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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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wollte. Denn wenn wir oben behauptet haben, daß dasselbe einen mächtigen
und höchst großartigen Organismus bildet, der das ganze Staatsleben durch-
zieht, und seinerseits die Verwaltung mit seiner Thätigkeit und seiner Kraft
theils schon wirklich erfüllt, theils zu erfüllen bestimmt ist, so wird schon das
obige System den entscheidenden Beweis dafür liefern. Was aber die Statistik
des Vereinswesens als eines Ganzen betrifft, so ist uns kein anderes Werk dar-
über bekannt, als die statistische Darstellung des Vereinswesens im Kai-
serthum Oesterreich
von Dr. M. v. Stubenrauch (1857), das zugleich
die Geschichte der Vereinsgesetzgebung in Oesterreich enthält. Wir hoffen, daß
dieß höchst reichhaltige Werk bald Nachfolger finden möge.

IV. Das Vereinsrecht.

Wir betreten mit dem Vereinsrecht das letzte Gebiet des Rechts
der vollziehenden Gewalt, und das letzte der freien Verwaltung. In-
dem wir seinen Inhalt darzulegen beginnen, können wir uns nicht ver-
hehlen, daß wir hier mit noch größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben,
wie bei dem Begriffe und dem Systeme der Selbstverwaltung im All-
gemeinen, des Gemeindewesens oder der örtlichen Selbstverwaltung im
Besonderen.

Es wird nämlich auch hier unvermeidlich sein, der Lehre vom
Vereinsrecht eine eingehende Begriffsbestimmung dessen, was wir im
Sinne des öffentlichen Rechts einen Verein nennen, voraus zu senden.
Das Vereinsrecht selbst enthält, wie alles Recht, nur die Anerkennung
der persönlichen Selbständigkeit des Vereins im Ganzen und in allen
seinen einzelnen Lebensverhältnissen. Es ist daher undenkbar ohne
eine scharfe Scheidung dessen, was wir einen Verein nennen, von den
ähnlichen Formen des Gesammtlebens; oder vielmehr das Vereinsrecht
ist auch hier eben nur diese rechtliche Anerkennung jenes selbständig sich
von den verwandten Gestaltungen scheidenden Begriffs des Vereins.
Diese Unterscheidung ist daher an und für sich die Grundlage und zu-
gleich die Erklärung alles dessen, was wir Vereinsrecht nennen. Die
Wahrheit dieses Vereinsrechtes wird, bei dem großen Mangel an jeder
durchgreifenden Gesetzgebung und bei der Verwirrung der Gränzen in
dem bestehenden Recht, eben vor allem auf dem richtigen Verständniß
jenes Wesens des Vereins beruhen, und in seiner Harmonie mit dem-
selben seine wahre Geltung finden. Und wenn wir deßhalb sagen müssen,
daß wir weder eine ausreichende Gesetzgebung noch eine genügende
Theorie vom Vereinsrecht besitzen, so beruht das zuvörderst auf dem
Mangel eines scharfen und genügenden Begriffs vom Wesen des Vereins.
Es wird sich auch hier wieder das eigentliche Wesen des Rechts und
seiner Wissenschaft bewähren, daß beide uns -- fast unerbittlich --

wollte. Denn wenn wir oben behauptet haben, daß daſſelbe einen mächtigen
und höchſt großartigen Organismus bildet, der das ganze Staatsleben durch-
zieht, und ſeinerſeits die Verwaltung mit ſeiner Thätigkeit und ſeiner Kraft
theils ſchon wirklich erfüllt, theils zu erfüllen beſtimmt iſt, ſo wird ſchon das
obige Syſtem den entſcheidenden Beweis dafür liefern. Was aber die Statiſtik
des Vereinsweſens als eines Ganzen betrifft, ſo iſt uns kein anderes Werk dar-
über bekannt, als die ſtatiſtiſche Darſtellung des Vereinsweſens im Kai-
ſerthum Oeſterreich
von Dr. M. v. Stubenrauch (1857), das zugleich
die Geſchichte der Vereinsgeſetzgebung in Oeſterreich enthält. Wir hoffen, daß
dieß höchſt reichhaltige Werk bald Nachfolger finden möge.

IV. Das Vereinsrecht.

Wir betreten mit dem Vereinsrecht das letzte Gebiet des Rechts
der vollziehenden Gewalt, und das letzte der freien Verwaltung. In-
dem wir ſeinen Inhalt darzulegen beginnen, können wir uns nicht ver-
hehlen, daß wir hier mit noch größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben,
wie bei dem Begriffe und dem Syſteme der Selbſtverwaltung im All-
gemeinen, des Gemeindeweſens oder der örtlichen Selbſtverwaltung im
Beſonderen.

Es wird nämlich auch hier unvermeidlich ſein, der Lehre vom
Vereinsrecht eine eingehende Begriffsbeſtimmung deſſen, was wir im
Sinne des öffentlichen Rechts einen Verein nennen, voraus zu ſenden.
Das Vereinsrecht ſelbſt enthält, wie alles Recht, nur die Anerkennung
der perſönlichen Selbſtändigkeit des Vereins im Ganzen und in allen
ſeinen einzelnen Lebensverhältniſſen. Es iſt daher undenkbar ohne
eine ſcharfe Scheidung deſſen, was wir einen Verein nennen, von den
ähnlichen Formen des Geſammtlebens; oder vielmehr das Vereinsrecht
iſt auch hier eben nur dieſe rechtliche Anerkennung jenes ſelbſtändig ſich
von den verwandten Geſtaltungen ſcheidenden Begriffs des Vereins.
Dieſe Unterſcheidung iſt daher an und für ſich die Grundlage und zu-
gleich die Erklärung alles deſſen, was wir Vereinsrecht nennen. Die
Wahrheit dieſes Vereinsrechtes wird, bei dem großen Mangel an jeder
durchgreifenden Geſetzgebung und bei der Verwirrung der Gränzen in
dem beſtehenden Recht, eben vor allem auf dem richtigen Verſtändniß
jenes Weſens des Vereins beruhen, und in ſeiner Harmonie mit dem-
ſelben ſeine wahre Geltung finden. Und wenn wir deßhalb ſagen müſſen,
daß wir weder eine ausreichende Geſetzgebung noch eine genügende
Theorie vom Vereinsrecht beſitzen, ſo beruht das zuvörderſt auf dem
Mangel eines ſcharfen und genügenden Begriffs vom Weſen des Vereins.
Es wird ſich auch hier wieder das eigentliche Weſen des Rechts und
ſeiner Wiſſenſchaft bewähren, daß beide uns — faſt unerbittlich —

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[566/0590] wollte. Denn wenn wir oben behauptet haben, daß daſſelbe einen mächtigen und höchſt großartigen Organismus bildet, der das ganze Staatsleben durch- zieht, und ſeinerſeits die Verwaltung mit ſeiner Thätigkeit und ſeiner Kraft theils ſchon wirklich erfüllt, theils zu erfüllen beſtimmt iſt, ſo wird ſchon das obige Syſtem den entſcheidenden Beweis dafür liefern. Was aber die Statiſtik des Vereinsweſens als eines Ganzen betrifft, ſo iſt uns kein anderes Werk dar- über bekannt, als die ſtatiſtiſche Darſtellung des Vereinsweſens im Kai- ſerthum Oeſterreich von Dr. M. v. Stubenrauch (1857), das zugleich die Geſchichte der Vereinsgeſetzgebung in Oeſterreich enthält. Wir hoffen, daß dieß höchſt reichhaltige Werk bald Nachfolger finden möge. IV. Das Vereinsrecht. Wir betreten mit dem Vereinsrecht das letzte Gebiet des Rechts der vollziehenden Gewalt, und das letzte der freien Verwaltung. In- dem wir ſeinen Inhalt darzulegen beginnen, können wir uns nicht ver- hehlen, daß wir hier mit noch größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie bei dem Begriffe und dem Syſteme der Selbſtverwaltung im All- gemeinen, des Gemeindeweſens oder der örtlichen Selbſtverwaltung im Beſonderen. Es wird nämlich auch hier unvermeidlich ſein, der Lehre vom Vereinsrecht eine eingehende Begriffsbeſtimmung deſſen, was wir im Sinne des öffentlichen Rechts einen Verein nennen, voraus zu ſenden. Das Vereinsrecht ſelbſt enthält, wie alles Recht, nur die Anerkennung der perſönlichen Selbſtändigkeit des Vereins im Ganzen und in allen ſeinen einzelnen Lebensverhältniſſen. Es iſt daher undenkbar ohne eine ſcharfe Scheidung deſſen, was wir einen Verein nennen, von den ähnlichen Formen des Geſammtlebens; oder vielmehr das Vereinsrecht iſt auch hier eben nur dieſe rechtliche Anerkennung jenes ſelbſtändig ſich von den verwandten Geſtaltungen ſcheidenden Begriffs des Vereins. Dieſe Unterſcheidung iſt daher an und für ſich die Grundlage und zu- gleich die Erklärung alles deſſen, was wir Vereinsrecht nennen. Die Wahrheit dieſes Vereinsrechtes wird, bei dem großen Mangel an jeder durchgreifenden Geſetzgebung und bei der Verwirrung der Gränzen in dem beſtehenden Recht, eben vor allem auf dem richtigen Verſtändniß jenes Weſens des Vereins beruhen, und in ſeiner Harmonie mit dem- ſelben ſeine wahre Geltung finden. Und wenn wir deßhalb ſagen müſſen, daß wir weder eine ausreichende Geſetzgebung noch eine genügende Theorie vom Vereinsrecht beſitzen, ſo beruht das zuvörderſt auf dem Mangel eines ſcharfen und genügenden Begriffs vom Weſen des Vereins. Es wird ſich auch hier wieder das eigentliche Weſen des Rechts und ſeiner Wiſſenſchaft bewähren, daß beide uns — faſt unerbittlich —

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/590>, abgerufen am 18.04.2024.