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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Ministerium des Innern, und zwar theils als Aufgabe der Staats-
verwaltung, theils als Aufgabe der Selbstverwaltung.

Das Ministerium der geistigen Angelegenheiten wird wieder in das
des Kultus und das des Unterrichts getheilt werden können. Es ist
besser, beide zusammen zu fassen, weil es zu große Uebelstände hat,
namentlich die Volksschule den Geistlichen unterzuordnen, was bis zu
einem gewissen Grade nie vermieden werden kann noch soll, während
man das Ministerium der Schule dem Ministerium der Kirche gleich-
stellt. Ohne eine Verbindung beider in Einem Ministerium wird man
hier schwerlich je zu einem harmonischen Abschluß gelangen.

Am unbestimmtesten weil am weitgreifendsten ist ohne Zweifel das
Ministerium der Volkswirthschaft. Dasselbe hat nicht bloß Handel, Ge-
werbe und Schifffahrt, sondern auch die Bedingungen derselben zu ver-
walten. Zu diesen gehört ein Theil des Unterrichtswesens und ein
Theil der Selbstverwaltung. Und hier läßt sich daher im Einzelnen
gar keine allgemein gültige Gränze ziehen. Nur das muß feststehen,
daß da, wo der Unterricht als Mittel für einen volkswirthschaftlichen
Zweck offen ausgesprochen wird, dieß Gebiet dem Ministerium der
Volkswirthschaft angehört, und ebenso daß die spezielle volkswirthschaft-
liche Thätigkeit der Selbstverwaltung und des Vereinswesens gleichfalls
demselben Ministerium unterstehen muß. Das Einzelne kann erst bei
der Volkswirthschaftspflege dargelegt werden.

Bei dieser Eintheilung nun entsteht die Frage, welche Gebiete dem
Ministerium des Innern übrig bleiben, wenn man nicht, wie es zum
Theil geschieht, einen Theil der volkswirthschaftlichen Verwaltung eigent-
lich nur darum diesem Ministerium vorbehält, weil man dem volks-
wirthschaftlichen Ministerium eben nicht sein ganzes naturgemäßes Ge-
biet einräumt? Was ist ein Ministerium des Innern, wenn es nicht
eben ein Ministerium der Volkswirthschaft bleibt, gleichviel ob es so
heißt oder nicht?

Es ist kaum ein Zweifel, daß durch die Entwicklung der Stellung
und Aufgaben des volkswirthschaftlichen Ministeriums, dem naturgemäß
das ganze Gebiet der Volkswirthschaft angehört und mit der Zeit über-
wiesen werden wird und muß, dem speziell sogenannten Ministerium
des Innern nur ein, und freilich das höchste Gebiet der Verwaltung
zustehen kann, und das ist das Gebiet der gesellschaftlichen Ver-
waltung. Wir scheiden dieß große Gebiet in zwei Haupttheile.

Der erste Theil umfaßt die Gesammtheit aller Formen der freien
Verwaltung, die Körper der Selbstverwaltung sowohl als das ganze
Vereinswesen, so weit dasselbe nicht dem volkswirthschaftlichen Leben
angehört. Alle diese Formen sind im höhern Sinne des Wortes

Miniſterium des Innern, und zwar theils als Aufgabe der Staats-
verwaltung, theils als Aufgabe der Selbſtverwaltung.

Das Miniſterium der geiſtigen Angelegenheiten wird wieder in das
des Kultus und das des Unterrichts getheilt werden können. Es iſt
beſſer, beide zuſammen zu faſſen, weil es zu große Uebelſtände hat,
namentlich die Volksſchule den Geiſtlichen unterzuordnen, was bis zu
einem gewiſſen Grade nie vermieden werden kann noch ſoll, während
man das Miniſterium der Schule dem Miniſterium der Kirche gleich-
ſtellt. Ohne eine Verbindung beider in Einem Miniſterium wird man
hier ſchwerlich je zu einem harmoniſchen Abſchluß gelangen.

Am unbeſtimmteſten weil am weitgreifendſten iſt ohne Zweifel das
Miniſterium der Volkswirthſchaft. Daſſelbe hat nicht bloß Handel, Ge-
werbe und Schifffahrt, ſondern auch die Bedingungen derſelben zu ver-
walten. Zu dieſen gehört ein Theil des Unterrichtsweſens und ein
Theil der Selbſtverwaltung. Und hier läßt ſich daher im Einzelnen
gar keine allgemein gültige Gränze ziehen. Nur das muß feſtſtehen,
daß da, wo der Unterricht als Mittel für einen volkswirthſchaftlichen
Zweck offen ausgeſprochen wird, dieß Gebiet dem Miniſterium der
Volkswirthſchaft angehört, und ebenſo daß die ſpezielle volkswirthſchaft-
liche Thätigkeit der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens gleichfalls
demſelben Miniſterium unterſtehen muß. Das Einzelne kann erſt bei
der Volkswirthſchaftspflege dargelegt werden.

Bei dieſer Eintheilung nun entſteht die Frage, welche Gebiete dem
Miniſterium des Innern übrig bleiben, wenn man nicht, wie es zum
Theil geſchieht, einen Theil der volkswirthſchaftlichen Verwaltung eigent-
lich nur darum dieſem Miniſterium vorbehält, weil man dem volks-
wirthſchaftlichen Miniſterium eben nicht ſein ganzes naturgemäßes Ge-
biet einräumt? Was iſt ein Miniſterium des Innern, wenn es nicht
eben ein Miniſterium der Volkswirthſchaft bleibt, gleichviel ob es ſo
heißt oder nicht?

Es iſt kaum ein Zweifel, daß durch die Entwicklung der Stellung
und Aufgaben des volkswirthſchaftlichen Miniſteriums, dem naturgemäß
das ganze Gebiet der Volkswirthſchaft angehört und mit der Zeit über-
wieſen werden wird und muß, dem ſpeziell ſogenannten Miniſterium
des Innern nur ein, und freilich das höchſte Gebiet der Verwaltung
zuſtehen kann, und das iſt das Gebiet der geſellſchaftlichen Ver-
waltung. Wir ſcheiden dieß große Gebiet in zwei Haupttheile.

Der erſte Theil umfaßt die Geſammtheit aller Formen der freien
Verwaltung, die Körper der Selbſtverwaltung ſowohl als das ganze
Vereinsweſen, ſo weit daſſelbe nicht dem volkswirthſchaftlichen Leben
angehört. Alle dieſe Formen ſind im höhern Sinne des Wortes

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[317/0341] Miniſterium des Innern, und zwar theils als Aufgabe der Staats- verwaltung, theils als Aufgabe der Selbſtverwaltung. Das Miniſterium der geiſtigen Angelegenheiten wird wieder in das des Kultus und das des Unterrichts getheilt werden können. Es iſt beſſer, beide zuſammen zu faſſen, weil es zu große Uebelſtände hat, namentlich die Volksſchule den Geiſtlichen unterzuordnen, was bis zu einem gewiſſen Grade nie vermieden werden kann noch ſoll, während man das Miniſterium der Schule dem Miniſterium der Kirche gleich- ſtellt. Ohne eine Verbindung beider in Einem Miniſterium wird man hier ſchwerlich je zu einem harmoniſchen Abſchluß gelangen. Am unbeſtimmteſten weil am weitgreifendſten iſt ohne Zweifel das Miniſterium der Volkswirthſchaft. Daſſelbe hat nicht bloß Handel, Ge- werbe und Schifffahrt, ſondern auch die Bedingungen derſelben zu ver- walten. Zu dieſen gehört ein Theil des Unterrichtsweſens und ein Theil der Selbſtverwaltung. Und hier läßt ſich daher im Einzelnen gar keine allgemein gültige Gränze ziehen. Nur das muß feſtſtehen, daß da, wo der Unterricht als Mittel für einen volkswirthſchaftlichen Zweck offen ausgeſprochen wird, dieß Gebiet dem Miniſterium der Volkswirthſchaft angehört, und ebenſo daß die ſpezielle volkswirthſchaft- liche Thätigkeit der Selbſtverwaltung und des Vereinsweſens gleichfalls demſelben Miniſterium unterſtehen muß. Das Einzelne kann erſt bei der Volkswirthſchaftspflege dargelegt werden. Bei dieſer Eintheilung nun entſteht die Frage, welche Gebiete dem Miniſterium des Innern übrig bleiben, wenn man nicht, wie es zum Theil geſchieht, einen Theil der volkswirthſchaftlichen Verwaltung eigent- lich nur darum dieſem Miniſterium vorbehält, weil man dem volks- wirthſchaftlichen Miniſterium eben nicht ſein ganzes naturgemäßes Ge- biet einräumt? Was iſt ein Miniſterium des Innern, wenn es nicht eben ein Miniſterium der Volkswirthſchaft bleibt, gleichviel ob es ſo heißt oder nicht? Es iſt kaum ein Zweifel, daß durch die Entwicklung der Stellung und Aufgaben des volkswirthſchaftlichen Miniſteriums, dem naturgemäß das ganze Gebiet der Volkswirthſchaft angehört und mit der Zeit über- wieſen werden wird und muß, dem ſpeziell ſogenannten Miniſterium des Innern nur ein, und freilich das höchſte Gebiet der Verwaltung zuſtehen kann, und das iſt das Gebiet der geſellſchaftlichen Ver- waltung. Wir ſcheiden dieß große Gebiet in zwei Haupttheile. Der erſte Theil umfaßt die Geſammtheit aller Formen der freien Verwaltung, die Körper der Selbſtverwaltung ſowohl als das ganze Vereinsweſen, ſo weit daſſelbe nicht dem volkswirthſchaftlichen Leben angehört. Alle dieſe Formen ſind im höhern Sinne des Wortes

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/341>, abgerufen am 24.04.2024.