Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

übernehmen, macht aus dem Creditpapier kein Papiergeld, eben so
wenig wie die Oberaufsicht über das Notenwesen, und wie die faktische
Annahme der Noten bei den Staatskassen, oder gar die bloße Con-
cession von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde
gehört die ausdrückliche gesetzliche Verleihung mindestens
der halben
Währung. Und jetzt erst ist es klar, daß die Papiergeld-
frage nichts anderes ist, als die Frage, unter welchen Bedingun-
gen der Staat einer Note diese Währung verleihen soll
.

Diese Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des
Geldes an sich oder des Werthes, wo man sie zu suchen pflegt, sondern
vielmehr in der durch den Preis der Münze ausgedrückten Höhe
des Münzbedarfs im Verkehr
.

Der Grundsatz für die Bemessung dieser Höhe muß folgender
sein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt sich in dem Preise, der für
den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt
dieser Preis für das Zahlungsmittel im Verkehr, so schafft sich der
Verkehr selbst ein seinem Bedarf entsprechendes Verkehrszahlungs-
mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die nothwendig in
der Währung zu leistenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen,
Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld
zu solchen Zwecken mehr als 6 Procent (5 Procent Zins, 1 Pro-
cent Provision) regelmäßig gezahlt werden muß, so ist zu wenig
Geld
vorhanden, und das Fehlende kann für diese Zwecke nicht mehr
durch die Thätigkeit der Einzelnen geschaffen werden. Hier muß daher
die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld schaffen, indem sie der
Note die Währung gibt, und so entsteht das Papiergeldwesen als Ver-
mehrung nicht der Zahlungsmittel überhaupt, welche der Selbsthülfe
des Creditwesens zu überlassen ist, sondern als Vermehrung der mit
Währung versehenen Geldmasse des Staats für diejenigen Zahlungen,
welche der Währung bedürfen.

Steht dieß Princip nun fest, so entsteht die zweite Frage nach der
Quantität des auf diese Weise nothwendig gewordenen Papiergeldes.
Denn das richtige Maß des letzteren ist zwar nicht mehr die Bedingung
seiner rechtlichen, wohl aber seiner wirthschaftlichen Fähigkeit, seines
Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus,
so nützt er nicht, gibt er zu viel aus, so sinkt der Werth der Note,
und tritt mit dem Rechte derselben, mit seinem Nominalbetrag als
Zahlung gebraucht zu werden, in Widerspruch, und Werthordnung und
Zahlungswesen sind gleichmäßig gestört. So wie daher der Verkehr
seine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch desselben
entsteht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen Quantität

übernehmen, macht aus dem Creditpapier kein Papiergeld, eben ſo
wenig wie die Oberaufſicht über das Notenweſen, und wie die faktiſche
Annahme der Noten bei den Staatskaſſen, oder gar die bloße Con-
ceſſion von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde
gehört die ausdrückliche geſetzliche Verleihung mindeſtens
der halben
Währung. Und jetzt erſt iſt es klar, daß die Papiergeld-
frage nichts anderes iſt, als die Frage, unter welchen Bedingun-
gen der Staat einer Note dieſe Währung verleihen ſoll
.

Dieſe Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des
Geldes an ſich oder des Werthes, wo man ſie zu ſuchen pflegt, ſondern
vielmehr in der durch den Preis der Münze ausgedrückten Höhe
des Münzbedarfs im Verkehr
.

Der Grundſatz für die Bemeſſung dieſer Höhe muß folgender
ſein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt ſich in dem Preiſe, der für
den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt
dieſer Preis für das Zahlungsmittel im Verkehr, ſo ſchafft ſich der
Verkehr ſelbſt ein ſeinem Bedarf entſprechendes Verkehrszahlungs-
mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die nothwendig in
der Währung zu leiſtenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen,
Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld
zu ſolchen Zwecken mehr als 6 Procent (5 Procent Zins, 1 Pro-
cent Proviſion) regelmäßig gezahlt werden muß, ſo iſt zu wenig
Geld
vorhanden, und das Fehlende kann für dieſe Zwecke nicht mehr
durch die Thätigkeit der Einzelnen geſchaffen werden. Hier muß daher
die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld ſchaffen, indem ſie der
Note die Währung gibt, und ſo entſteht das Papiergeldweſen als Ver-
mehrung nicht der Zahlungsmittel überhaupt, welche der Selbſthülfe
des Creditweſens zu überlaſſen iſt, ſondern als Vermehrung der mit
Währung verſehenen Geldmaſſe des Staats für diejenigen Zahlungen,
welche der Währung bedürfen.

Steht dieß Princip nun feſt, ſo entſteht die zweite Frage nach der
Quantität des auf dieſe Weiſe nothwendig gewordenen Papiergeldes.
Denn das richtige Maß des letzteren iſt zwar nicht mehr die Bedingung
ſeiner rechtlichen, wohl aber ſeiner wirthſchaftlichen Fähigkeit, ſeines
Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus,
ſo nützt er nicht, gibt er zu viel aus, ſo ſinkt der Werth der Note,
und tritt mit dem Rechte derſelben, mit ſeinem Nominalbetrag als
Zahlung gebraucht zu werden, in Widerſpruch, und Werthordnung und
Zahlungsweſen ſind gleichmäßig geſtört. So wie daher der Verkehr
ſeine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch deſſelben
entſteht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen Quantität

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0264" n="240"/>
übernehmen, macht aus dem Creditpapier <hi rendition="#g">kein</hi> Papiergeld, eben &#x017F;o<lb/>
wenig wie die Oberauf&#x017F;icht über das Notenwe&#x017F;en, und wie die <hi rendition="#g">fakti&#x017F;che</hi><lb/>
Annahme der Noten bei den Staatska&#x017F;&#x017F;en, oder gar die bloße Con-<lb/>
ce&#x017F;&#x017F;ion von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde<lb/>
gehört die <hi rendition="#g">ausdrückliche ge&#x017F;etzliche Verleihung minde&#x017F;tens<lb/>
der halben</hi> Währung. Und jetzt er&#x017F;t i&#x017F;t es klar, daß die Papiergeld-<lb/>
frage nichts anderes i&#x017F;t, als die Frage, <hi rendition="#g">unter welchen Bedingun-<lb/>
gen der Staat einer Note die&#x017F;e Währung verleihen &#x017F;oll</hi>.</p><lb/>
                    <p>Die&#x017F;e Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des<lb/>
Geldes an &#x017F;ich oder des Werthes, wo man &#x017F;ie zu &#x017F;uchen pflegt, &#x017F;ondern<lb/>
vielmehr in der durch den <hi rendition="#g">Preis</hi> der Münze ausgedrückten <hi rendition="#g">Höhe<lb/>
des Münzbedarfs im Verkehr</hi>.</p><lb/>
                    <p>Der Grund&#x017F;atz für die <hi rendition="#g">Beme&#x017F;&#x017F;ung</hi> die&#x017F;er Höhe muß folgender<lb/>
&#x017F;ein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt &#x017F;ich in dem Prei&#x017F;e, der für<lb/>
den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt<lb/>
die&#x017F;er Preis für das Zahlungsmittel im <hi rendition="#g">Verkehr</hi>, &#x017F;o &#x017F;chafft &#x017F;ich der<lb/>
Verkehr <hi rendition="#g">&#x017F;elb&#x017F;t</hi> ein &#x017F;einem Bedarf ent&#x017F;prechendes Verkehrszahlungs-<lb/>
mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die <hi rendition="#g">nothwendig</hi> in<lb/>
der Währung zu lei&#x017F;tenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen,<lb/>
Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld<lb/>
zu &#x017F;olchen Zwecken <hi rendition="#g">mehr als 6 Procent</hi> (5 Procent Zins, 1 Pro-<lb/>
cent Provi&#x017F;ion) regelmäßig gezahlt werden muß, &#x017F;o i&#x017F;t <hi rendition="#g">zu wenig<lb/>
Geld</hi> vorhanden, und das Fehlende kann für die&#x017F;e Zwecke <hi rendition="#g">nicht</hi> mehr<lb/>
durch die Thätigkeit der Einzelnen ge&#x017F;chaffen werden. Hier muß daher<lb/>
die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld &#x017F;chaffen, indem &#x017F;ie der<lb/>
Note die Währung gibt, und &#x017F;o ent&#x017F;teht das Papiergeldwe&#x017F;en als Ver-<lb/>
mehrung nicht der Zahlungsmittel <hi rendition="#g">überhaupt</hi>, welche der Selb&#x017F;thülfe<lb/>
des Creditwe&#x017F;ens zu überla&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;ondern als Vermehrung der mit<lb/>
Währung ver&#x017F;ehenen Geldma&#x017F;&#x017F;e des Staats für diejenigen Zahlungen,<lb/><hi rendition="#g">welche der Währung bedürfen</hi>.</p><lb/>
                    <p>Steht dieß Princip nun fe&#x017F;t, &#x017F;o ent&#x017F;teht die zweite Frage nach der<lb/><hi rendition="#g">Quantität</hi> des auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e nothwendig gewordenen Papiergeldes.<lb/>
Denn das richtige Maß des letzteren i&#x017F;t zwar nicht mehr die Bedingung<lb/>
&#x017F;einer rechtlichen, wohl aber &#x017F;einer wirth&#x017F;chaftlichen Fähigkeit, &#x017F;eines<lb/>
Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus,<lb/>
&#x017F;o nützt er nicht, gibt er zu viel aus, &#x017F;o &#x017F;inkt der Werth der Note,<lb/>
und tritt mit dem Rechte der&#x017F;elben, mit &#x017F;einem Nominalbetrag als<lb/>
Zahlung gebraucht zu werden, in Wider&#x017F;pruch, und Werthordnung und<lb/>
Zahlungswe&#x017F;en &#x017F;ind gleichmäßig ge&#x017F;tört. So wie daher der Verkehr<lb/>
&#x017F;eine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
ent&#x017F;teht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen <hi rendition="#g">Quantität</hi><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0264] übernehmen, macht aus dem Creditpapier kein Papiergeld, eben ſo wenig wie die Oberaufſicht über das Notenweſen, und wie die faktiſche Annahme der Noten bei den Staatskaſſen, oder gar die bloße Con- ceſſion von Banken mit Notenausgabe. Sondern zum Papiergelde gehört die ausdrückliche geſetzliche Verleihung mindeſtens der halben Währung. Und jetzt erſt iſt es klar, daß die Papiergeld- frage nichts anderes iſt, als die Frage, unter welchen Bedingun- gen der Staat einer Note dieſe Währung verleihen ſoll. Dieſe Bedingungen liegen nun nicht etwa in dem Begriff des Geldes an ſich oder des Werthes, wo man ſie zu ſuchen pflegt, ſondern vielmehr in der durch den Preis der Münze ausgedrückten Höhe des Münzbedarfs im Verkehr. Der Grundſatz für die Bemeſſung dieſer Höhe muß folgender ſein. Das Steigen des Münzbedarfs zeigt ſich in dem Preiſe, der für den Gebrauch der Münze zur Zahlung gezahlt werden muß. Steigt dieſer Preis für das Zahlungsmittel im Verkehr, ſo ſchafft ſich der Verkehr ſelbſt ein ſeinem Bedarf entſprechendes Verkehrszahlungs- mittel in den Noten. Steigt er aber auch für die nothwendig in der Währung zu leiſtenden Zahlungen, wie bei Steuern, Kündigungen, Hypotheken, bis zu dem Grade, daß bei voller Sicherheit für das Geld zu ſolchen Zwecken mehr als 6 Procent (5 Procent Zins, 1 Pro- cent Proviſion) regelmäßig gezahlt werden muß, ſo iſt zu wenig Geld vorhanden, und das Fehlende kann für dieſe Zwecke nicht mehr durch die Thätigkeit der Einzelnen geſchaffen werden. Hier muß daher die Verwaltung eintreten, und das Papiergeld ſchaffen, indem ſie der Note die Währung gibt, und ſo entſteht das Papiergeldweſen als Ver- mehrung nicht der Zahlungsmittel überhaupt, welche der Selbſthülfe des Creditweſens zu überlaſſen iſt, ſondern als Vermehrung der mit Währung verſehenen Geldmaſſe des Staats für diejenigen Zahlungen, welche der Währung bedürfen. Steht dieß Princip nun feſt, ſo entſteht die zweite Frage nach der Quantität des auf dieſe Weiſe nothwendig gewordenen Papiergeldes. Denn das richtige Maß des letzteren iſt zwar nicht mehr die Bedingung ſeiner rechtlichen, wohl aber ſeiner wirthſchaftlichen Fähigkeit, ſeines Werthes, als Münze zu functioniren. Gibt der Staat zu wenig aus, ſo nützt er nicht, gibt er zu viel aus, ſo ſinkt der Werth der Note, und tritt mit dem Rechte derſelben, mit ſeinem Nominalbetrag als Zahlung gebraucht zu werden, in Widerſpruch, und Werthordnung und Zahlungsweſen ſind gleichmäßig geſtört. So wie daher der Verkehr ſeine Abneigung gegen Papiergeld, der durch den Mißbrauch deſſelben entſteht, überwunden hat, tritt die Frage nach der richtigen Quantität

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/264
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/264>, abgerufen am 19.04.2024.