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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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kein System, sondern eben so viel Abschnitte, als sie gerade haben. Malchus
(Politik der innern Verwaltung) beschäftigt sich nur mit dem Amtsorganismus.
Bei Mohl (Württembergisches Staatsrecht) finden wir die erste systematische
Grundlage; er hat den Gönner'schen Gedanken zu einer organischen Trennung
von Verfassung und Verwaltung ausgebildet, und richtig unter Verwaltung
die Ministerien und die Gemeinden zuerst als "Organismus" zusammengefaßt.
Es ist zu bedauern, daß er seine Gedanken nicht festgehalten, denn in seiner
Encyclopädie ist wieder die alte Unklarheit; die Gemeinde ist hier ganz ver-
schwunden. Pötzl (Die Gemeinden in der Verfassung unter der Kategorie juri-
stische Personen, die Beamten dagegen in der Verwaltung), Weiß (Hessisches
Staatsrecht), und Milhauser (Sächsisches Staatsrecht), Pfister (Badisches
Staatsrecht) stellen sich mit Klüber und Bülau auf den alten Standpunkt, gar
keine allgemeinen Kategorien anzunehmen, sondern einfach Beamten und Ge-
meinden neben einander zu stellen. Vom Vereinswesen ist bei den meisten gar
nicht, bei einigen nur ganz beiläufig die Rede. Es wäre leicht, aber nutzlos,
die Aufzählung zu vermehren. Das Obige wird genügen, um den Beweis zu
liefern, daß wir ohne alles System sind. Doch läßt sich dabei eine nicht
unwichtige Bemerkung nicht unterdrücken. Während das Gemeindewesen früher
gar nicht berücksichtigt ward, hat es, namentlich durch die Entwicklung des
Territorialstaatsrechts, das dasselbe in den größten Theil seiner Verfassungen
aufgenommen, eine bedeutende Anerkennung gefunden. Das Vereinswesen hat
dagegen noch so gut als gar keine öffentlich rechtliche Natur. In dem ersten
liegt jedenfalls ein Fortschritt; aber er ist ein halber, so lange nicht das letzte
hinzu kommt. Und es ist nicht möglich, den Staatsbegriff organisch zu ent-
wickeln, ehe man alle drei Seiten des vollziehenden Organismus als Einheit
neben den beschließenden gestellt haben wird.

III.
Die wirkenden Elemente der organischen Gestaltung der voll-
ziehenden Gewalt oder der Verwaltung im weitern Sinn.
a) Wesen und Gegensätze derselben.

Das, was wir das System des Organismus nennen, ist nun
seinem allgemeinsten Begriffe nach diejenige Ordnung aller einzelnen
Organe unter einander, vermöge deren sie als Gemeinschaft ihre große
Aufgabe erfüllen, und den einheitlichen, als Ganzes zusammenwirkenden
Körper des Staats in seiner vollziehenden Gewalt bilden.

Diese Einheit ist nun zuerst eine rein mechanische. Sie erscheint
in demjenigen Verhalten der einzelnen Theile zu einander, vermöge
welcher die Aktion jedes Organs stets als Aktion des Staats selbst
auftritt. Das subjektive Moment, das in der Thätigkeit der einzelnen

kein Syſtem, ſondern eben ſo viel Abſchnitte, als ſie gerade haben. Malchus
(Politik der innern Verwaltung) beſchäftigt ſich nur mit dem Amtsorganismus.
Bei Mohl (Württembergiſches Staatsrecht) finden wir die erſte ſyſtematiſche
Grundlage; er hat den Gönner’ſchen Gedanken zu einer organiſchen Trennung
von Verfaſſung und Verwaltung ausgebildet, und richtig unter Verwaltung
die Miniſterien und die Gemeinden zuerſt als „Organismus“ zuſammengefaßt.
Es iſt zu bedauern, daß er ſeine Gedanken nicht feſtgehalten, denn in ſeiner
Encyclopädie iſt wieder die alte Unklarheit; die Gemeinde iſt hier ganz ver-
ſchwunden. Pötzl (Die Gemeinden in der Verfaſſung unter der Kategorie juri-
ſtiſche Perſonen, die Beamten dagegen in der Verwaltung), Weiß (Heſſiſches
Staatsrecht), und Milhauſer (Sächſiſches Staatsrecht), Pfiſter (Badiſches
Staatsrecht) ſtellen ſich mit Klüber und Bülau auf den alten Standpunkt, gar
keine allgemeinen Kategorien anzunehmen, ſondern einfach Beamten und Ge-
meinden neben einander zu ſtellen. Vom Vereinsweſen iſt bei den meiſten gar
nicht, bei einigen nur ganz beiläufig die Rede. Es wäre leicht, aber nutzlos,
die Aufzählung zu vermehren. Das Obige wird genügen, um den Beweis zu
liefern, daß wir ohne alles Syſtem ſind. Doch läßt ſich dabei eine nicht
unwichtige Bemerkung nicht unterdrücken. Während das Gemeindeweſen früher
gar nicht berückſichtigt ward, hat es, namentlich durch die Entwicklung des
Territorialſtaatsrechts, das daſſelbe in den größten Theil ſeiner Verfaſſungen
aufgenommen, eine bedeutende Anerkennung gefunden. Das Vereinsweſen hat
dagegen noch ſo gut als gar keine öffentlich rechtliche Natur. In dem erſten
liegt jedenfalls ein Fortſchritt; aber er iſt ein halber, ſo lange nicht das letzte
hinzu kommt. Und es iſt nicht möglich, den Staatsbegriff organiſch zu ent-
wickeln, ehe man alle drei Seiten des vollziehenden Organismus als Einheit
neben den beſchließenden geſtellt haben wird.

III.
Die wirkenden Elemente der organiſchen Geſtaltung der voll-
ziehenden Gewalt oder der Verwaltung im weitern Sinn.
a) Weſen und Gegenſätze derſelben.

Das, was wir das Syſtem des Organismus nennen, iſt nun
ſeinem allgemeinſten Begriffe nach diejenige Ordnung aller einzelnen
Organe unter einander, vermöge deren ſie als Gemeinſchaft ihre große
Aufgabe erfüllen, und den einheitlichen, als Ganzes zuſammenwirkenden
Körper des Staats in ſeiner vollziehenden Gewalt bilden.

Dieſe Einheit iſt nun zuerſt eine rein mechaniſche. Sie erſcheint
in demjenigen Verhalten der einzelnen Theile zu einander, vermöge
welcher die Aktion jedes Organs ſtets als Aktion des Staats ſelbſt
auftritt. Das ſubjektive Moment, das in der Thätigkeit der einzelnen

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[232/0256] kein Syſtem, ſondern eben ſo viel Abſchnitte, als ſie gerade haben. Malchus (Politik der innern Verwaltung) beſchäftigt ſich nur mit dem Amtsorganismus. Bei Mohl (Württembergiſches Staatsrecht) finden wir die erſte ſyſtematiſche Grundlage; er hat den Gönner’ſchen Gedanken zu einer organiſchen Trennung von Verfaſſung und Verwaltung ausgebildet, und richtig unter Verwaltung die Miniſterien und die Gemeinden zuerſt als „Organismus“ zuſammengefaßt. Es iſt zu bedauern, daß er ſeine Gedanken nicht feſtgehalten, denn in ſeiner Encyclopädie iſt wieder die alte Unklarheit; die Gemeinde iſt hier ganz ver- ſchwunden. Pötzl (Die Gemeinden in der Verfaſſung unter der Kategorie juri- ſtiſche Perſonen, die Beamten dagegen in der Verwaltung), Weiß (Heſſiſches Staatsrecht), und Milhauſer (Sächſiſches Staatsrecht), Pfiſter (Badiſches Staatsrecht) ſtellen ſich mit Klüber und Bülau auf den alten Standpunkt, gar keine allgemeinen Kategorien anzunehmen, ſondern einfach Beamten und Ge- meinden neben einander zu ſtellen. Vom Vereinsweſen iſt bei den meiſten gar nicht, bei einigen nur ganz beiläufig die Rede. Es wäre leicht, aber nutzlos, die Aufzählung zu vermehren. Das Obige wird genügen, um den Beweis zu liefern, daß wir ohne alles Syſtem ſind. Doch läßt ſich dabei eine nicht unwichtige Bemerkung nicht unterdrücken. Während das Gemeindeweſen früher gar nicht berückſichtigt ward, hat es, namentlich durch die Entwicklung des Territorialſtaatsrechts, das daſſelbe in den größten Theil ſeiner Verfaſſungen aufgenommen, eine bedeutende Anerkennung gefunden. Das Vereinsweſen hat dagegen noch ſo gut als gar keine öffentlich rechtliche Natur. In dem erſten liegt jedenfalls ein Fortſchritt; aber er iſt ein halber, ſo lange nicht das letzte hinzu kommt. Und es iſt nicht möglich, den Staatsbegriff organiſch zu ent- wickeln, ehe man alle drei Seiten des vollziehenden Organismus als Einheit neben den beſchließenden geſtellt haben wird. III. Die wirkenden Elemente der organiſchen Geſtaltung der voll- ziehenden Gewalt oder der Verwaltung im weitern Sinn. a) Weſen und Gegenſätze derſelben. Das, was wir das Syſtem des Organismus nennen, iſt nun ſeinem allgemeinſten Begriffe nach diejenige Ordnung aller einzelnen Organe unter einander, vermöge deren ſie als Gemeinſchaft ihre große Aufgabe erfüllen, und den einheitlichen, als Ganzes zuſammenwirkenden Körper des Staats in ſeiner vollziehenden Gewalt bilden. Dieſe Einheit iſt nun zuerſt eine rein mechaniſche. Sie erſcheint in demjenigen Verhalten der einzelnen Theile zu einander, vermöge welcher die Aktion jedes Organs ſtets als Aktion des Staats ſelbſt auftritt. Das ſubjektive Moment, das in der Thätigkeit der einzelnen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/256>, abgerufen am 28.03.2024.