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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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der Wille und die That sind daher unbedingt in dem Selbstverwal-
tungskörper vorhanden; aber sie sind, wie wir sehen werden, sehr ver-
schieden entwickelt, und müssen unter den verschiedensten Namen auf-
gesucht werden. Dennoch ist ihre Funktion stets im Wesentlichen gleich.
Dieser Organismus nun ist dadurch ein freier, daß die Mitglieder
der Selbstverwaltungskörper sich jene Organe selbst wählen, und
daher auch dieselben von sich selbst abhängig und sich selber verant-
wortlich machen. Nur ist hier der Unterschied noch weit größer wie in
den organischen Grundformen, was bei der Aufzählung der Haupt-
formen dieser Körper von selbst verständlich wird.

4) Die drei Grundformen dieser Selbstverwaltungskörper sind nun
bekannt genug, und sollen in ihrer Besonderheit unten genauer ent-
wickelt werden. Es muß uns daher genügen sie hier mit wenig Worten
zu charakterisiren, um nur die Vergleichung der Hauptländer einerseits,
und den Unterschied von den Vertretungen andererseits recht verständ-
lich zu machen.

Die erste Grundform ist das Land und die Landschaft. Wir
gebrauchen zunächst diesen allgemeinen Namen, weil er den Gegenstand
am besten bezeichnet. Es ist dieselbe, die auf der theils historischen,
theils natürlichen Gleichartigkeit der Bedingungen und Ordnungen des
gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Lebens entstandene Gemeinschaft
gewisser theils socialer, theils volkswirthschaftlicher Thatsachen, Interessen
und Aufgaben, welche als Objekt der Thätigkeit der Selbstverwaltung
den Organismus der Landschaft oder der Landstände erzeugen.

Die zweite Grundform ist dagegen die Gemeinde, welche eben
auf der örtlichen Gestalt und Gemeinschaft aller Interessen ihrer An-
gehörigen beruht, und durch die Verwaltung derselben den Hauptkörper
der Selbstverwaltung bildet.

Die dritte Grundform endlich ist das was wir die Corporation
nennen; sie entsteht, wo für einen bestimmten öffentlichen Zweck ein
bestimmtes Vermögen gesetzt und verwaltet wird.

Alle diese Formen haben nun allerdings wieder in den verschiedenen
Ländern Nebenformen, Uebergangsbildungen, Unterarten; das staatliche
wie das innere Recht derselben ist sehr verschieden, sowohl in Princip
als in Ausdehnung; die Stellung, welche sie einnehmen, ist deßhalb
zum Theil kaum vergleichbar; dennoch ist es kein Zweifel, daß wir alle
dahin gehörigen Erscheinungen auf jene drei Grundformen zurück zu
führen haben.

Der Gegenstand wird es nun wohl auch hier verzeihlich machen,
wenn wir die bisher dargelegten Elemente in einem Schema dar-
stellen, an welches sich dann wie an ein festes Knochensystem die reiche

der Wille und die That ſind daher unbedingt in dem Selbſtverwal-
tungskörper vorhanden; aber ſie ſind, wie wir ſehen werden, ſehr ver-
ſchieden entwickelt, und müſſen unter den verſchiedenſten Namen auf-
geſucht werden. Dennoch iſt ihre Funktion ſtets im Weſentlichen gleich.
Dieſer Organismus nun iſt dadurch ein freier, daß die Mitglieder
der Selbſtverwaltungskörper ſich jene Organe ſelbſt wählen, und
daher auch dieſelben von ſich ſelbſt abhängig und ſich ſelber verant-
wortlich machen. Nur iſt hier der Unterſchied noch weit größer wie in
den organiſchen Grundformen, was bei der Aufzählung der Haupt-
formen dieſer Körper von ſelbſt verſtändlich wird.

4) Die drei Grundformen dieſer Selbſtverwaltungskörper ſind nun
bekannt genug, und ſollen in ihrer Beſonderheit unten genauer ent-
wickelt werden. Es muß uns daher genügen ſie hier mit wenig Worten
zu charakteriſiren, um nur die Vergleichung der Hauptländer einerſeits,
und den Unterſchied von den Vertretungen andererſeits recht verſtänd-
lich zu machen.

Die erſte Grundform iſt das Land und die Landſchaft. Wir
gebrauchen zunächſt dieſen allgemeinen Namen, weil er den Gegenſtand
am beſten bezeichnet. Es iſt dieſelbe, die auf der theils hiſtoriſchen,
theils natürlichen Gleichartigkeit der Bedingungen und Ordnungen des
geſellſchaftlichen und wirthſchaftlichen Lebens entſtandene Gemeinſchaft
gewiſſer theils ſocialer, theils volkswirthſchaftlicher Thatſachen, Intereſſen
und Aufgaben, welche als Objekt der Thätigkeit der Selbſtverwaltung
den Organismus der Landſchaft oder der Landſtände erzeugen.

Die zweite Grundform iſt dagegen die Gemeinde, welche eben
auf der örtlichen Geſtalt und Gemeinſchaft aller Intereſſen ihrer An-
gehörigen beruht, und durch die Verwaltung derſelben den Hauptkörper
der Selbſtverwaltung bildet.

Die dritte Grundform endlich iſt das was wir die Corporation
nennen; ſie entſteht, wo für einen beſtimmten öffentlichen Zweck ein
beſtimmtes Vermögen geſetzt und verwaltet wird.

Alle dieſe Formen haben nun allerdings wieder in den verſchiedenen
Ländern Nebenformen, Uebergangsbildungen, Unterarten; das ſtaatliche
wie das innere Recht derſelben iſt ſehr verſchieden, ſowohl in Princip
als in Ausdehnung; die Stellung, welche ſie einnehmen, iſt deßhalb
zum Theil kaum vergleichbar; dennoch iſt es kein Zweifel, daß wir alle
dahin gehörigen Erſcheinungen auf jene drei Grundformen zurück zu
führen haben.

Der Gegenſtand wird es nun wohl auch hier verzeihlich machen,
wenn wir die bisher dargelegten Elemente in einem Schema dar-
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[378/0402] der Wille und die That ſind daher unbedingt in dem Selbſtverwal- tungskörper vorhanden; aber ſie ſind, wie wir ſehen werden, ſehr ver- ſchieden entwickelt, und müſſen unter den verſchiedenſten Namen auf- geſucht werden. Dennoch iſt ihre Funktion ſtets im Weſentlichen gleich. Dieſer Organismus nun iſt dadurch ein freier, daß die Mitglieder der Selbſtverwaltungskörper ſich jene Organe ſelbſt wählen, und daher auch dieſelben von ſich ſelbſt abhängig und ſich ſelber verant- wortlich machen. Nur iſt hier der Unterſchied noch weit größer wie in den organiſchen Grundformen, was bei der Aufzählung der Haupt- formen dieſer Körper von ſelbſt verſtändlich wird. 4) Die drei Grundformen dieſer Selbſtverwaltungskörper ſind nun bekannt genug, und ſollen in ihrer Beſonderheit unten genauer ent- wickelt werden. Es muß uns daher genügen ſie hier mit wenig Worten zu charakteriſiren, um nur die Vergleichung der Hauptländer einerſeits, und den Unterſchied von den Vertretungen andererſeits recht verſtänd- lich zu machen. Die erſte Grundform iſt das Land und die Landſchaft. Wir gebrauchen zunächſt dieſen allgemeinen Namen, weil er den Gegenſtand am beſten bezeichnet. Es iſt dieſelbe, die auf der theils hiſtoriſchen, theils natürlichen Gleichartigkeit der Bedingungen und Ordnungen des geſellſchaftlichen und wirthſchaftlichen Lebens entſtandene Gemeinſchaft gewiſſer theils ſocialer, theils volkswirthſchaftlicher Thatſachen, Intereſſen und Aufgaben, welche als Objekt der Thätigkeit der Selbſtverwaltung den Organismus der Landſchaft oder der Landſtände erzeugen. Die zweite Grundform iſt dagegen die Gemeinde, welche eben auf der örtlichen Geſtalt und Gemeinſchaft aller Intereſſen ihrer An- gehörigen beruht, und durch die Verwaltung derſelben den Hauptkörper der Selbſtverwaltung bildet. Die dritte Grundform endlich iſt das was wir die Corporation nennen; ſie entſteht, wo für einen beſtimmten öffentlichen Zweck ein beſtimmtes Vermögen geſetzt und verwaltet wird. Alle dieſe Formen haben nun allerdings wieder in den verſchiedenen Ländern Nebenformen, Uebergangsbildungen, Unterarten; das ſtaatliche wie das innere Recht derſelben iſt ſehr verſchieden, ſowohl in Princip als in Ausdehnung; die Stellung, welche ſie einnehmen, iſt deßhalb zum Theil kaum vergleichbar; dennoch iſt es kein Zweifel, daß wir alle dahin gehörigen Erſcheinungen auf jene drei Grundformen zurück zu führen haben. Der Gegenſtand wird es nun wohl auch hier verzeihlich machen, wenn wir die bisher dargelegten Elemente in einem Schema dar- ſtellen, an welches ſich dann wie an ein feſtes Knochenſyſtem die reiche

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/402>, abgerufen am 29.03.2024.