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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Persönlichkeit besteht darin, daß der Inhalt des Rechts der Organe
derselben, die Mitglieder zu verpflichten, bei ihr nicht mehr auf dem
Vertrage, sondern auf dem Wesen der Einheit beruht, welche jene
Persönlichkeit bildet. Je nach dem Inhalt dieser Einheit unterscheiden
wir nun drei Arten der juristischen Persönlichkeit. Die wirthschaft-
liche
Persönlichkeit ist die für wirthschaftliche Zwecke gebildete persön-
liche Einheit, die verwaltungsrechtliche diejenige, welche neben
dem wirthschaftlichen Zweck auch Funktionen der vollziehenden Gewalt
enthält, für welche ihre materiellen Mittel die Bedingungen enthalten;
die staatsrechtliche endlich erscheint da, wo zu der Theilnahme an
der Vollziehung auch eine Theilnahme an der Gesetzgebung in Wahl-
recht oder Virilstimme hinzukommt. Die Selbstverwaltungskörper sind
stets und nothwendig verwaltungsrechtliche, zuweilen auch (Virilstimmen
von Corporationen etc.) staatsrechtliche Persönlichkeiten. Das specifische
Recht ihrer Persönlichkeit als selbstthätiger Einheit ist stets durch ihr
Oberhaupt ausgeübt. Grundsatz: daß wie im Staate nur das als
persönlicher Wille des Selbstverwaltungskörpers gilt, was die Zustim-
mung (Unterschrift) des Hauptes besitzt.

2) Die Autonomie ist das Recht der juristischen Persönlichkeit,
durch ihre Organe Beschlüsse zu fassen und Thätigkeiten mit dem Rechte
der vollziehenden Gewalt gegenüber ihrer Angehörigen auszuführen.
Auch hier ist der freie von dem amtlichen Wirkungskreis zu scheiden.
Aus der Autonomie des ersteren folgt, daß die Beschlüsse der Organe
das Recht der Verordnung, die Vollzugsthätigkeiten das Recht des
öffentlichen Zwanges (der Polizei) haben. Es folgt zweitens,
daß die Objekte dieser Autonomie das Gebiet der autonomen Ver-
waltung
bilden. Princip der letzteren ist, daß sie, wie die Voll-
ziehungsgewalt selbst, zunächst die gesetzlich verschiedenen Verwaltungs-
aufgaben erfüllen muß. Die Gesammtheit der der Autonomie der
Selbstverwaltung überwiesenen Aufgaben bildet ihre Competenz.
Das Recht derselben ist die Ausschließung der Verfügungsgewalt der
Behörde für das, wozu die Selbstverwaltung competent ist; zweitens
das Recht, die Mittel dafür durch eigene Beschlüsse aufzubringen und
zu verwalten; drittens das Recht, über die Verwendung der nach Er-
füllung des bestimmten Zweckes übrig bleibenden Mittel selbständig zu
verfügen. -- Die Autonomie für den staatlichen Wirkungskreis besteht
jedoch nur darin, die Organe durch eigenen Beschluß zu bestimmen,
welche die Vorschriften der Vollzugsorgane auszuführen haben, und die
Mittel dafür aufzubringen. Im Uebrigen tritt ganz das Verhältniß
einer Behörde ein.

3) Die Oberaufsicht beruht nicht darauf, daß die Autonomie

Perſönlichkeit beſteht darin, daß der Inhalt des Rechts der Organe
derſelben, die Mitglieder zu verpflichten, bei ihr nicht mehr auf dem
Vertrage, ſondern auf dem Weſen der Einheit beruht, welche jene
Perſönlichkeit bildet. Je nach dem Inhalt dieſer Einheit unterſcheiden
wir nun drei Arten der juriſtiſchen Perſönlichkeit. Die wirthſchaft-
liche
Perſönlichkeit iſt die für wirthſchaftliche Zwecke gebildete perſön-
liche Einheit, die verwaltungsrechtliche diejenige, welche neben
dem wirthſchaftlichen Zweck auch Funktionen der vollziehenden Gewalt
enthält, für welche ihre materiellen Mittel die Bedingungen enthalten;
die ſtaatsrechtliche endlich erſcheint da, wo zu der Theilnahme an
der Vollziehung auch eine Theilnahme an der Geſetzgebung in Wahl-
recht oder Virilſtimme hinzukommt. Die Selbſtverwaltungskörper ſind
ſtets und nothwendig verwaltungsrechtliche, zuweilen auch (Virilſtimmen
von Corporationen ꝛc.) ſtaatsrechtliche Perſönlichkeiten. Das ſpecifiſche
Recht ihrer Perſönlichkeit als ſelbſtthätiger Einheit iſt ſtets durch ihr
Oberhaupt ausgeübt. Grundſatz: daß wie im Staate nur das als
perſönlicher Wille des Selbſtverwaltungskörpers gilt, was die Zuſtim-
mung (Unterſchrift) des Hauptes beſitzt.

2) Die Autonomie iſt das Recht der juriſtiſchen Perſönlichkeit,
durch ihre Organe Beſchlüſſe zu faſſen und Thätigkeiten mit dem Rechte
der vollziehenden Gewalt gegenüber ihrer Angehörigen auszuführen.
Auch hier iſt der freie von dem amtlichen Wirkungskreis zu ſcheiden.
Aus der Autonomie des erſteren folgt, daß die Beſchlüſſe der Organe
das Recht der Verordnung, die Vollzugsthätigkeiten das Recht des
öffentlichen Zwanges (der Polizei) haben. Es folgt zweitens,
daß die Objekte dieſer Autonomie das Gebiet der autonomen Ver-
waltung
bilden. Princip der letzteren iſt, daß ſie, wie die Voll-
ziehungsgewalt ſelbſt, zunächſt die geſetzlich verſchiedenen Verwaltungs-
aufgaben erfüllen muß. Die Geſammtheit der der Autonomie der
Selbſtverwaltung überwieſenen Aufgaben bildet ihre Competenz.
Das Recht derſelben iſt die Ausſchließung der Verfügungsgewalt der
Behörde für das, wozu die Selbſtverwaltung competent iſt; zweitens
das Recht, die Mittel dafür durch eigene Beſchlüſſe aufzubringen und
zu verwalten; drittens das Recht, über die Verwendung der nach Er-
füllung des beſtimmten Zweckes übrig bleibenden Mittel ſelbſtändig zu
verfügen. — Die Autonomie für den ſtaatlichen Wirkungskreis beſteht
jedoch nur darin, die Organe durch eigenen Beſchluß zu beſtimmen,
welche die Vorſchriften der Vollzugsorgane auszuführen haben, und die
Mittel dafür aufzubringen. Im Uebrigen tritt ganz das Verhältniß
einer Behörde ein.

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[30/0054] Perſönlichkeit beſteht darin, daß der Inhalt des Rechts der Organe derſelben, die Mitglieder zu verpflichten, bei ihr nicht mehr auf dem Vertrage, ſondern auf dem Weſen der Einheit beruht, welche jene Perſönlichkeit bildet. Je nach dem Inhalt dieſer Einheit unterſcheiden wir nun drei Arten der juriſtiſchen Perſönlichkeit. Die wirthſchaft- liche Perſönlichkeit iſt die für wirthſchaftliche Zwecke gebildete perſön- liche Einheit, die verwaltungsrechtliche diejenige, welche neben dem wirthſchaftlichen Zweck auch Funktionen der vollziehenden Gewalt enthält, für welche ihre materiellen Mittel die Bedingungen enthalten; die ſtaatsrechtliche endlich erſcheint da, wo zu der Theilnahme an der Vollziehung auch eine Theilnahme an der Geſetzgebung in Wahl- recht oder Virilſtimme hinzukommt. Die Selbſtverwaltungskörper ſind ſtets und nothwendig verwaltungsrechtliche, zuweilen auch (Virilſtimmen von Corporationen ꝛc.) ſtaatsrechtliche Perſönlichkeiten. Das ſpecifiſche Recht ihrer Perſönlichkeit als ſelbſtthätiger Einheit iſt ſtets durch ihr Oberhaupt ausgeübt. Grundſatz: daß wie im Staate nur das als perſönlicher Wille des Selbſtverwaltungskörpers gilt, was die Zuſtim- mung (Unterſchrift) des Hauptes beſitzt. 2) Die Autonomie iſt das Recht der juriſtiſchen Perſönlichkeit, durch ihre Organe Beſchlüſſe zu faſſen und Thätigkeiten mit dem Rechte der vollziehenden Gewalt gegenüber ihrer Angehörigen auszuführen. Auch hier iſt der freie von dem amtlichen Wirkungskreis zu ſcheiden. Aus der Autonomie des erſteren folgt, daß die Beſchlüſſe der Organe das Recht der Verordnung, die Vollzugsthätigkeiten das Recht des öffentlichen Zwanges (der Polizei) haben. Es folgt zweitens, daß die Objekte dieſer Autonomie das Gebiet der autonomen Ver- waltung bilden. Princip der letzteren iſt, daß ſie, wie die Voll- ziehungsgewalt ſelbſt, zunächſt die geſetzlich verſchiedenen Verwaltungs- aufgaben erfüllen muß. Die Geſammtheit der der Autonomie der Selbſtverwaltung überwieſenen Aufgaben bildet ihre Competenz. Das Recht derſelben iſt die Ausſchließung der Verfügungsgewalt der Behörde für das, wozu die Selbſtverwaltung competent iſt; zweitens das Recht, die Mittel dafür durch eigene Beſchlüſſe aufzubringen und zu verwalten; drittens das Recht, über die Verwendung der nach Er- füllung des beſtimmten Zweckes übrig bleibenden Mittel ſelbſtändig zu verfügen. — Die Autonomie für den ſtaatlichen Wirkungskreis beſteht jedoch nur darin, die Organe durch eigenen Beſchluß zu beſtimmen, welche die Vorſchriften der Vollzugsorgane auszuführen haben, und die Mittel dafür aufzubringen. Im Uebrigen tritt ganz das Verhältniß einer Behörde ein. 3) Die Oberaufſicht beruht nicht darauf, daß die Autonomie

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/54>, abgerufen am 24.04.2024.