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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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für die Uebernahme der Verantwortlichkeit von Seiten des Ministeriums
für die einzelnen Thätigkeiten der beiderseitigen Behörden.

Am wichtigsten aber ist die dritte Folge, daß das Ministerium sich
das System seiner Mittelbehörden entwickeln, und sich über die
Funktion desselben klar sein muß. Es ist sehr leicht die Nothwendigkeit
von Mittelbehörden anzuerkennen, aber sehr schwer zu sagen, was sie
eigentlich zu thun haben. Daher besteht gerade auf diesem Gebiet die
größte Verschiedenheit und der größte Wechsel. Es ist eine eigene
Arbeit, in dieser Beziehung eine Vergleichung durchzuführen. Wir be-
merken dabei, daß hier verschiedene Gesichtspunkte in Frage kommen.
Der erste ist der, daß jedes Ministerium sein System von Mittel-
behörden mit der ihm entsprechenden Landeseintheilung haben wird. Dieß
ist sehr einfach, so lange man die fünf Hauptministerien aufstellt. So
wie man aber wieder aus dem Innern die vier Verwaltungsministerien
Polizei, Unterricht, Volkswirthschaft und Inneres macht, wird die
Sache sehr verwickelt. Hier erscheint in den meisten Fällen als Grund-
lage des Systems der Mittelbehörden die Combination wenigstens der
drei letzten Verwaltungsbehörden in Einem Körper, jedoch in der Weise,
daß dieser Körper durch Beiziehung eigends dazu bestimmter Organe
und Herstellung einer eigenen Abtheilung eine Mittelbehörde für jedes
jener Verwaltungsgebiete des Innern bildet, so daß hier die politische
Landeseintheilung für alle zusammenfällt, und der Zusammenhang
jener vier Funktionen in dem Zusammenhange der betreffenden Ab-
theilungen ausgedrückt ist. -- Der zweite Gesichtspunkt betrifft die
Competenz dieser Mittelbehörden. Sie ist grundsätzlich und für alle
Behörden eine oberaufsehende, und eine in zweiter Instanz entscheidende.
Die Grundlage dafür bildet das Gerichtswesen, das bekanntlich über-
haupt das Behördensystem unter dem Titel des Instanzenzuges
zuerst bei sich ausgebildet hat. Der Begriff der Instanz kann nicht
den Sinn der höheren Bildung oder des richtigeren Verständnisses des
Gesetzes haben, denn sie wäre sonst ein unlösbarer Widerspruch mit
der Funktion der Ortsgerichte. Sie bedeutet vielmehr, daß auch im
Recht die Rechtsbildung wie das ganze übrige menschliche Leben theils
örtlich, theils staatlich vor sich geht, und daß daher die Verwaltung
des Rechts von einem, dem rechtsbildenden Körper entsprechenden
Systeme von Organen vertreten werden muß. Die zweite Instanz ist
das Organ für das Landesrecht, während die erste die für das Orts-
recht, die dritte die für das Reichsrecht ist. In der That ist das auch
historisch der Gang der Instanzenbildung. Dem haben sich die übrigen
Behördensysteme angeschlossen, und die Forderung, daß es auch in der
Verwaltung wie in der Justiz drei "Instanzen" geben müsse, ist demnach

für die Uebernahme der Verantwortlichkeit von Seiten des Miniſteriums
für die einzelnen Thätigkeiten der beiderſeitigen Behörden.

Am wichtigſten aber iſt die dritte Folge, daß das Miniſterium ſich
das Syſtem ſeiner Mittelbehörden entwickeln, und ſich über die
Funktion deſſelben klar ſein muß. Es iſt ſehr leicht die Nothwendigkeit
von Mittelbehörden anzuerkennen, aber ſehr ſchwer zu ſagen, was ſie
eigentlich zu thun haben. Daher beſteht gerade auf dieſem Gebiet die
größte Verſchiedenheit und der größte Wechſel. Es iſt eine eigene
Arbeit, in dieſer Beziehung eine Vergleichung durchzuführen. Wir be-
merken dabei, daß hier verſchiedene Geſichtspunkte in Frage kommen.
Der erſte iſt der, daß jedes Miniſterium ſein Syſtem von Mittel-
behörden mit der ihm entſprechenden Landeseintheilung haben wird. Dieß
iſt ſehr einfach, ſo lange man die fünf Hauptminiſterien aufſtellt. So
wie man aber wieder aus dem Innern die vier Verwaltungsminiſterien
Polizei, Unterricht, Volkswirthſchaft und Inneres macht, wird die
Sache ſehr verwickelt. Hier erſcheint in den meiſten Fällen als Grund-
lage des Syſtems der Mittelbehörden die Combination wenigſtens der
drei letzten Verwaltungsbehörden in Einem Körper, jedoch in der Weiſe,
daß dieſer Körper durch Beiziehung eigends dazu beſtimmter Organe
und Herſtellung einer eigenen Abtheilung eine Mittelbehörde für jedes
jener Verwaltungsgebiete des Innern bildet, ſo daß hier die politiſche
Landeseintheilung für alle zuſammenfällt, und der Zuſammenhang
jener vier Funktionen in dem Zuſammenhange der betreffenden Ab-
theilungen ausgedrückt iſt. — Der zweite Geſichtspunkt betrifft die
Competenz dieſer Mittelbehörden. Sie iſt grundſätzlich und für alle
Behörden eine oberaufſehende, und eine in zweiter Inſtanz entſcheidende.
Die Grundlage dafür bildet das Gerichtsweſen, das bekanntlich über-
haupt das Behördenſyſtem unter dem Titel des Inſtanzenzuges
zuerſt bei ſich ausgebildet hat. Der Begriff der Inſtanz kann nicht
den Sinn der höheren Bildung oder des richtigeren Verſtändniſſes des
Geſetzes haben, denn ſie wäre ſonſt ein unlösbarer Widerſpruch mit
der Funktion der Ortsgerichte. Sie bedeutet vielmehr, daß auch im
Recht die Rechtsbildung wie das ganze übrige menſchliche Leben theils
örtlich, theils ſtaatlich vor ſich geht, und daß daher die Verwaltung
des Rechts von einem, dem rechtsbildenden Körper entſprechenden
Syſteme von Organen vertreten werden muß. Die zweite Inſtanz iſt
das Organ für das Landesrecht, während die erſte die für das Orts-
recht, die dritte die für das Reichsrecht iſt. In der That iſt das auch
hiſtoriſch der Gang der Inſtanzenbildung. Dem haben ſich die übrigen
Behördenſyſteme angeſchloſſen, und die Forderung, daß es auch in der
Verwaltung wie in der Juſtiz drei „Inſtanzen“ geben müſſe, iſt demnach

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[332/0356] für die Uebernahme der Verantwortlichkeit von Seiten des Miniſteriums für die einzelnen Thätigkeiten der beiderſeitigen Behörden. Am wichtigſten aber iſt die dritte Folge, daß das Miniſterium ſich das Syſtem ſeiner Mittelbehörden entwickeln, und ſich über die Funktion deſſelben klar ſein muß. Es iſt ſehr leicht die Nothwendigkeit von Mittelbehörden anzuerkennen, aber ſehr ſchwer zu ſagen, was ſie eigentlich zu thun haben. Daher beſteht gerade auf dieſem Gebiet die größte Verſchiedenheit und der größte Wechſel. Es iſt eine eigene Arbeit, in dieſer Beziehung eine Vergleichung durchzuführen. Wir be- merken dabei, daß hier verſchiedene Geſichtspunkte in Frage kommen. Der erſte iſt der, daß jedes Miniſterium ſein Syſtem von Mittel- behörden mit der ihm entſprechenden Landeseintheilung haben wird. Dieß iſt ſehr einfach, ſo lange man die fünf Hauptminiſterien aufſtellt. So wie man aber wieder aus dem Innern die vier Verwaltungsminiſterien Polizei, Unterricht, Volkswirthſchaft und Inneres macht, wird die Sache ſehr verwickelt. Hier erſcheint in den meiſten Fällen als Grund- lage des Syſtems der Mittelbehörden die Combination wenigſtens der drei letzten Verwaltungsbehörden in Einem Körper, jedoch in der Weiſe, daß dieſer Körper durch Beiziehung eigends dazu beſtimmter Organe und Herſtellung einer eigenen Abtheilung eine Mittelbehörde für jedes jener Verwaltungsgebiete des Innern bildet, ſo daß hier die politiſche Landeseintheilung für alle zuſammenfällt, und der Zuſammenhang jener vier Funktionen in dem Zuſammenhange der betreffenden Ab- theilungen ausgedrückt iſt. — Der zweite Geſichtspunkt betrifft die Competenz dieſer Mittelbehörden. Sie iſt grundſätzlich und für alle Behörden eine oberaufſehende, und eine in zweiter Inſtanz entſcheidende. Die Grundlage dafür bildet das Gerichtsweſen, das bekanntlich über- haupt das Behördenſyſtem unter dem Titel des Inſtanzenzuges zuerſt bei ſich ausgebildet hat. Der Begriff der Inſtanz kann nicht den Sinn der höheren Bildung oder des richtigeren Verſtändniſſes des Geſetzes haben, denn ſie wäre ſonſt ein unlösbarer Widerſpruch mit der Funktion der Ortsgerichte. Sie bedeutet vielmehr, daß auch im Recht die Rechtsbildung wie das ganze übrige menſchliche Leben theils örtlich, theils ſtaatlich vor ſich geht, und daß daher die Verwaltung des Rechts von einem, dem rechtsbildenden Körper entſprechenden Syſteme von Organen vertreten werden muß. Die zweite Inſtanz iſt das Organ für das Landesrecht, während die erſte die für das Orts- recht, die dritte die für das Reichsrecht iſt. In der That iſt das auch hiſtoriſch der Gang der Inſtanzenbildung. Dem haben ſich die übrigen Behördenſyſteme angeſchloſſen, und die Forderung, daß es auch in der Verwaltung wie in der Juſtiz drei „Inſtanzen“ geben müſſe, iſt demnach

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/356>, abgerufen am 24.04.2024.