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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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der staatlichen juristischen Persönlichkeit aus der ständischen Epoche in
den Selbstverwaltungskörpern erhalten, zum Theil traditionell ohne festen
juristischen Begriff, zum Theil in gesetzlicher Anerkennung als Corpora-
tionen, wie im preußischen Landrecht II. §. 25. (Siehe Rönne I.
§. 100. n. 1. Seite 401), zum Theil, wie in Bayern, nur auf kirch-
liche Körper, Stiftungen und Universitäten beschränkt. (Pötzl, Verfas-
sungsrecht, Buch III.) Hier hatte daher allerdings die Frage eine Be-
deutung, ob die Genehmigung den Vereinen das Recht der Corporationen,
und damit das volle Recht der juristischen Persönlichkeit gebe oder nicht.
In Preußen ist darüber ein eigenes Gesetz in Aussicht gestellt, aber
bisher nicht erschienen; in Oesterreich, Baiern, Württemberg hat man
die Frage gar nicht berührt, sondern wie in Frankreich die Rechte der
Genehmigung nicht auf jenen Begriff, sondern auf die einzelnen Be-
stimmungen der Statuten begründet; wenn in Baden nach Dietz (die
Gewerbe im Großherzogthum Baden, S. 267) "die einfache Bestätigung
schon die Verleihung der Körperschaft in sich schließt," so kann damit eben
nur die administrative Persönlichkeit gemeint sein. Es geht schon aus
diesen kurzen Andeutungen hervor, daß ein Vereinsrecht nicht füglich
gegeben werden und unsern Vorstellungen genügen kann, ohne zugleich
den Begriff und das Recht der juristischen Persönlichkeit zu definiren;
es wird in diesem Falle nicht mehr genügen, mit dem Handelsgesetzbuch
diese Bestimmungen der territorialen Gesetzgebung auf die Dauer zn
überlassen. Neben Auerbach a. a. O. vergleiche über diese und die
früheren Fragen einen nicht ganz zum Abschluß gediehenen Aufsatz von
Schäffle, deutsche Vierteljahrschrift 1856. Heft 4.

2) Das öffentliche Verwaltungsrecht des Bereinswesens.
Begriff und Princip.

Das öffentliche Verwaltungsrecht des Vereins, nicht minder be-
deutsam wie das öffentliche Verfassungsrecht desselben, entsteht, indem
die Thätigkeit des Vereins als einer selbständig handelnden Persönlichkeit
gegenüber der Persönlichkeit des Staats und den Rechten und Pflichten
seiner Verwaltung gedacht wird. Dasselbe enthält demgemäß die Ge-
sammtheit derjenigen Grundsätze und Bestimmungen, nach welchen jene
Thätigkeit des Vereins durch die Thätigkeit und Rechte der Staats-
verwaltung bestimmt wird.

Der Umfang und sogar das Dasein dieses Rechts erscheint nun
gleich anfangs im Widerspruche mit dem Wesen des Vereins, in ganz
ähnlicher Weise wie das öffentliche Verfassungsrecht desselben. Der Ver-
ein ist das Organ der freien Selbstverwaltung; die Unterwerfung unter

der ſtaatlichen juriſtiſchen Perſönlichkeit aus der ſtändiſchen Epoche in
den Selbſtverwaltungskörpern erhalten, zum Theil traditionell ohne feſten
juriſtiſchen Begriff, zum Theil in geſetzlicher Anerkennung als Corpora-
tionen, wie im preußiſchen Landrecht II. §. 25. (Siehe Rönne I.
§. 100. n. 1. Seite 401), zum Theil, wie in Bayern, nur auf kirch-
liche Körper, Stiftungen und Univerſitäten beſchränkt. (Pötzl, Verfaſ-
ſungsrecht, Buch III.) Hier hatte daher allerdings die Frage eine Be-
deutung, ob die Genehmigung den Vereinen das Recht der Corporationen,
und damit das volle Recht der juriſtiſchen Perſönlichkeit gebe oder nicht.
In Preußen iſt darüber ein eigenes Geſetz in Ausſicht geſtellt, aber
bisher nicht erſchienen; in Oeſterreich, Baiern, Württemberg hat man
die Frage gar nicht berührt, ſondern wie in Frankreich die Rechte der
Genehmigung nicht auf jenen Begriff, ſondern auf die einzelnen Be-
ſtimmungen der Statuten begründet; wenn in Baden nach Dietz (die
Gewerbe im Großherzogthum Baden, S. 267) „die einfache Beſtätigung
ſchon die Verleihung der Körperſchaft in ſich ſchließt,“ ſo kann damit eben
nur die adminiſtrative Perſönlichkeit gemeint ſein. Es geht ſchon aus
dieſen kurzen Andeutungen hervor, daß ein Vereinsrecht nicht füglich
gegeben werden und unſern Vorſtellungen genügen kann, ohne zugleich
den Begriff und das Recht der juriſtiſchen Perſönlichkeit zu definiren;
es wird in dieſem Falle nicht mehr genügen, mit dem Handelsgeſetzbuch
dieſe Beſtimmungen der territorialen Geſetzgebung auf die Dauer zn
überlaſſen. Neben Auerbach a. a. O. vergleiche über dieſe und die
früheren Fragen einen nicht ganz zum Abſchluß gediehenen Aufſatz von
Schäffle, deutſche Vierteljahrſchrift 1856. Heft 4.

2) Das öffentliche Verwaltungsrecht des Bereinsweſens.
Begriff und Princip.

Das öffentliche Verwaltungsrecht des Vereins, nicht minder be-
deutſam wie das öffentliche Verfaſſungsrecht deſſelben, entſteht, indem
die Thätigkeit des Vereins als einer ſelbſtändig handelnden Perſönlichkeit
gegenüber der Perſönlichkeit des Staats und den Rechten und Pflichten
ſeiner Verwaltung gedacht wird. Daſſelbe enthält demgemäß die Ge-
ſammtheit derjenigen Grundſätze und Beſtimmungen, nach welchen jene
Thätigkeit des Vereins durch die Thätigkeit und Rechte der Staats-
verwaltung beſtimmt wird.

Der Umfang und ſogar das Daſein dieſes Rechts erſcheint nun
gleich anfangs im Widerſpruche mit dem Weſen des Vereins, in ganz
ähnlicher Weiſe wie das öffentliche Verfaſſungsrecht deſſelben. Der Ver-
ein iſt das Organ der freien Selbſtverwaltung; die Unterwerfung unter

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[631/0655] der ſtaatlichen juriſtiſchen Perſönlichkeit aus der ſtändiſchen Epoche in den Selbſtverwaltungskörpern erhalten, zum Theil traditionell ohne feſten juriſtiſchen Begriff, zum Theil in geſetzlicher Anerkennung als Corpora- tionen, wie im preußiſchen Landrecht II. §. 25. (Siehe Rönne I. §. 100. n. 1. Seite 401), zum Theil, wie in Bayern, nur auf kirch- liche Körper, Stiftungen und Univerſitäten beſchränkt. (Pötzl, Verfaſ- ſungsrecht, Buch III.) Hier hatte daher allerdings die Frage eine Be- deutung, ob die Genehmigung den Vereinen das Recht der Corporationen, und damit das volle Recht der juriſtiſchen Perſönlichkeit gebe oder nicht. In Preußen iſt darüber ein eigenes Geſetz in Ausſicht geſtellt, aber bisher nicht erſchienen; in Oeſterreich, Baiern, Württemberg hat man die Frage gar nicht berührt, ſondern wie in Frankreich die Rechte der Genehmigung nicht auf jenen Begriff, ſondern auf die einzelnen Be- ſtimmungen der Statuten begründet; wenn in Baden nach Dietz (die Gewerbe im Großherzogthum Baden, S. 267) „die einfache Beſtätigung ſchon die Verleihung der Körperſchaft in ſich ſchließt,“ ſo kann damit eben nur die adminiſtrative Perſönlichkeit gemeint ſein. Es geht ſchon aus dieſen kurzen Andeutungen hervor, daß ein Vereinsrecht nicht füglich gegeben werden und unſern Vorſtellungen genügen kann, ohne zugleich den Begriff und das Recht der juriſtiſchen Perſönlichkeit zu definiren; es wird in dieſem Falle nicht mehr genügen, mit dem Handelsgeſetzbuch dieſe Beſtimmungen der territorialen Geſetzgebung auf die Dauer zn überlaſſen. Neben Auerbach a. a. O. vergleiche über dieſe und die früheren Fragen einen nicht ganz zum Abſchluß gediehenen Aufſatz von Schäffle, deutſche Vierteljahrſchrift 1856. Heft 4. 2) Das öffentliche Verwaltungsrecht des Bereinsweſens. Begriff und Princip. Das öffentliche Verwaltungsrecht des Vereins, nicht minder be- deutſam wie das öffentliche Verfaſſungsrecht deſſelben, entſteht, indem die Thätigkeit des Vereins als einer ſelbſtändig handelnden Perſönlichkeit gegenüber der Perſönlichkeit des Staats und den Rechten und Pflichten ſeiner Verwaltung gedacht wird. Daſſelbe enthält demgemäß die Ge- ſammtheit derjenigen Grundſätze und Beſtimmungen, nach welchen jene Thätigkeit des Vereins durch die Thätigkeit und Rechte der Staats- verwaltung beſtimmt wird. Der Umfang und ſogar das Daſein dieſes Rechts erſcheint nun gleich anfangs im Widerſpruche mit dem Weſen des Vereins, in ganz ähnlicher Weiſe wie das öffentliche Verfaſſungsrecht deſſelben. Der Ver- ein iſt das Organ der freien Selbſtverwaltung; die Unterwerfung unter

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/655>, abgerufen am 28.03.2024.