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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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und verbietet (Verordnung vom 20. Januar 1855), wogegen das Ver-
einsgesetz vom 14. Februar 1851 die übrigen nicht verbotenen Vereine
selbst jeder Genehmigung entzieht, und sie nur zur Anzeige verpflichtet,
binnen drei Tagen, wenn sie Vorsteher und Satzungen haben. Jedoch
hat Art. 25 davon, ebenso wie in Bayern, die Klasse der zu geneh-
migenden Vereine wieder ausgenommen, so daß auch hier der Unter-
schied zwischen den freien und genehmigten Vereinen, wie ihn die Natur
der Sache fordert, wieder erscheint. Ganz ähnlich ist es in Württem-
berg
(Mohl, Verfassungsrecht 374). Es ist kein Zweifel, daß auch
Oesterreich zu diesem Systeme übergehen wird. Wenn Auerbach (Gesetz-
wesen §. 73. 74.) sich so entschieden gegen das Princip der Genehmigung
erklärt, nach dem Vorgange mehrerer, wie Jolly und Treitschke, so
glauben wir, daß dieser Auffassung wohl nur der Mangel an Unter-
scheidung zwischen genehmigten und freien Vereinen zum Grunde liegt,
da er von der Genehmigung als allgemeinem Princip spricht; vielleicht
auch die Vorstellung, daß die Genehmigung irgend eine Art von Zu-
stimmung oder Billigung enthalte, während sie in der That nur die
Erklärung sein soll, daß die Vereinsstatuten formell dem Staate und
dem Publikum die gehörige Sicherheit bieten; gewiß aber die Unklarheit
über Begriff und Inhalt der juristischen Persönlichkeit, von der wir gleich
reden werden. (Siehe namentlich S. 298.) Es wäre, bei der innigen Be-
rührung, in welcher das staatliche und volkswirthschaftliche Leben Deutsch-
lands steht, gewiß sehr nahe liegend, nicht bloß deutsche Vereinsverbote,
sondern auch einmal eine deutsche Vereinsgesetzgebung zu besitzen!

c) Die juristische Persönlichkeit als Moment des Vereinswesens.

Blickt man nunmehr zurück auf den Begriff des Vereins und das
Wesen der Genehmigung, so muß man allerdings fragen, ob ein solcher
genehmigter Verein nicht zugleich eine juristische Persönlichkeit sei, und
ob also die Genehmigung ihm nicht den Charakter und das Recht der
letzteren gebe. Eigentlich muß man sagen, daß sich die Theorie über
diese Frage nicht ausgesprochen hat, indem sie zwar viele Untersuchungen
über die erstere, aber sehr wenige über die letztere bietet. Eben so sind
die Gesetze im höchsten Grade unklar und verschieden, die Sache selbst
erscheint aber wohl zweifelhaft; denn wenn die Genehmigung keine Er-
laubniß sondern nur eine Anerkennung der Harmonie der betreffenden
Bestimmungen der Statuten und des Verwaltungsrechts ist, so wird
sie auch kein eigenes Recht verleihen, und mithin keine juristische Per-
sönlichkeit creiren können, während andererseits das Wesen des Vereins
ohne allen Zweifel ein selbständig organisirtes Leben der Gemeinschaft

und verbietet (Verordnung vom 20. Januar 1855), wogegen das Ver-
einsgeſetz vom 14. Februar 1851 die übrigen nicht verbotenen Vereine
ſelbſt jeder Genehmigung entzieht, und ſie nur zur Anzeige verpflichtet,
binnen drei Tagen, wenn ſie Vorſteher und Satzungen haben. Jedoch
hat Art. 25 davon, ebenſo wie in Bayern, die Klaſſe der zu geneh-
migenden Vereine wieder ausgenommen, ſo daß auch hier der Unter-
ſchied zwiſchen den freien und genehmigten Vereinen, wie ihn die Natur
der Sache fordert, wieder erſcheint. Ganz ähnlich iſt es in Württem-
berg
(Mohl, Verfaſſungsrecht 374). Es iſt kein Zweifel, daß auch
Oeſterreich zu dieſem Syſteme übergehen wird. Wenn Auerbach (Geſetz-
weſen §. 73. 74.) ſich ſo entſchieden gegen das Princip der Genehmigung
erklärt, nach dem Vorgange mehrerer, wie Jolly und Treitſchke, ſo
glauben wir, daß dieſer Auffaſſung wohl nur der Mangel an Unter-
ſcheidung zwiſchen genehmigten und freien Vereinen zum Grunde liegt,
da er von der Genehmigung als allgemeinem Princip ſpricht; vielleicht
auch die Vorſtellung, daß die Genehmigung irgend eine Art von Zu-
ſtimmung oder Billigung enthalte, während ſie in der That nur die
Erklärung ſein ſoll, daß die Vereinsſtatuten formell dem Staate und
dem Publikum die gehörige Sicherheit bieten; gewiß aber die Unklarheit
über Begriff und Inhalt der juriſtiſchen Perſönlichkeit, von der wir gleich
reden werden. (Siehe namentlich S. 298.) Es wäre, bei der innigen Be-
rührung, in welcher das ſtaatliche und volkswirthſchaftliche Leben Deutſch-
lands ſteht, gewiß ſehr nahe liegend, nicht bloß deutſche Vereinsverbote,
ſondern auch einmal eine deutſche Vereinsgeſetzgebung zu beſitzen!

c) Die juriſtiſche Perſönlichkeit als Moment des Vereinsweſens.

Blickt man nunmehr zurück auf den Begriff des Vereins und das
Weſen der Genehmigung, ſo muß man allerdings fragen, ob ein ſolcher
genehmigter Verein nicht zugleich eine juriſtiſche Perſönlichkeit ſei, und
ob alſo die Genehmigung ihm nicht den Charakter und das Recht der
letzteren gebe. Eigentlich muß man ſagen, daß ſich die Theorie über
dieſe Frage nicht ausgeſprochen hat, indem ſie zwar viele Unterſuchungen
über die erſtere, aber ſehr wenige über die letztere bietet. Eben ſo ſind
die Geſetze im höchſten Grade unklar und verſchieden, die Sache ſelbſt
erſcheint aber wohl zweifelhaft; denn wenn die Genehmigung keine Er-
laubniß ſondern nur eine Anerkennung der Harmonie der betreffenden
Beſtimmungen der Statuten und des Verwaltungsrechts iſt, ſo wird
ſie auch kein eigenes Recht verleihen, und mithin keine juriſtiſche Per-
ſönlichkeit creiren können, während andererſeits das Weſen des Vereins
ohne allen Zweifel ein ſelbſtändig organiſirtes Leben der Gemeinſchaft

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[629/0653] und verbietet (Verordnung vom 20. Januar 1855), wogegen das Ver- einsgeſetz vom 14. Februar 1851 die übrigen nicht verbotenen Vereine ſelbſt jeder Genehmigung entzieht, und ſie nur zur Anzeige verpflichtet, binnen drei Tagen, wenn ſie Vorſteher und Satzungen haben. Jedoch hat Art. 25 davon, ebenſo wie in Bayern, die Klaſſe der zu geneh- migenden Vereine wieder ausgenommen, ſo daß auch hier der Unter- ſchied zwiſchen den freien und genehmigten Vereinen, wie ihn die Natur der Sache fordert, wieder erſcheint. Ganz ähnlich iſt es in Württem- berg (Mohl, Verfaſſungsrecht 374). Es iſt kein Zweifel, daß auch Oeſterreich zu dieſem Syſteme übergehen wird. Wenn Auerbach (Geſetz- weſen §. 73. 74.) ſich ſo entſchieden gegen das Princip der Genehmigung erklärt, nach dem Vorgange mehrerer, wie Jolly und Treitſchke, ſo glauben wir, daß dieſer Auffaſſung wohl nur der Mangel an Unter- ſcheidung zwiſchen genehmigten und freien Vereinen zum Grunde liegt, da er von der Genehmigung als allgemeinem Princip ſpricht; vielleicht auch die Vorſtellung, daß die Genehmigung irgend eine Art von Zu- ſtimmung oder Billigung enthalte, während ſie in der That nur die Erklärung ſein ſoll, daß die Vereinsſtatuten formell dem Staate und dem Publikum die gehörige Sicherheit bieten; gewiß aber die Unklarheit über Begriff und Inhalt der juriſtiſchen Perſönlichkeit, von der wir gleich reden werden. (Siehe namentlich S. 298.) Es wäre, bei der innigen Be- rührung, in welcher das ſtaatliche und volkswirthſchaftliche Leben Deutſch- lands ſteht, gewiß ſehr nahe liegend, nicht bloß deutſche Vereinsverbote, ſondern auch einmal eine deutſche Vereinsgeſetzgebung zu beſitzen! c) Die juriſtiſche Perſönlichkeit als Moment des Vereinsweſens. Blickt man nunmehr zurück auf den Begriff des Vereins und das Weſen der Genehmigung, ſo muß man allerdings fragen, ob ein ſolcher genehmigter Verein nicht zugleich eine juriſtiſche Perſönlichkeit ſei, und ob alſo die Genehmigung ihm nicht den Charakter und das Recht der letzteren gebe. Eigentlich muß man ſagen, daß ſich die Theorie über dieſe Frage nicht ausgeſprochen hat, indem ſie zwar viele Unterſuchungen über die erſtere, aber ſehr wenige über die letztere bietet. Eben ſo ſind die Geſetze im höchſten Grade unklar und verſchieden, die Sache ſelbſt erſcheint aber wohl zweifelhaft; denn wenn die Genehmigung keine Er- laubniß ſondern nur eine Anerkennung der Harmonie der betreffenden Beſtimmungen der Statuten und des Verwaltungsrechts iſt, ſo wird ſie auch kein eigenes Recht verleihen, und mithin keine juriſtiſche Per- ſönlichkeit creiren können, während andererſeits das Weſen des Vereins ohne allen Zweifel ein ſelbſtändig organiſirtes Leben der Gemeinſchaft

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/653>, abgerufen am 29.03.2024.