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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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diesem Minimum von Oeffentlichkeit zu zwingen. Unterläßt der Verein
dieselbe, so muß angenommen werden, daß die Staatsverwaltung ihrer-
seits das Recht hat, diese Veröffentlichung auf Kosten des Vereins vor-
zunehmen. Weigert sich der Verein die Materialien dazu zu bieten, so
kann ohne Zweifel die zeitweilige Schließung des Vereins und die amt-
liche Untersuchung der Vereinsakten vorgenommen werden, und es bleibt
dann der Staatsverwaltung überlassen, die weiteren Schritte nach Er-
messen einzuleiten.

Es ist wohl schon hieraus klar, daß die Frage, wie viel außer
jenen allgemeinen Punkten noch von Seiten eines Vereins veröffentlicht
werden soll, nur nach der Art und dem Umfang des einzelnen
Vereins bestimmt werden kann. In der Feststellung dieser Punkte
müssen aber zwei Faktoren zusammen wirken, die Forderungen der
Staatsverwaltung im öffentlichen Interesse, und das eigene Interesse
des Vereins. Es kann natürlich von höchster Wichtigkeit gerade für
das letztere sein, daß diese Veröffentlichungen so ausführlich als möglich
gemacht werden. Eben daraus ergibt sich ein Rechtssatz, der der Pflicht
auf Oeffentlichkeit entspricht. Wo nämlich die Geschäftsgebahrung eines
Vereins im Einzelnen dargelegt wird, da muß eine wissentlich
falsche
Darstellung als ein Vergehen betrachtet werden, dessen Inhalt
ein Versuch zum Betrug ist; nur grobe Fahrläßigkeit in der Dar-
stellung ist als eine Gefährdung der allgemeinen Interessen eine schwere
Uebertretung. Die Verantwortlichkeit dafür fällt natürlich, so weit sie
auf fachmännischer Kunde der Verhältnisse beruht, dem Vollziehungs-
organe des Vereins, so weit sie auf die übrigen Verhältnisse Bezug hat,
den Vertretungsorganen zu. Es ist kein Zweifel, daß das Recht der
Anklage sowohl der Staatsverwaltung als den einzelnen Mitgliedern
des Vereins zusteht; es kann aber eben so gewiß auch die Anklage durch
Dritte in der Weise bewirkt werden, daß sie die betreffenden Anzeigen
zum Zwecke weiterer Verfolgung der Staatsanwaltschaft, beziehungs-
weise der competenten Behörde übergeben. Der Verein als solcher kann
jedoch dafür keine Verantwortlichkeit oder Haftung übernehmen.

Das positive Vereinsrecht hat das Princip der Oeffentlichkeit eigentlich nir-
gends ausgesprochen; es ist dasselbe durch die Natur der Sache weit mehr, als
durch besondere Vorschriften zur Geltung gelangt, und auch hier ist es wieder
die Aktie und das mit ihr verbundene allgemeine Interesse des Publikums,
welches ohne Zuthun der Regierungen jenes so heilsame Princip zur Geltung
gebracht hat. Die statistische Ueberwachung ist leider noch immer keine Regel
geworden, und das macht das Urtheil über das Vereinswesen so sehr schwierig.
Nur in einzelnen Staaten sind einzelne Gruppen von Vereinen zu statistischer
Mittheilung gesetzlich verpflichtet, wie die friendly societies in England (c. 63,

Stein, die Verwaltungslehre. I. 41

dieſem Minimum von Oeffentlichkeit zu zwingen. Unterläßt der Verein
dieſelbe, ſo muß angenommen werden, daß die Staatsverwaltung ihrer-
ſeits das Recht hat, dieſe Veröffentlichung auf Koſten des Vereins vor-
zunehmen. Weigert ſich der Verein die Materialien dazu zu bieten, ſo
kann ohne Zweifel die zeitweilige Schließung des Vereins und die amt-
liche Unterſuchung der Vereinsakten vorgenommen werden, und es bleibt
dann der Staatsverwaltung überlaſſen, die weiteren Schritte nach Er-
meſſen einzuleiten.

Es iſt wohl ſchon hieraus klar, daß die Frage, wie viel außer
jenen allgemeinen Punkten noch von Seiten eines Vereins veröffentlicht
werden ſoll, nur nach der Art und dem Umfang des einzelnen
Vereins beſtimmt werden kann. In der Feſtſtellung dieſer Punkte
müſſen aber zwei Faktoren zuſammen wirken, die Forderungen der
Staatsverwaltung im öffentlichen Intereſſe, und das eigene Intereſſe
des Vereins. Es kann natürlich von höchſter Wichtigkeit gerade für
das letztere ſein, daß dieſe Veröffentlichungen ſo ausführlich als möglich
gemacht werden. Eben daraus ergibt ſich ein Rechtsſatz, der der Pflicht
auf Oeffentlichkeit entſpricht. Wo nämlich die Geſchäftsgebahrung eines
Vereins im Einzelnen dargelegt wird, da muß eine wiſſentlich
falſche
Darſtellung als ein Vergehen betrachtet werden, deſſen Inhalt
ein Verſuch zum Betrug iſt; nur grobe Fahrläßigkeit in der Dar-
ſtellung iſt als eine Gefährdung der allgemeinen Intereſſen eine ſchwere
Uebertretung. Die Verantwortlichkeit dafür fällt natürlich, ſo weit ſie
auf fachmänniſcher Kunde der Verhältniſſe beruht, dem Vollziehungs-
organe des Vereins, ſo weit ſie auf die übrigen Verhältniſſe Bezug hat,
den Vertretungsorganen zu. Es iſt kein Zweifel, daß das Recht der
Anklage ſowohl der Staatsverwaltung als den einzelnen Mitgliedern
des Vereins zuſteht; es kann aber eben ſo gewiß auch die Anklage durch
Dritte in der Weiſe bewirkt werden, daß ſie die betreffenden Anzeigen
zum Zwecke weiterer Verfolgung der Staatsanwaltſchaft, beziehungs-
weiſe der competenten Behörde übergeben. Der Verein als ſolcher kann
jedoch dafür keine Verantwortlichkeit oder Haftung übernehmen.

Das poſitive Vereinsrecht hat das Princip der Oeffentlichkeit eigentlich nir-
gends ausgeſprochen; es iſt daſſelbe durch die Natur der Sache weit mehr, als
durch beſondere Vorſchriften zur Geltung gelangt, und auch hier iſt es wieder
die Aktie und das mit ihr verbundene allgemeine Intereſſe des Publikums,
welches ohne Zuthun der Regierungen jenes ſo heilſame Princip zur Geltung
gebracht hat. Die ſtatiſtiſche Ueberwachung iſt leider noch immer keine Regel
geworden, und das macht das Urtheil über das Vereinsweſen ſo ſehr ſchwierig.
Nur in einzelnen Staaten ſind einzelne Gruppen von Vereinen zu ſtatiſtiſcher
Mittheilung geſetzlich verpflichtet, wie die friendly societies in England (c. 63,

Stein, die Verwaltungslehre. I. 41
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[641/0665] dieſem Minimum von Oeffentlichkeit zu zwingen. Unterläßt der Verein dieſelbe, ſo muß angenommen werden, daß die Staatsverwaltung ihrer- ſeits das Recht hat, dieſe Veröffentlichung auf Koſten des Vereins vor- zunehmen. Weigert ſich der Verein die Materialien dazu zu bieten, ſo kann ohne Zweifel die zeitweilige Schließung des Vereins und die amt- liche Unterſuchung der Vereinsakten vorgenommen werden, und es bleibt dann der Staatsverwaltung überlaſſen, die weiteren Schritte nach Er- meſſen einzuleiten. Es iſt wohl ſchon hieraus klar, daß die Frage, wie viel außer jenen allgemeinen Punkten noch von Seiten eines Vereins veröffentlicht werden ſoll, nur nach der Art und dem Umfang des einzelnen Vereins beſtimmt werden kann. In der Feſtſtellung dieſer Punkte müſſen aber zwei Faktoren zuſammen wirken, die Forderungen der Staatsverwaltung im öffentlichen Intereſſe, und das eigene Intereſſe des Vereins. Es kann natürlich von höchſter Wichtigkeit gerade für das letztere ſein, daß dieſe Veröffentlichungen ſo ausführlich als möglich gemacht werden. Eben daraus ergibt ſich ein Rechtsſatz, der der Pflicht auf Oeffentlichkeit entſpricht. Wo nämlich die Geſchäftsgebahrung eines Vereins im Einzelnen dargelegt wird, da muß eine wiſſentlich falſche Darſtellung als ein Vergehen betrachtet werden, deſſen Inhalt ein Verſuch zum Betrug iſt; nur grobe Fahrläßigkeit in der Dar- ſtellung iſt als eine Gefährdung der allgemeinen Intereſſen eine ſchwere Uebertretung. Die Verantwortlichkeit dafür fällt natürlich, ſo weit ſie auf fachmänniſcher Kunde der Verhältniſſe beruht, dem Vollziehungs- organe des Vereins, ſo weit ſie auf die übrigen Verhältniſſe Bezug hat, den Vertretungsorganen zu. Es iſt kein Zweifel, daß das Recht der Anklage ſowohl der Staatsverwaltung als den einzelnen Mitgliedern des Vereins zuſteht; es kann aber eben ſo gewiß auch die Anklage durch Dritte in der Weiſe bewirkt werden, daß ſie die betreffenden Anzeigen zum Zwecke weiterer Verfolgung der Staatsanwaltſchaft, beziehungs- weiſe der competenten Behörde übergeben. Der Verein als ſolcher kann jedoch dafür keine Verantwortlichkeit oder Haftung übernehmen. Das poſitive Vereinsrecht hat das Princip der Oeffentlichkeit eigentlich nir- gends ausgeſprochen; es iſt daſſelbe durch die Natur der Sache weit mehr, als durch beſondere Vorſchriften zur Geltung gelangt, und auch hier iſt es wieder die Aktie und das mit ihr verbundene allgemeine Intereſſe des Publikums, welches ohne Zuthun der Regierungen jenes ſo heilſame Princip zur Geltung gebracht hat. Die ſtatiſtiſche Ueberwachung iſt leider noch immer keine Regel geworden, und das macht das Urtheil über das Vereinsweſen ſo ſehr ſchwierig. Nur in einzelnen Staaten ſind einzelne Gruppen von Vereinen zu ſtatiſtiſcher Mittheilung geſetzlich verpflichtet, wie die friendly societies in England (c. 63, Stein, die Verwaltungslehre. I. 41

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/665>, abgerufen am 29.03.2024.