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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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in gewissen Hauptkategorien; das Verfahren dabei in Report über die
Population tables von 1851. I. II. Dagegen hält sich die englische
Gesetzgebung auch wieder strenger an die persönlichen Elemente der
Zählung als der Continent.

Man kann daher im Allgemeinen wohl mit Recht sagen, daß sich
das englische Volkszählungswesen aus den Standesregistern entwickelt
und daher seinen Charakter empfangen hat; wir haben deßhalb unten
darauf zurückzukommen.

e) Das Zählungswesen in Frankreich. Die enge Verbindung desselben mit
der innern Verwaltung.

Die Geschichte des Zählungswesens in Frankreich hat einen ganz
andern Charakter als in Deutschland oder England.

In Frankreich nämlich ward die Zahl der Bevölkerung seit der
Revolution einer der Faktoren der inneren Verwaltung, und daher hat
hier die Zählung gleich anfangs statt aller theoretischen Richtung eine
vorzugsweise praktische Bedeutung. Allerdings hatte nämlich das Gesetz
vom 22. Juli 1791 schon eine Zählung nach Köpfen, Alter, Geschlecht
und professions (Justi's Handthierung) vorgeschrieben; aber Legoyt
hat gewiß Recht, wenn er behauptet, dieß Gesetz sei nie zur Ausführung
gelangt. Die frühern Zählungen, die seit 1784 stattgefunden haben,
sind von Juglar De la population en France dep. 1772 a nos
jours J. d. Econ. XXX. XXXI
und XXXII und von Fayet De
l'accroissement de la population en Fr. 1845. J. d. Econ. XII.
dar-
gestellt. Der Werth dieser Zählungen ist bis zu unserm Jahrhundert
gewiß nach dem oben angeführten Geständniß Neckers sehr zweifelhaft,
und das Verfahren war für das Reich nur eine Schätzung. Dagegen
sehen wir die eigentliche Zählung in Frankreich durch ihre enge Ver-
bindung als eine örtliche entstehen, und wie in England aus den
Standesregistern, so hat sich in Frankreich aus den Gemeindezählungen
die allgemeine Volkszählung entwickelt. Durch das Gesetz vom 19. vend.
IV.
ward nämlich zuerst die Aufstellung eigener Polizeibeamteter von
der Zahl der Einwohner einer Gemeinde abhängig gemacht; damit
ward der Frankreich eigenthümliche Grundsatz eingeführt und allmählig
in allen Zweigen der örtlichen Verwaltung zur Geltung gebracht, daß
die Theilnahme an den Lasten der Verwaltung durch die Zahl der Ein-
wohner bestimmt werden solle. Das Arr. vom 17. Germ. an XI.
bestimmte nämlich im Allgemeinen, daß die Verwaltungskosten der Ge-
meinden nach der Ziffer der Bevölkerung geregelt werden sollen, nach-
dem schon vorher die circonscriptions judiciaires (die Competenzgebiete
der Friedensrichter) durch die loi 8. pluv. an IX und die religieuses

in gewiſſen Hauptkategorien; das Verfahren dabei in Report über die
Population tables von 1851. I. II. Dagegen hält ſich die engliſche
Geſetzgebung auch wieder ſtrenger an die perſönlichen Elemente der
Zählung als der Continent.

Man kann daher im Allgemeinen wohl mit Recht ſagen, daß ſich
das engliſche Volkszählungsweſen aus den Standesregiſtern entwickelt
und daher ſeinen Charakter empfangen hat; wir haben deßhalb unten
darauf zurückzukommen.

e) Das Zählungsweſen in Frankreich. Die enge Verbindung deſſelben mit
der innern Verwaltung.

Die Geſchichte des Zählungsweſens in Frankreich hat einen ganz
andern Charakter als in Deutſchland oder England.

In Frankreich nämlich ward die Zahl der Bevölkerung ſeit der
Revolution einer der Faktoren der inneren Verwaltung, und daher hat
hier die Zählung gleich anfangs ſtatt aller theoretiſchen Richtung eine
vorzugsweiſe praktiſche Bedeutung. Allerdings hatte nämlich das Geſetz
vom 22. Juli 1791 ſchon eine Zählung nach Köpfen, Alter, Geſchlecht
und professions (Juſti’s Handthierung) vorgeſchrieben; aber Legoyt
hat gewiß Recht, wenn er behauptet, dieß Geſetz ſei nie zur Ausführung
gelangt. Die frühern Zählungen, die ſeit 1784 ſtattgefunden haben,
ſind von Juglar De la population en France dep. 1772 à nos
jours J. d. Écon. XXX. XXXI
und XXXII und von Fayet De
l’accroissement de la population en Fr. 1845. J. d. Écon. XII.
dar-
geſtellt. Der Werth dieſer Zählungen iſt bis zu unſerm Jahrhundert
gewiß nach dem oben angeführten Geſtändniß Neckers ſehr zweifelhaft,
und das Verfahren war für das Reich nur eine Schätzung. Dagegen
ſehen wir die eigentliche Zählung in Frankreich durch ihre enge Ver-
bindung als eine örtliche entſtehen, und wie in England aus den
Standesregiſtern, ſo hat ſich in Frankreich aus den Gemeindezählungen
die allgemeine Volkszählung entwickelt. Durch das Geſetz vom 19. vend.
IV.
ward nämlich zuerſt die Aufſtellung eigener Polizeibeamteter von
der Zahl der Einwohner einer Gemeinde abhängig gemacht; damit
ward der Frankreich eigenthümliche Grundſatz eingeführt und allmählig
in allen Zweigen der örtlichen Verwaltung zur Geltung gebracht, daß
die Theilnahme an den Laſten der Verwaltung durch die Zahl der Ein-
wohner beſtimmt werden ſolle. Das Arr. vom 17. Germ. an XI.
beſtimmte nämlich im Allgemeinen, daß die Verwaltungskoſten der Ge-
meinden nach der Ziffer der Bevölkerung geregelt werden ſollen, nach-
dem ſchon vorher die circonscriptions judiciaires (die Competenzgebiete
der Friedensrichter) durch die loi 8. pluv. an IX und die religieuses

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[227/0249] in gewiſſen Hauptkategorien; das Verfahren dabei in Report über die Population tables von 1851. I. II. Dagegen hält ſich die engliſche Geſetzgebung auch wieder ſtrenger an die perſönlichen Elemente der Zählung als der Continent. Man kann daher im Allgemeinen wohl mit Recht ſagen, daß ſich das engliſche Volkszählungsweſen aus den Standesregiſtern entwickelt und daher ſeinen Charakter empfangen hat; wir haben deßhalb unten darauf zurückzukommen. e) Das Zählungsweſen in Frankreich. Die enge Verbindung deſſelben mit der innern Verwaltung. Die Geſchichte des Zählungsweſens in Frankreich hat einen ganz andern Charakter als in Deutſchland oder England. In Frankreich nämlich ward die Zahl der Bevölkerung ſeit der Revolution einer der Faktoren der inneren Verwaltung, und daher hat hier die Zählung gleich anfangs ſtatt aller theoretiſchen Richtung eine vorzugsweiſe praktiſche Bedeutung. Allerdings hatte nämlich das Geſetz vom 22. Juli 1791 ſchon eine Zählung nach Köpfen, Alter, Geſchlecht und professions (Juſti’s Handthierung) vorgeſchrieben; aber Legoyt hat gewiß Recht, wenn er behauptet, dieß Geſetz ſei nie zur Ausführung gelangt. Die frühern Zählungen, die ſeit 1784 ſtattgefunden haben, ſind von Juglar De la population en France dep. 1772 à nos jours J. d. Écon. XXX. XXXI und XXXII und von Fayet De l’accroissement de la population en Fr. 1845. J. d. Écon. XII. dar- geſtellt. Der Werth dieſer Zählungen iſt bis zu unſerm Jahrhundert gewiß nach dem oben angeführten Geſtändniß Neckers ſehr zweifelhaft, und das Verfahren war für das Reich nur eine Schätzung. Dagegen ſehen wir die eigentliche Zählung in Frankreich durch ihre enge Ver- bindung als eine örtliche entſtehen, und wie in England aus den Standesregiſtern, ſo hat ſich in Frankreich aus den Gemeindezählungen die allgemeine Volkszählung entwickelt. Durch das Geſetz vom 19. vend. IV. ward nämlich zuerſt die Aufſtellung eigener Polizeibeamteter von der Zahl der Einwohner einer Gemeinde abhängig gemacht; damit ward der Frankreich eigenthümliche Grundſatz eingeführt und allmählig in allen Zweigen der örtlichen Verwaltung zur Geltung gebracht, daß die Theilnahme an den Laſten der Verwaltung durch die Zahl der Ein- wohner beſtimmt werden ſolle. Das Arr. vom 17. Germ. an XI. beſtimmte nämlich im Allgemeinen, daß die Verwaltungskoſten der Ge- meinden nach der Ziffer der Bevölkerung geregelt werden ſollen, nach- dem ſchon vorher die circonscriptions judiciaires (die Competenzgebiete der Friedensrichter) durch die loi 8. pluv. an IX und die religieuses

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/249>, abgerufen am 29.03.2024.