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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Association in allen Formen, welche wieder das Gesellschaftsrecht
hervorrufen.

Die dritte Epoche ist diejenige, welche die socialen Klassenvereine
hervorruft. Hier berührt das Vereinswesen das Verwaltungsrecht in
innigerer Weise, und die Nothwendigkeit, ein allgemeines Vereinsrecht
zu schaffen, wird klar, ohne doch zum Durchbruche zu gelangen. Mitten
in dieser Epoche stehen wir, an den einzelnen großen Theilen jenes
Gebietes arbeitend.

Diese drei Grundformen haben nun, wie das Verwaltungsrecht
überhaupt, wieder ihre spezielle Gestalt in England, Frankreich und
Deutschland.

In England hat die Freiheit der Selbstverwaltung weder das
polizeiliche Element des Verbotes und der Bestrafung der Verbindungen,
noch der Unterdrückung der politischen Vereine zugelassen. Daher aber
hat auch das ganze Gebiet der volkswirthschaftlichen Vereine als solches
vom Staate keine Hülfe zu gewärtigen, sondern es ist jeder Verein auf
sich selbst angewiesen, und weder das Bedürfniß, noch das Element
eines allgemeinen Vereinsrechts entstanden. Das englische Vereinsrecht
ist nichts als die Summe des Einzelrechts aller einzelnen
Vereine
, mit sehr wenigen Ausnahmen.

In Frankreich hat sich dagegen das Vereinsrecht in zwei große
Gruppen getheilt. Die Selbständigkeit der Staatsverwaltung, welche,
wie wir gesehen, das ganze französische Leben durchzieht, hat ein selb-
ständiges Eingreifen des Vereinslebens in die Verwaltung eben so wenig
zugelassen, als sie demselben ein eigenes Verwaltungsrecht gegeben hat.
Daher hat das französische Vereinsrecht nur auf zwei Punkten seine
Ausbildung gefunden; hier aber ist es daher auch desto weiter gelangt.
Der erste Punkt ist das polizeiliche Verbots- und Ueberwachungs-
recht
aller politischen Vereine; der zweite ist das bürgerliche Recht
der Erwerbsgesellschaften
. In beiden ist es zum Muster für
Deutschland geworden.

In Deutschland endlich hat sich die langsame Entwicklung des
öffentlichen Rechts zunächst an die Vereinspolizei Frankreichs
angeschlossen; allein die neueren Zustände haben dennoch hier allmählig
die Grundsätze der freieren Bewegung zugelassen. Zweitens hat Deutsch-
land auch das französische bürgerliche Recht der Erwerbsgesellschaften
in seinem Handelsgesetzbuche recipirt, ohne es eigentlich recht zu Ende
zu bringen. Denn es läßt sich nicht verkennen, daß der deutsche Stand-
punkt hier ein höherer ist, als der streng civilrechtliche Frankreichs. Im
deutschen Vereinsrecht, sogar schon im deutschen Handelsgesetzbuch sind
die organischen Elemente der Vereinsverwaltung im Wesentlichen, wenn

Aſſociation in allen Formen, welche wieder das Geſellſchaftsrecht
hervorrufen.

Die dritte Epoche iſt diejenige, welche die ſocialen Klaſſenvereine
hervorruft. Hier berührt das Vereinsweſen das Verwaltungsrecht in
innigerer Weiſe, und die Nothwendigkeit, ein allgemeines Vereinsrecht
zu ſchaffen, wird klar, ohne doch zum Durchbruche zu gelangen. Mitten
in dieſer Epoche ſtehen wir, an den einzelnen großen Theilen jenes
Gebietes arbeitend.

Dieſe drei Grundformen haben nun, wie das Verwaltungsrecht
überhaupt, wieder ihre ſpezielle Geſtalt in England, Frankreich und
Deutſchland.

In England hat die Freiheit der Selbſtverwaltung weder das
polizeiliche Element des Verbotes und der Beſtrafung der Verbindungen,
noch der Unterdrückung der politiſchen Vereine zugelaſſen. Daher aber
hat auch das ganze Gebiet der volkswirthſchaftlichen Vereine als ſolches
vom Staate keine Hülfe zu gewärtigen, ſondern es iſt jeder Verein auf
ſich ſelbſt angewieſen, und weder das Bedürfniß, noch das Element
eines allgemeinen Vereinsrechts entſtanden. Das engliſche Vereinsrecht
iſt nichts als die Summe des Einzelrechts aller einzelnen
Vereine
, mit ſehr wenigen Ausnahmen.

In Frankreich hat ſich dagegen das Vereinsrecht in zwei große
Gruppen getheilt. Die Selbſtändigkeit der Staatsverwaltung, welche,
wie wir geſehen, das ganze franzöſiſche Leben durchzieht, hat ein ſelb-
ſtändiges Eingreifen des Vereinslebens in die Verwaltung eben ſo wenig
zugelaſſen, als ſie demſelben ein eigenes Verwaltungsrecht gegeben hat.
Daher hat das franzöſiſche Vereinsrecht nur auf zwei Punkten ſeine
Ausbildung gefunden; hier aber iſt es daher auch deſto weiter gelangt.
Der erſte Punkt iſt das polizeiliche Verbots- und Ueberwachungs-
recht
aller politiſchen Vereine; der zweite iſt das bürgerliche Recht
der Erwerbsgeſellſchaften
. In beiden iſt es zum Muſter für
Deutſchland geworden.

In Deutſchland endlich hat ſich die langſame Entwicklung des
öffentlichen Rechts zunächſt an die Vereinspolizei Frankreichs
angeſchloſſen; allein die neueren Zuſtände haben dennoch hier allmählig
die Grundſätze der freieren Bewegung zugelaſſen. Zweitens hat Deutſch-
land auch das franzöſiſche bürgerliche Recht der Erwerbsgeſellſchaften
in ſeinem Handelsgeſetzbuche recipirt, ohne es eigentlich recht zu Ende
zu bringen. Denn es läßt ſich nicht verkennen, daß der deutſche Stand-
punkt hier ein höherer iſt, als der ſtreng civilrechtliche Frankreichs. Im
deutſchen Vereinsrecht, ſogar ſchon im deutſchen Handelsgeſetzbuch ſind
die organiſchen Elemente der Vereinsverwaltung im Weſentlichen, wenn

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[538/0562] Aſſociation in allen Formen, welche wieder das Geſellſchaftsrecht hervorrufen. Die dritte Epoche iſt diejenige, welche die ſocialen Klaſſenvereine hervorruft. Hier berührt das Vereinsweſen das Verwaltungsrecht in innigerer Weiſe, und die Nothwendigkeit, ein allgemeines Vereinsrecht zu ſchaffen, wird klar, ohne doch zum Durchbruche zu gelangen. Mitten in dieſer Epoche ſtehen wir, an den einzelnen großen Theilen jenes Gebietes arbeitend. Dieſe drei Grundformen haben nun, wie das Verwaltungsrecht überhaupt, wieder ihre ſpezielle Geſtalt in England, Frankreich und Deutſchland. In England hat die Freiheit der Selbſtverwaltung weder das polizeiliche Element des Verbotes und der Beſtrafung der Verbindungen, noch der Unterdrückung der politiſchen Vereine zugelaſſen. Daher aber hat auch das ganze Gebiet der volkswirthſchaftlichen Vereine als ſolches vom Staate keine Hülfe zu gewärtigen, ſondern es iſt jeder Verein auf ſich ſelbſt angewieſen, und weder das Bedürfniß, noch das Element eines allgemeinen Vereinsrechts entſtanden. Das engliſche Vereinsrecht iſt nichts als die Summe des Einzelrechts aller einzelnen Vereine, mit ſehr wenigen Ausnahmen. In Frankreich hat ſich dagegen das Vereinsrecht in zwei große Gruppen getheilt. Die Selbſtändigkeit der Staatsverwaltung, welche, wie wir geſehen, das ganze franzöſiſche Leben durchzieht, hat ein ſelb- ſtändiges Eingreifen des Vereinslebens in die Verwaltung eben ſo wenig zugelaſſen, als ſie demſelben ein eigenes Verwaltungsrecht gegeben hat. Daher hat das franzöſiſche Vereinsrecht nur auf zwei Punkten ſeine Ausbildung gefunden; hier aber iſt es daher auch deſto weiter gelangt. Der erſte Punkt iſt das polizeiliche Verbots- und Ueberwachungs- recht aller politiſchen Vereine; der zweite iſt das bürgerliche Recht der Erwerbsgeſellſchaften. In beiden iſt es zum Muſter für Deutſchland geworden. In Deutſchland endlich hat ſich die langſame Entwicklung des öffentlichen Rechts zunächſt an die Vereinspolizei Frankreichs angeſchloſſen; allein die neueren Zuſtände haben dennoch hier allmählig die Grundſätze der freieren Bewegung zugelaſſen. Zweitens hat Deutſch- land auch das franzöſiſche bürgerliche Recht der Erwerbsgeſellſchaften in ſeinem Handelsgeſetzbuche recipirt, ohne es eigentlich recht zu Ende zu bringen. Denn es läßt ſich nicht verkennen, daß der deutſche Stand- punkt hier ein höherer iſt, als der ſtreng civilrechtliche Frankreichs. Im deutſchen Vereinsrecht, ſogar ſchon im deutſchen Handelsgeſetzbuch ſind die organiſchen Elemente der Vereinsverwaltung im Weſentlichen, wenn

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/562>, abgerufen am 19.04.2024.