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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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welche über das Privatrecht hinausgeht. Nur äußert sich diese Gemein-
samkeit wieder auf eigenthümliche Weise, indem der Verein für seine
Angestellten wieder Vereine erzeugt, die wesentlich in der Form von
Hülfsvereinen (Pensionsvereine, Krankenvereine u. s. w.) auftreten. Der
Verein hat das Recht, den Beitritt zu diesen Vereinen zu einer der
Bedingungen der Anstellung zu machen. Es ist Sache des einzelnen
Vereins darüber zu entscheiden in wie weit dieß zweckmäßig ist. Meistens
leiden diese Vereine an der, durch die geringe Zahl ihrer Mitglieder
bedingten Unsicherheit der Beitragsquote; dagegen haben sie die gute
Wirkung, daß sie den Werth der Theilnahme an dem Dienst des Ver-
eins, und damit den Eifer in diesen Diensten erhöhen; namentlich die
Pensionsvereine. Die Frage, ob der Verein diese Pensionsvereine direkt
unterstützen soll, hängt dann von der Natur des betreffenden Vereins ab.

Auch der obige Theil des Vereinsrechts ist so gut als gar nicht bearbeitet.
Das Handelsgesetzbuch hat den Unterschied zwischen Vorstand und Direktion
nicht aufgenommen, was nur dadurch erklärt werden kann, daß es auch hier
wieder den Unterschied zwischen der einfachen Gesellschaft und dem Vereine nicht
festhält. Die Vorstellung, daß die eigentliche Direktion nur in einem "technisch
gebildeten Beamteten" der Gesellschaft bestehe (Nürnberger Protokoll S. 1057),
ist durchaus einseitig. Schon bei einigermaßen bedeutenderen Gesellschaften
und Vereinen scheiden sich Verwaltungsrath und vollziehende Gewalt auf das
Bestimmteste, und die letztere in den Händen der Direktion umfaßt das ganze
Leben des Vereins. Es ist daher nicht richtig, wenn auch Auerbach und
Stubenrauch bloß bei der commerciellen Geschäftsführung der Direktion
stehen bleiben, und sie mit dem Handelsgesetzbuch als ganz gleichbedeutend mit
dem Vorstand nehmen. Was für kleine Gesellschaften passen mag, wird ver-
kehrt, ja unmöglich für größere. Aber auch das österreichische Vereins-
gesetz
Art. 13 läßt es ganz unbestimmt, was es sich unter der Direktion denkt.

3) Das allgemeine Verwaltungsrecht des Vereinswesens. Die
Beitragsvereine. Die Gegenseitigkeitsvereine. Die Erwerbs-
vereine
.

Indem wir den Organismus des Vereinswesens und sein Recht
selbständig behandelt haben, obwohl es als Recht der vollziehenden Ge-
walt des Vereins eigentlich dem Verwaltungsrecht desselben angehört,
bleibt uns für das eigentliche Verwaltungsrecht nur ein Gebiet übrig,
das kaum mehr als Formen enthält, in welche erst die spätere Dar-
stellung einen Inhalt hinein bringt.

Die Verwaltung des Vereins ist auch hier die wirkliche, aus dem
Zweck des Vereins hervorgehende und durch seine Organe vollzogene
Thätigkeit des Vereins. Da es nun das Wesen des Vereins ist, daß

welche über das Privatrecht hinausgeht. Nur äußert ſich dieſe Gemein-
ſamkeit wieder auf eigenthümliche Weiſe, indem der Verein für ſeine
Angeſtellten wieder Vereine erzeugt, die weſentlich in der Form von
Hülfsvereinen (Penſionsvereine, Krankenvereine u. ſ. w.) auftreten. Der
Verein hat das Recht, den Beitritt zu dieſen Vereinen zu einer der
Bedingungen der Anſtellung zu machen. Es iſt Sache des einzelnen
Vereins darüber zu entſcheiden in wie weit dieß zweckmäßig iſt. Meiſtens
leiden dieſe Vereine an der, durch die geringe Zahl ihrer Mitglieder
bedingten Unſicherheit der Beitragsquote; dagegen haben ſie die gute
Wirkung, daß ſie den Werth der Theilnahme an dem Dienſt des Ver-
eins, und damit den Eifer in dieſen Dienſten erhöhen; namentlich die
Penſionsvereine. Die Frage, ob der Verein dieſe Penſionsvereine direkt
unterſtützen ſoll, hängt dann von der Natur des betreffenden Vereins ab.

Auch der obige Theil des Vereinsrechts iſt ſo gut als gar nicht bearbeitet.
Das Handelsgeſetzbuch hat den Unterſchied zwiſchen Vorſtand und Direktion
nicht aufgenommen, was nur dadurch erklärt werden kann, daß es auch hier
wieder den Unterſchied zwiſchen der einfachen Geſellſchaft und dem Vereine nicht
feſthält. Die Vorſtellung, daß die eigentliche Direktion nur in einem „techniſch
gebildeten Beamteten“ der Geſellſchaft beſtehe (Nürnberger Protokoll S. 1057),
iſt durchaus einſeitig. Schon bei einigermaßen bedeutenderen Geſellſchaften
und Vereinen ſcheiden ſich Verwaltungsrath und vollziehende Gewalt auf das
Beſtimmteſte, und die letztere in den Händen der Direktion umfaßt das ganze
Leben des Vereins. Es iſt daher nicht richtig, wenn auch Auerbach und
Stubenrauch bloß bei der commerciellen Geſchäftsführung der Direktion
ſtehen bleiben, und ſie mit dem Handelsgeſetzbuch als ganz gleichbedeutend mit
dem Vorſtand nehmen. Was für kleine Geſellſchaften paſſen mag, wird ver-
kehrt, ja unmöglich für größere. Aber auch das öſterreichiſche Vereins-
geſetz
Art. 13 läßt es ganz unbeſtimmt, was es ſich unter der Direktion denkt.

3) Das allgemeine Verwaltungsrecht des Vereinsweſens. Die
Beitragsvereine. Die Gegenſeitigkeitsvereine. Die Erwerbs-
vereine
.

Indem wir den Organismus des Vereinsweſens und ſein Recht
ſelbſtändig behandelt haben, obwohl es als Recht der vollziehenden Ge-
walt des Vereins eigentlich dem Verwaltungsrecht deſſelben angehört,
bleibt uns für das eigentliche Verwaltungsrecht nur ein Gebiet übrig,
das kaum mehr als Formen enthält, in welche erſt die ſpätere Dar-
ſtellung einen Inhalt hinein bringt.

Die Verwaltung des Vereins iſt auch hier die wirkliche, aus dem
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Thätigkeit des Vereins. Da es nun das Weſen des Vereins iſt, daß

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[611/0635] welche über das Privatrecht hinausgeht. Nur äußert ſich dieſe Gemein- ſamkeit wieder auf eigenthümliche Weiſe, indem der Verein für ſeine Angeſtellten wieder Vereine erzeugt, die weſentlich in der Form von Hülfsvereinen (Penſionsvereine, Krankenvereine u. ſ. w.) auftreten. Der Verein hat das Recht, den Beitritt zu dieſen Vereinen zu einer der Bedingungen der Anſtellung zu machen. Es iſt Sache des einzelnen Vereins darüber zu entſcheiden in wie weit dieß zweckmäßig iſt. Meiſtens leiden dieſe Vereine an der, durch die geringe Zahl ihrer Mitglieder bedingten Unſicherheit der Beitragsquote; dagegen haben ſie die gute Wirkung, daß ſie den Werth der Theilnahme an dem Dienſt des Ver- eins, und damit den Eifer in dieſen Dienſten erhöhen; namentlich die Penſionsvereine. Die Frage, ob der Verein dieſe Penſionsvereine direkt unterſtützen ſoll, hängt dann von der Natur des betreffenden Vereins ab. Auch der obige Theil des Vereinsrechts iſt ſo gut als gar nicht bearbeitet. Das Handelsgeſetzbuch hat den Unterſchied zwiſchen Vorſtand und Direktion nicht aufgenommen, was nur dadurch erklärt werden kann, daß es auch hier wieder den Unterſchied zwiſchen der einfachen Geſellſchaft und dem Vereine nicht feſthält. Die Vorſtellung, daß die eigentliche Direktion nur in einem „techniſch gebildeten Beamteten“ der Geſellſchaft beſtehe (Nürnberger Protokoll S. 1057), iſt durchaus einſeitig. Schon bei einigermaßen bedeutenderen Geſellſchaften und Vereinen ſcheiden ſich Verwaltungsrath und vollziehende Gewalt auf das Beſtimmteſte, und die letztere in den Händen der Direktion umfaßt das ganze Leben des Vereins. Es iſt daher nicht richtig, wenn auch Auerbach und Stubenrauch bloß bei der commerciellen Geſchäftsführung der Direktion ſtehen bleiben, und ſie mit dem Handelsgeſetzbuch als ganz gleichbedeutend mit dem Vorſtand nehmen. Was für kleine Geſellſchaften paſſen mag, wird ver- kehrt, ja unmöglich für größere. Aber auch das öſterreichiſche Vereins- geſetz Art. 13 läßt es ganz unbeſtimmt, was es ſich unter der Direktion denkt. 3) Das allgemeine Verwaltungsrecht des Vereinsweſens. Die Beitragsvereine. Die Gegenſeitigkeitsvereine. Die Erwerbs- vereine. Indem wir den Organismus des Vereinsweſens und ſein Recht ſelbſtändig behandelt haben, obwohl es als Recht der vollziehenden Ge- walt des Vereins eigentlich dem Verwaltungsrecht deſſelben angehört, bleibt uns für das eigentliche Verwaltungsrecht nur ein Gebiet übrig, das kaum mehr als Formen enthält, in welche erſt die ſpätere Dar- ſtellung einen Inhalt hinein bringt. Die Verwaltung des Vereins iſt auch hier die wirkliche, aus dem Zweck des Vereins hervorgehende und durch ſeine Organe vollzogene Thätigkeit des Vereins. Da es nun das Weſen des Vereins iſt, daß

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 611. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/635>, abgerufen am 23.04.2024.