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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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3) Das dritte große Element, das populationistische, unterscheidet sich
nun von den beiden andern dadurch, daß während das kirchliche Ge-
burt, Ehe und Tod als confessionelle Thatsachen, das admini-
strative dieselben als juristische auffassen und demgemäß ordnen, das
populationistische in ihnen vorwiegend statistische Thatsachen sucht.
Diese Auffassung, indem sie das Recht der Civilstandsregister ganz un-
berührt läßt, strebt in Inhalt und Führung derselben wesentlich
zwei Punkte zur Geltung zu bringen. Der erste ist die Aufnahme von
denjenigen Angaben in die Register, welche sich auf die Bewegung der
Bevölkerung beziehen, namentlich die streng durchgeführte Angabe der
Todtgebornen, und die Angabe der Todesursache. Der zweite dagegen,
die Führung der Register betreffend, organisirt aus ihnen die Zählung
der Bewegung (Zu- und Abnahme) der Bevölkerung, indem sie neben
die eigentliche Zählung eine regelmäßige Aufstellung der Geburten, Ehen
und Todesfälle anordnet, die natürlich, da es sich nicht um die Indi-
viduen handelt, nur die ziffermäßige Bewegung der Bevölkerung ent-
halten und verfolgen. Es versteht sich von selbst, daß sich dabei ein
eben so weites Gebiet eröffnet, wie bei den populationistischen Zäh-
lungen, und daß das Rechtsprincip der Zählung auch hier gelten muß.
Es ist keine Frage, daß in diesen Registern eine reiche Quelle für die
höhere Statistik des Völkerlebens liegt; allein dem strengen Gebiete der
Verwaltung und ihres Rechts können auch hier nur diejenigen Punkte
angehören, deren Aufnahme in die Civilstandsregister durch ein von
der Gesetzgebung anerkanntes Interesse motivirt erscheint.

Dieß nun sind die allgemeinen Elemente der Geschichte der Standes-
register. Dieselbe aber hat in jedem Lande wieder ihren eigenen Ver-
lauf und ihre eigenthümliche Gestalt; und es ist von Werth und von
Interesse, dieselben, wenn auch nur kurz, zu charakterisiren.

4) Zur Geschichte der Standesregister in den einzelnen
Staaten
.

Charakter derselben.

Vergleicht man nun auf dieser allgemeinen Grundlage das geltende
Recht und die Ordnung der Standesregister in den einzelnen Staaten,
so dürfte sich im Wesentlichen folgendes Resultat ergeben.

Die erste, vollständige und sehr gute Einrichtung derselben ist im
vorigen Jahrhundert von Oesterreich ausgegangen, dessen damalige
Gesetzgebung aber, weil sie eine treffliche war, noch im Wesentlichen
gegenwärtig gilt; allein dafür stehen diese Register noch auf dem Stand-
punkt der Geburts-, Todes- und Eheregister, freilich von den Standes-

3) Das dritte große Element, das populationiſtiſche, unterſcheidet ſich
nun von den beiden andern dadurch, daß während das kirchliche Ge-
burt, Ehe und Tod als confeſſionelle Thatſachen, das admini-
ſtrative dieſelben als juriſtiſche auffaſſen und demgemäß ordnen, das
populationiſtiſche in ihnen vorwiegend ſtatiſtiſche Thatſachen ſucht.
Dieſe Auffaſſung, indem ſie das Recht der Civilſtandsregiſter ganz un-
berührt läßt, ſtrebt in Inhalt und Führung derſelben weſentlich
zwei Punkte zur Geltung zu bringen. Der erſte iſt die Aufnahme von
denjenigen Angaben in die Regiſter, welche ſich auf die Bewegung der
Bevölkerung beziehen, namentlich die ſtreng durchgeführte Angabe der
Todtgebornen, und die Angabe der Todesurſache. Der zweite dagegen,
die Führung der Regiſter betreffend, organiſirt aus ihnen die Zählung
der Bewegung (Zu- und Abnahme) der Bevölkerung, indem ſie neben
die eigentliche Zählung eine regelmäßige Aufſtellung der Geburten, Ehen
und Todesfälle anordnet, die natürlich, da es ſich nicht um die Indi-
viduen handelt, nur die ziffermäßige Bewegung der Bevölkerung ent-
halten und verfolgen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ſich dabei ein
eben ſo weites Gebiet eröffnet, wie bei den populationiſtiſchen Zäh-
lungen, und daß das Rechtsprincip der Zählung auch hier gelten muß.
Es iſt keine Frage, daß in dieſen Regiſtern eine reiche Quelle für die
höhere Statiſtik des Völkerlebens liegt; allein dem ſtrengen Gebiete der
Verwaltung und ihres Rechts können auch hier nur diejenigen Punkte
angehören, deren Aufnahme in die Civilſtandsregiſter durch ein von
der Geſetzgebung anerkanntes Intereſſe motivirt erſcheint.

Dieß nun ſind die allgemeinen Elemente der Geſchichte der Standes-
regiſter. Dieſelbe aber hat in jedem Lande wieder ihren eigenen Ver-
lauf und ihre eigenthümliche Geſtalt; und es iſt von Werth und von
Intereſſe, dieſelben, wenn auch nur kurz, zu charakteriſiren.

4) Zur Geſchichte der Standesregiſter in den einzelnen
Staaten
.

Charakter derſelben.

Vergleicht man nun auf dieſer allgemeinen Grundlage das geltende
Recht und die Ordnung der Standesregiſter in den einzelnen Staaten,
ſo dürfte ſich im Weſentlichen folgendes Reſultat ergeben.

Die erſte, vollſtändige und ſehr gute Einrichtung derſelben iſt im
vorigen Jahrhundert von Oeſterreich ausgegangen, deſſen damalige
Geſetzgebung aber, weil ſie eine treffliche war, noch im Weſentlichen
gegenwärtig gilt; allein dafür ſtehen dieſe Regiſter noch auf dem Stand-
punkt der Geburts-, Todes- und Eheregiſter, freilich von den Standes-

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[237/0259] 3) Das dritte große Element, das populationiſtiſche, unterſcheidet ſich nun von den beiden andern dadurch, daß während das kirchliche Ge- burt, Ehe und Tod als confeſſionelle Thatſachen, das admini- ſtrative dieſelben als juriſtiſche auffaſſen und demgemäß ordnen, das populationiſtiſche in ihnen vorwiegend ſtatiſtiſche Thatſachen ſucht. Dieſe Auffaſſung, indem ſie das Recht der Civilſtandsregiſter ganz un- berührt läßt, ſtrebt in Inhalt und Führung derſelben weſentlich zwei Punkte zur Geltung zu bringen. Der erſte iſt die Aufnahme von denjenigen Angaben in die Regiſter, welche ſich auf die Bewegung der Bevölkerung beziehen, namentlich die ſtreng durchgeführte Angabe der Todtgebornen, und die Angabe der Todesurſache. Der zweite dagegen, die Führung der Regiſter betreffend, organiſirt aus ihnen die Zählung der Bewegung (Zu- und Abnahme) der Bevölkerung, indem ſie neben die eigentliche Zählung eine regelmäßige Aufſtellung der Geburten, Ehen und Todesfälle anordnet, die natürlich, da es ſich nicht um die Indi- viduen handelt, nur die ziffermäßige Bewegung der Bevölkerung ent- halten und verfolgen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß ſich dabei ein eben ſo weites Gebiet eröffnet, wie bei den populationiſtiſchen Zäh- lungen, und daß das Rechtsprincip der Zählung auch hier gelten muß. Es iſt keine Frage, daß in dieſen Regiſtern eine reiche Quelle für die höhere Statiſtik des Völkerlebens liegt; allein dem ſtrengen Gebiete der Verwaltung und ihres Rechts können auch hier nur diejenigen Punkte angehören, deren Aufnahme in die Civilſtandsregiſter durch ein von der Geſetzgebung anerkanntes Intereſſe motivirt erſcheint. Dieß nun ſind die allgemeinen Elemente der Geſchichte der Standes- regiſter. Dieſelbe aber hat in jedem Lande wieder ihren eigenen Ver- lauf und ihre eigenthümliche Geſtalt; und es iſt von Werth und von Intereſſe, dieſelben, wenn auch nur kurz, zu charakteriſiren. 4) Zur Geſchichte der Standesregiſter in den einzelnen Staaten. Charakter derſelben. Vergleicht man nun auf dieſer allgemeinen Grundlage das geltende Recht und die Ordnung der Standesregiſter in den einzelnen Staaten, ſo dürfte ſich im Weſentlichen folgendes Reſultat ergeben. Die erſte, vollſtändige und ſehr gute Einrichtung derſelben iſt im vorigen Jahrhundert von Oeſterreich ausgegangen, deſſen damalige Geſetzgebung aber, weil ſie eine treffliche war, noch im Weſentlichen gegenwärtig gilt; allein dafür ſtehen dieſe Regiſter noch auf dem Stand- punkt der Geburts-, Todes- und Eheregiſter, freilich von den Standes-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/259>, abgerufen am 19.03.2024.