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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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und Innerem. Und daher werden wir zweckmäßig den Inhalt der
reinen vollziehenden Gewalt, oder die Darlegung der besondern Momente
derselben, dem Rechte derselben, oder der festen Gränzbestimmung
zwischen ihnen und den selbständigen persönlichen Lebensverhältnissen des
Staats und des Staatsbürgers voraufsenden.

I.
Die einzelnen Gewalten in der vollziehenden Gewalt.
Die Staatsgewalt im Allgemeinen. Das Heer.

Es wird nunmehr in Hinweisung auf die historische Entstehung
des eigenthümlich deutschen Begriffes der Staatsgewalt wohl nicht so
schwierig sein, das Wesen desselben und damit den Unterschied von dem-
jenigen zu bestimmen, was wir die vollziehende Staatsgewalt nennen
müssen.

Die Staatsgewalt in dem Sinne, in welchem sie dem Begriffe des
Staats und namentlich der deutschen Staatsrechtsbildung zum Grunde
liegt, ist keine besondere Gewalt, kein Moment an einer andern Gewalt
im Staate. Sie bezeichnet uns eben das ganze persönliche Leben des
Staats als eine einheitliche Gewalt, als die ganz allgemeine persönliche
Kraft der Selbstbestimmung ohne irgend eine Unterscheidung des Ob-
jekts. Sie ist überhaupt der Besitz des Rechts und der Mittel, sich zu
äußern, und zwar als höchste Form der Persönlichkeit sowohl insofern
der Staat ist, als insofern er will und handelt. Alles was durch den
Staat geschieht, geschieht für den Staat. Alle Funktionen des Staats
sind daher Funktionen dieser Staatsgewalt, und ich gelange nunmehr
leicht zu dem Begriffe der sogenannten Staatsgewalten, indem ich mir
diese Funktionen selbständig, und in jeder derselben die Staatsgewalt
thätig denke. Ich kann daher, ohne irgend einen Irrthum, freilich aber
auch ohne irgend einen Nutzen, mir so viel Staatsgewalten construiren
als ich will, wenn ich nur festhalte, daß eine dauernde und regelmäßige
Thätigkeit des Staats zum Grunde liegen muß. Daher haben die
Theorien über die verschiedenen Staatsgewalten alle Recht, und daher
haben auch das deutsche Bundesrecht und die neueste Staatsrechtslehre
Recht, jene indem sie drei, fünf, sieben Staatsgewalten, dieses indem
es nur Eine Staatsgewalt annimmt. Verkehrt ist nur das, daß man
den organischen Begriff des Staats aus den Gewalten hat construiren
wollen, während man umgekehrt diese Gewalten als Aeußerungen der
organischen Eintheilung hatte erkennen müssen. Nur das Eine ist

und Innerem. Und daher werden wir zweckmäßig den Inhalt der
reinen vollziehenden Gewalt, oder die Darlegung der beſondern Momente
derſelben, dem Rechte derſelben, oder der feſten Gränzbeſtimmung
zwiſchen ihnen und den ſelbſtändigen perſönlichen Lebensverhältniſſen des
Staats und des Staatsbürgers voraufſenden.

I.
Die einzelnen Gewalten in der vollziehenden Gewalt.
Die Staatsgewalt im Allgemeinen. Das Heer.

Es wird nunmehr in Hinweiſung auf die hiſtoriſche Entſtehung
des eigenthümlich deutſchen Begriffes der Staatsgewalt wohl nicht ſo
ſchwierig ſein, das Weſen deſſelben und damit den Unterſchied von dem-
jenigen zu beſtimmen, was wir die vollziehende Staatsgewalt nennen
müſſen.

Die Staatsgewalt in dem Sinne, in welchem ſie dem Begriffe des
Staats und namentlich der deutſchen Staatsrechtsbildung zum Grunde
liegt, iſt keine beſondere Gewalt, kein Moment an einer andern Gewalt
im Staate. Sie bezeichnet uns eben das ganze perſönliche Leben des
Staats als eine einheitliche Gewalt, als die ganz allgemeine perſönliche
Kraft der Selbſtbeſtimmung ohne irgend eine Unterſcheidung des Ob-
jekts. Sie iſt überhaupt der Beſitz des Rechts und der Mittel, ſich zu
äußern, und zwar als höchſte Form der Perſönlichkeit ſowohl inſofern
der Staat iſt, als inſofern er will und handelt. Alles was durch den
Staat geſchieht, geſchieht für den Staat. Alle Funktionen des Staats
ſind daher Funktionen dieſer Staatsgewalt, und ich gelange nunmehr
leicht zu dem Begriffe der ſogenannten Staatsgewalten, indem ich mir
dieſe Funktionen ſelbſtändig, und in jeder derſelben die Staatsgewalt
thätig denke. Ich kann daher, ohne irgend einen Irrthum, freilich aber
auch ohne irgend einen Nutzen, mir ſo viel Staatsgewalten conſtruiren
als ich will, wenn ich nur feſthalte, daß eine dauernde und regelmäßige
Thätigkeit des Staats zum Grunde liegen muß. Daher haben die
Theorien über die verſchiedenen Staatsgewalten alle Recht, und daher
haben auch das deutſche Bundesrecht und die neueſte Staatsrechtslehre
Recht, jene indem ſie drei, fünf, ſieben Staatsgewalten, dieſes indem
es nur Eine Staatsgewalt annimmt. Verkehrt iſt nur das, daß man
den organiſchen Begriff des Staats aus den Gewalten hat conſtruiren
wollen, während man umgekehrt dieſe Gewalten als Aeußerungen der
organiſchen Eintheilung hatte erkennen müſſen. Nur das Eine iſt

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[40/0064] und Innerem. Und daher werden wir zweckmäßig den Inhalt der reinen vollziehenden Gewalt, oder die Darlegung der beſondern Momente derſelben, dem Rechte derſelben, oder der feſten Gränzbeſtimmung zwiſchen ihnen und den ſelbſtändigen perſönlichen Lebensverhältniſſen des Staats und des Staatsbürgers voraufſenden. I. Die einzelnen Gewalten in der vollziehenden Gewalt. Die Staatsgewalt im Allgemeinen. Das Heer. Es wird nunmehr in Hinweiſung auf die hiſtoriſche Entſtehung des eigenthümlich deutſchen Begriffes der Staatsgewalt wohl nicht ſo ſchwierig ſein, das Weſen deſſelben und damit den Unterſchied von dem- jenigen zu beſtimmen, was wir die vollziehende Staatsgewalt nennen müſſen. Die Staatsgewalt in dem Sinne, in welchem ſie dem Begriffe des Staats und namentlich der deutſchen Staatsrechtsbildung zum Grunde liegt, iſt keine beſondere Gewalt, kein Moment an einer andern Gewalt im Staate. Sie bezeichnet uns eben das ganze perſönliche Leben des Staats als eine einheitliche Gewalt, als die ganz allgemeine perſönliche Kraft der Selbſtbeſtimmung ohne irgend eine Unterſcheidung des Ob- jekts. Sie iſt überhaupt der Beſitz des Rechts und der Mittel, ſich zu äußern, und zwar als höchſte Form der Perſönlichkeit ſowohl inſofern der Staat iſt, als inſofern er will und handelt. Alles was durch den Staat geſchieht, geſchieht für den Staat. Alle Funktionen des Staats ſind daher Funktionen dieſer Staatsgewalt, und ich gelange nunmehr leicht zu dem Begriffe der ſogenannten Staatsgewalten, indem ich mir dieſe Funktionen ſelbſtändig, und in jeder derſelben die Staatsgewalt thätig denke. Ich kann daher, ohne irgend einen Irrthum, freilich aber auch ohne irgend einen Nutzen, mir ſo viel Staatsgewalten conſtruiren als ich will, wenn ich nur feſthalte, daß eine dauernde und regelmäßige Thätigkeit des Staats zum Grunde liegen muß. Daher haben die Theorien über die verſchiedenen Staatsgewalten alle Recht, und daher haben auch das deutſche Bundesrecht und die neueſte Staatsrechtslehre Recht, jene indem ſie drei, fünf, ſieben Staatsgewalten, dieſes indem es nur Eine Staatsgewalt annimmt. Verkehrt iſt nur das, daß man den organiſchen Begriff des Staats aus den Gewalten hat conſtruiren wollen, während man umgekehrt dieſe Gewalten als Aeußerungen der organiſchen Eintheilung hatte erkennen müſſen. Nur das Eine iſt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/64>, abgerufen am 18.04.2024.