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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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amtlichen Organe der Verwaltung, die wieder die höhere oder die
niedere, örtliche und temporäre Oberaufsicht ausüben. Funktion und
Verhältniß beider sind wesentlich verschieden.

1) Das Vereinscommissariat.

Das Vereinscommissariat ist dasjenige Organ, durch welches die
Staatsverwaltung an der Thätigkeit der Organe der Vereinsvertretung
unmittelbar Theil nimmt, also an der Thätigkeit des Verwaltungs-
rathes. Der Vereinscommissär hat daher grundsätzlich keine andere
Funktion, als die Harmonie des vom Staate anerkannten Zweckes und
der vom Vereine selbst gesetzten Ordnung seiner Thätigkeit zu sichern.
Und daraus gehen auch die einzelnen Funktionen desselben hervor.

Es ergibt sich zuerst daraus, daß die Staatsverwaltung das Recht
hat, bei genehmigten Vereinen dem Verwaltungsrathe, wenn sie es für
nöthig hält, einen Abgeordneten beizugeben, ohne Rücksicht darauf, ob
dieses Recht im Vereinsvertrage oder den Statuten ausgesprochen ist oder
nicht. Es folgt aber zweitens, daß das Recht des Commissärs zwar
nicht auf eine Theilnahme an der Abstimmung geht; jedoch muß ihm
dagegen das Recht zustehen, in ordnungsmäßiger Weise die Vereins-
organe darauf aufmerksam zu machen, daß sie gegen das Gesetz
handeln; ebenso wenig ist ihm das Recht abzusprechen, darauf hinzu-
weisen, wenn sie gegen die Statuten etwas unternehmen. Das
letztere setzt aber eben die Genehmigung voraus; bei freien Vereinen
kann der Commissär nur dann jenes Recht beanspruchen, wenn etwas
Ungesetzliches vor sich geht. Das Recht auf die Sistirung der Be-
schlüsse oder der wirklichen Vereinsthätigkeit hat der Commissär im All-
gemeinen nur dann, wenn er ausdrücklich dazu beauftragt ist. Ist
er das nicht, so ist es Sache des Vereins, selbst zu entscheiden, ob er
sich unmittelbar dem Ausspruche des Commissärs unterwerfen, oder die
Folgen seines Vorgehens gegen die Erklärung des letztern auf sich
nehmen will. Es muß aber angenommen werden, daß die amtliche
persönliche Erklärung des Commissärs, er habe zur Sistirung von Be-
schluß oder Thätigkeit die Vollmacht, ohne weitern Beweis für gültig
anerkannt werden muß; in diesem Falle hat der Commissär die Ver-
antwortlichkeit für seine Behauptung persönlich zu tragen; der Verein
aber muß sich demselben fügen, natürlich unbeschadet weiterer Schritte.

Wesentlich anders gestaltet sich das Verhältniß, wenn die Theil-
nahme der Staatsverwaltung an der Thätigkeit der Vereinsorgane aus-
drücklich in den Statuten festgestellt ist. In diesem Falle muß ange-
nommen werden, daß zu jeder Versammlung der Organe der Vereins-
vertretung der Vereinscommissär förmlich eingeladen werden muß, selbst

amtlichen Organe der Verwaltung, die wieder die höhere oder die
niedere, örtliche und temporäre Oberaufſicht ausüben. Funktion und
Verhältniß beider ſind weſentlich verſchieden.

1) Das Vereinscommiſſariat.

Das Vereinscommiſſariat iſt dasjenige Organ, durch welches die
Staatsverwaltung an der Thätigkeit der Organe der Vereinsvertretung
unmittelbar Theil nimmt, alſo an der Thätigkeit des Verwaltungs-
rathes. Der Vereinscommiſſär hat daher grundſätzlich keine andere
Funktion, als die Harmonie des vom Staate anerkannten Zweckes und
der vom Vereine ſelbſt geſetzten Ordnung ſeiner Thätigkeit zu ſichern.
Und daraus gehen auch die einzelnen Funktionen deſſelben hervor.

Es ergibt ſich zuerſt daraus, daß die Staatsverwaltung das Recht
hat, bei genehmigten Vereinen dem Verwaltungsrathe, wenn ſie es für
nöthig hält, einen Abgeordneten beizugeben, ohne Rückſicht darauf, ob
dieſes Recht im Vereinsvertrage oder den Statuten ausgeſprochen iſt oder
nicht. Es folgt aber zweitens, daß das Recht des Commiſſärs zwar
nicht auf eine Theilnahme an der Abſtimmung geht; jedoch muß ihm
dagegen das Recht zuſtehen, in ordnungsmäßiger Weiſe die Vereins-
organe darauf aufmerkſam zu machen, daß ſie gegen das Geſetz
handeln; ebenſo wenig iſt ihm das Recht abzuſprechen, darauf hinzu-
weiſen, wenn ſie gegen die Statuten etwas unternehmen. Das
letztere ſetzt aber eben die Genehmigung voraus; bei freien Vereinen
kann der Commiſſär nur dann jenes Recht beanſpruchen, wenn etwas
Ungeſetzliches vor ſich geht. Das Recht auf die Siſtirung der Be-
ſchlüſſe oder der wirklichen Vereinsthätigkeit hat der Commiſſär im All-
gemeinen nur dann, wenn er ausdrücklich dazu beauftragt iſt. Iſt
er das nicht, ſo iſt es Sache des Vereins, ſelbſt zu entſcheiden, ob er
ſich unmittelbar dem Ausſpruche des Commiſſärs unterwerfen, oder die
Folgen ſeines Vorgehens gegen die Erklärung des letztern auf ſich
nehmen will. Es muß aber angenommen werden, daß die amtliche
perſönliche Erklärung des Commiſſärs, er habe zur Siſtirung von Be-
ſchluß oder Thätigkeit die Vollmacht, ohne weitern Beweis für gültig
anerkannt werden muß; in dieſem Falle hat der Commiſſär die Ver-
antwortlichkeit für ſeine Behauptung perſönlich zu tragen; der Verein
aber muß ſich demſelben fügen, natürlich unbeſchadet weiterer Schritte.

Weſentlich anders geſtaltet ſich das Verhältniß, wenn die Theil-
nahme der Staatsverwaltung an der Thätigkeit der Vereinsorgane aus-
drücklich in den Statuten feſtgeſtellt iſt. In dieſem Falle muß ange-
nommen werden, daß zu jeder Verſammlung der Organe der Vereins-
vertretung der Vereinscommiſſär förmlich eingeladen werden muß, ſelbſt

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[635/0659] amtlichen Organe der Verwaltung, die wieder die höhere oder die niedere, örtliche und temporäre Oberaufſicht ausüben. Funktion und Verhältniß beider ſind weſentlich verſchieden. 1) Das Vereinscommiſſariat. Das Vereinscommiſſariat iſt dasjenige Organ, durch welches die Staatsverwaltung an der Thätigkeit der Organe der Vereinsvertretung unmittelbar Theil nimmt, alſo an der Thätigkeit des Verwaltungs- rathes. Der Vereinscommiſſär hat daher grundſätzlich keine andere Funktion, als die Harmonie des vom Staate anerkannten Zweckes und der vom Vereine ſelbſt geſetzten Ordnung ſeiner Thätigkeit zu ſichern. Und daraus gehen auch die einzelnen Funktionen deſſelben hervor. Es ergibt ſich zuerſt daraus, daß die Staatsverwaltung das Recht hat, bei genehmigten Vereinen dem Verwaltungsrathe, wenn ſie es für nöthig hält, einen Abgeordneten beizugeben, ohne Rückſicht darauf, ob dieſes Recht im Vereinsvertrage oder den Statuten ausgeſprochen iſt oder nicht. Es folgt aber zweitens, daß das Recht des Commiſſärs zwar nicht auf eine Theilnahme an der Abſtimmung geht; jedoch muß ihm dagegen das Recht zuſtehen, in ordnungsmäßiger Weiſe die Vereins- organe darauf aufmerkſam zu machen, daß ſie gegen das Geſetz handeln; ebenſo wenig iſt ihm das Recht abzuſprechen, darauf hinzu- weiſen, wenn ſie gegen die Statuten etwas unternehmen. Das letztere ſetzt aber eben die Genehmigung voraus; bei freien Vereinen kann der Commiſſär nur dann jenes Recht beanſpruchen, wenn etwas Ungeſetzliches vor ſich geht. Das Recht auf die Siſtirung der Be- ſchlüſſe oder der wirklichen Vereinsthätigkeit hat der Commiſſär im All- gemeinen nur dann, wenn er ausdrücklich dazu beauftragt iſt. Iſt er das nicht, ſo iſt es Sache des Vereins, ſelbſt zu entſcheiden, ob er ſich unmittelbar dem Ausſpruche des Commiſſärs unterwerfen, oder die Folgen ſeines Vorgehens gegen die Erklärung des letztern auf ſich nehmen will. Es muß aber angenommen werden, daß die amtliche perſönliche Erklärung des Commiſſärs, er habe zur Siſtirung von Be- ſchluß oder Thätigkeit die Vollmacht, ohne weitern Beweis für gültig anerkannt werden muß; in dieſem Falle hat der Commiſſär die Ver- antwortlichkeit für ſeine Behauptung perſönlich zu tragen; der Verein aber muß ſich demſelben fügen, natürlich unbeſchadet weiterer Schritte. Weſentlich anders geſtaltet ſich das Verhältniß, wenn die Theil- nahme der Staatsverwaltung an der Thätigkeit der Vereinsorgane aus- drücklich in den Statuten feſtgeſtellt iſt. In dieſem Falle muß ange- nommen werden, daß zu jeder Verſammlung der Organe der Vereins- vertretung der Vereinscommiſſär förmlich eingeladen werden muß, ſelbſt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/659>, abgerufen am 29.03.2024.