis der Güter ſtieg, während ihr Werth der gleiche blieb. So gewannen die Regierungen nichts, da ſie immer mindeſtens daſſelbe Quantum edler Metalle, wenn auch in anderer Form, zahlen mußten; der Verkehr aber verlor die Sicherheit ſeines Werthmaßſtabes, und der Nachtheil dieſes Ver- luſtes war für das Geſammtleben ein ſo großer, daß endlich mit unſerem Jahrhundert die abſolute Unverletzlichkeit der höchſtmöglichen Genauigkeit der Ausbringung für alle europäiſchen Staaten feſtſteht. Die Geſchichte des Münzweſens iſt bis auf die neueſte Zeit faſt nur die Geſchichte dieſes merkwürdigen Kampfes zwiſchen Staat und National- ökonomie, in welchem die letztere den entſchiedenen Sieg davon trägt. Aus demſelben Princip iſt mit dem neunzehnten Jahrhundert der Schlagſchatz aufgehoben; die Geſtehungskoſten der Münze ſind jetzt Verwaltungskoſten, da der Werth der abſolut genauen Ausbringung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/256
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/256>, abgerufen am 23.04.2024.