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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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wäre, sich vorerst Mühe zu geben, sich über den Sinn der Worte einig
zu werden. Gegenüber dem an sich so einfachen und klaren System
Englands und Frankreichs macht diese Verwirrung des geltenden Rechts
wie der Begriffe keineswegs einen wohlthuenden Eindruck. Und das
um so weniger, als diese Unklarheiten von einem beständigen Bestreben,
von einer immer wiederholten Forderung nach Gleichmäßigkeit und Ein-
heit der Gesetzgebung begleitet sind, ohne daß doch die Fordernden
bisher im Stande gewesen wären, ihre eigene Forderung selbst endgültig
zu formuliren.

Die schwierige Aufgabe, mit diesem weiten und verwickelten Ge-
biete ins Reine zu kommen, wird nun wohl zunächst Eine, nicht bloß
hier für die deutsche Staatswissenschaft gültige Voraussetzung haben.
Es ist kein Zweifel, daß alle Verschiedenheiten auch hier zuletzt auf
einer gemeinsamen Grundlage beruhen. Bei der großen Weitläuftigkeit
des uns vorliegenden Materials und dem in den meisten Fällen nur
örtlich praktischen Werth der einzelnen Sätze und Bestimmungen wird
unsere Aufgabe sich wohl darauf beschränken müssen, eben die so ge-
meinsame Grundlage, von der aus sich am Ende allein die künftige
Entwicklung gewinnen läßt, zu bestimmen. Die entscheidende Bedin-
gung für den wirklichen Fortschritt wird auch hier darin bestehen, daß
man sich endlich über gewisse einfache Thatsachen, Begriffe und Worte
einige.

Vielleicht wäre es aber dennoch möglich, durch Reducirung der
verschiedenen Vorstellungen und Worte auf einige sehr einfache Sätze
eine solche Einigkeit zu erzielen.

Wir haben die administrative oder Verwaltungsordnung der
Bevölkerung als diejenige Eintheilung der letzteren bezeichnet, vermöge
deren jeder Einzelne einem bestimmten Organ der vollziehenden Gewalt
für seine besondere Aufgabe zugewiesen wird. Der Begriff und das
Wesen dieser Organe, Amt und Selbstverwaltung, stehen wohl an sich
fest. Eben so wenig dürften die entsprechenden Begriffe von Competenz
und Zuständigkeit, Gemeindebürgerthum und Heimathsrecht, an sich noch
unklar sein.

Wenn daher trotz dem nicht bloß eine große und tiefgehende Ver-
schiedenheit zwischen den einzelnen Ländern und zwischen den einzelnen
Epochen stattfindet, so wird dieß nie an jenem Begriffe selbst, sondern
vielmehr daran liegen, daß in der Bildung und dem Recht der Or-
gane
, auf welche man sie anwendet, eine Verschiedenheit obwaltet.
Und deßhalb sagen wir, daß die Eigenthümlichkeit der Verwaltungs-
ordnung der Bevölkerung jedes Landes eben in dem, ihm eigenthüm-
lichen Verhältniß seiner Organe, also in dem ihm eigenthümlichen

wäre, ſich vorerſt Mühe zu geben, ſich über den Sinn der Worte einig
zu werden. Gegenüber dem an ſich ſo einfachen und klaren Syſtem
Englands und Frankreichs macht dieſe Verwirrung des geltenden Rechts
wie der Begriffe keineswegs einen wohlthuenden Eindruck. Und das
um ſo weniger, als dieſe Unklarheiten von einem beſtändigen Beſtreben,
von einer immer wiederholten Forderung nach Gleichmäßigkeit und Ein-
heit der Geſetzgebung begleitet ſind, ohne daß doch die Fordernden
bisher im Stande geweſen wären, ihre eigene Forderung ſelbſt endgültig
zu formuliren.

Die ſchwierige Aufgabe, mit dieſem weiten und verwickelten Ge-
biete ins Reine zu kommen, wird nun wohl zunächſt Eine, nicht bloß
hier für die deutſche Staatswiſſenſchaft gültige Vorausſetzung haben.
Es iſt kein Zweifel, daß alle Verſchiedenheiten auch hier zuletzt auf
einer gemeinſamen Grundlage beruhen. Bei der großen Weitläuftigkeit
des uns vorliegenden Materials und dem in den meiſten Fällen nur
örtlich praktiſchen Werth der einzelnen Sätze und Beſtimmungen wird
unſere Aufgabe ſich wohl darauf beſchränken müſſen, eben die ſo ge-
meinſame Grundlage, von der aus ſich am Ende allein die künftige
Entwicklung gewinnen läßt, zu beſtimmen. Die entſcheidende Bedin-
gung für den wirklichen Fortſchritt wird auch hier darin beſtehen, daß
man ſich endlich über gewiſſe einfache Thatſachen, Begriffe und Worte
einige.

Vielleicht wäre es aber dennoch möglich, durch Reducirung der
verſchiedenen Vorſtellungen und Worte auf einige ſehr einfache Sätze
eine ſolche Einigkeit zu erzielen.

Wir haben die adminiſtrative oder Verwaltungsordnung der
Bevölkerung als diejenige Eintheilung der letzteren bezeichnet, vermöge
deren jeder Einzelne einem beſtimmten Organ der vollziehenden Gewalt
für ſeine beſondere Aufgabe zugewieſen wird. Der Begriff und das
Weſen dieſer Organe, Amt und Selbſtverwaltung, ſtehen wohl an ſich
feſt. Eben ſo wenig dürften die entſprechenden Begriffe von Competenz
und Zuſtändigkeit, Gemeindebürgerthum und Heimathsrecht, an ſich noch
unklar ſein.

Wenn daher trotz dem nicht bloß eine große und tiefgehende Ver-
ſchiedenheit zwiſchen den einzelnen Ländern und zwiſchen den einzelnen
Epochen ſtattfindet, ſo wird dieß nie an jenem Begriffe ſelbſt, ſondern
vielmehr daran liegen, daß in der Bildung und dem Recht der Or-
gane
, auf welche man ſie anwendet, eine Verſchiedenheit obwaltet.
Und deßhalb ſagen wir, daß die Eigenthümlichkeit der Verwaltungs-
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lichen Verhältniß ſeiner Organe, alſo in dem ihm eigenthümlichen

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[307/0329] wäre, ſich vorerſt Mühe zu geben, ſich über den Sinn der Worte einig zu werden. Gegenüber dem an ſich ſo einfachen und klaren Syſtem Englands und Frankreichs macht dieſe Verwirrung des geltenden Rechts wie der Begriffe keineswegs einen wohlthuenden Eindruck. Und das um ſo weniger, als dieſe Unklarheiten von einem beſtändigen Beſtreben, von einer immer wiederholten Forderung nach Gleichmäßigkeit und Ein- heit der Geſetzgebung begleitet ſind, ohne daß doch die Fordernden bisher im Stande geweſen wären, ihre eigene Forderung ſelbſt endgültig zu formuliren. Die ſchwierige Aufgabe, mit dieſem weiten und verwickelten Ge- biete ins Reine zu kommen, wird nun wohl zunächſt Eine, nicht bloß hier für die deutſche Staatswiſſenſchaft gültige Vorausſetzung haben. Es iſt kein Zweifel, daß alle Verſchiedenheiten auch hier zuletzt auf einer gemeinſamen Grundlage beruhen. Bei der großen Weitläuftigkeit des uns vorliegenden Materials und dem in den meiſten Fällen nur örtlich praktiſchen Werth der einzelnen Sätze und Beſtimmungen wird unſere Aufgabe ſich wohl darauf beſchränken müſſen, eben die ſo ge- meinſame Grundlage, von der aus ſich am Ende allein die künftige Entwicklung gewinnen läßt, zu beſtimmen. Die entſcheidende Bedin- gung für den wirklichen Fortſchritt wird auch hier darin beſtehen, daß man ſich endlich über gewiſſe einfache Thatſachen, Begriffe und Worte einige. Vielleicht wäre es aber dennoch möglich, durch Reducirung der verſchiedenen Vorſtellungen und Worte auf einige ſehr einfache Sätze eine ſolche Einigkeit zu erzielen. Wir haben die adminiſtrative oder Verwaltungsordnung der Bevölkerung als diejenige Eintheilung der letzteren bezeichnet, vermöge deren jeder Einzelne einem beſtimmten Organ der vollziehenden Gewalt für ſeine beſondere Aufgabe zugewieſen wird. Der Begriff und das Weſen dieſer Organe, Amt und Selbſtverwaltung, ſtehen wohl an ſich feſt. Eben ſo wenig dürften die entſprechenden Begriffe von Competenz und Zuſtändigkeit, Gemeindebürgerthum und Heimathsrecht, an ſich noch unklar ſein. Wenn daher trotz dem nicht bloß eine große und tiefgehende Ver- ſchiedenheit zwiſchen den einzelnen Ländern und zwiſchen den einzelnen Epochen ſtattfindet, ſo wird dieß nie an jenem Begriffe ſelbſt, ſondern vielmehr daran liegen, daß in der Bildung und dem Recht der Or- gane, auf welche man ſie anwendet, eine Verſchiedenheit obwaltet. Und deßhalb ſagen wir, daß die Eigenthümlichkeit der Verwaltungs- ordnung der Bevölkerung jedes Landes eben in dem, ihm eigenthüm- lichen Verhältniß ſeiner Organe, alſo in dem ihm eigenthümlichen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/329>, abgerufen am 28.03.2024.