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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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mitgetheilt von Horn S. 141 ff). Der Unterschied zwischen diesen
Bestimmungen und dem französischen Recht besteht wesentlich darin, daß
die Eintheilung in die drei Classen fehlt und nur einzelne Vorschriften
angegeben sind. Das Verfahren ist dasselbe. Das Gesetz vom 1. Juli
1861 ist dann an die Stelle des §. 28 ff. der Gewerbeordnung getreten
und hat das Verfahren genauer geregelt, auch die Competenzen nicht
unwesentlich geändert (Rönne, Staatsrecht II. §. 402). Das Wesent-
liche der Gesetzgebung Oesterreichs (Gewerbeordnung von 1859) besteht
darin, daß nicht weniger als sechsundzwanzig Arten von den in §. 14
der Concession bedürftigen Gewerben von den allgemeinen Grundsätzen
ausgenommen und auf besondere Bestimmungen verwiesen sind, bei
denen jedoch das sanitäre Moment sehr untergeordnet erscheint. Die
Genehmigung selbst ist hier geschieden in die Genehmigung des Betriebes
und die der Anlage (Hauptst. III. §. 31 ff.). Auch hier sind keine
Klassen, sondern Arten in §. 33. Das französische Verfahren ist im
§. 35 aufgenommen, mit Recurs. (S. auch Stubenrauch II. §§. 476
bis 478.) Die übrigen deutschen neuen Gewerbeordnungen stehen auf
demselben Standpunkt. Bayern: Gewerbegesetz von 1825. Vollzugs-
ordnung vom 17. December 1853. (Pözl, Verwaltungsrecht §. 157.)
Württemberg: Vielfache und nicht einheitliche Bestimmungen bei
Roller §§. 107, 143, 354, 355. Belgien hat ganz das franzö-
sische
Recht mit einigen Modifikationen (De Fooz, Dr. adm. belge
III. p. 550 sq.
). Das englische Recht der Nuisances Removal Act
gehört offenbar erst dem folgenden Abschnitte und ist überhaupt viel
unsystematischer und unpraktischer, als das französische Recht.

3) Gesundheitspolizei des Betriebes.

Die Gesundheitspolizei des Gewerbebetriebes ist eine weit schwie-
rigere und zugleich bedenklichere als die der Anlage, da einerseits ihr
Objekt, Stoff und Arbeit, weit unbestimmter, und ihr Ergebniß, das
Urtheil über die sanitären Verhältnisse viel eingreifender in das Gewerbe-
wesen überhaupt ist.

Das allgemeine Princip ist, daß an sich die Bearbeitung eines
Stoffes nicht verboten sein kann, daß dagegen die Arbeit selber so einge-
richtet sein muß, daß die lebens- und gesundheitsgefährlichen Verhältnisse
derselben beseitigt werden. Die daraus hervorgehenden Vorschriften ent-
halten das Gesundheitsrecht des gewerblichen Betriebes.

Dieses Gesundheitsrecht steht nun bisher auf dem unfertigen Stand-
punkt, daß es sich noch immer an diejenigen einzelnen Gewerbe an-
schließt, bei denen die Wissenschaft eine bestimmte, entweder mechanisch

mitgetheilt von Horn S. 141 ff). Der Unterſchied zwiſchen dieſen
Beſtimmungen und dem franzöſiſchen Recht beſteht weſentlich darin, daß
die Eintheilung in die drei Claſſen fehlt und nur einzelne Vorſchriften
angegeben ſind. Das Verfahren iſt daſſelbe. Das Geſetz vom 1. Juli
1861 iſt dann an die Stelle des §. 28 ff. der Gewerbeordnung getreten
und hat das Verfahren genauer geregelt, auch die Competenzen nicht
unweſentlich geändert (Rönne, Staatsrecht II. §. 402). Das Weſent-
liche der Geſetzgebung Oeſterreichs (Gewerbeordnung von 1859) beſteht
darin, daß nicht weniger als ſechsundzwanzig Arten von den in §. 14
der Conceſſion bedürftigen Gewerben von den allgemeinen Grundſätzen
ausgenommen und auf beſondere Beſtimmungen verwieſen ſind, bei
denen jedoch das ſanitäre Moment ſehr untergeordnet erſcheint. Die
Genehmigung ſelbſt iſt hier geſchieden in die Genehmigung des Betriebes
und die der Anlage (Hauptſt. III. §. 31 ff.). Auch hier ſind keine
Klaſſen, ſondern Arten in §. 33. Das franzöſiſche Verfahren iſt im
§. 35 aufgenommen, mit Recurs. (S. auch Stubenrauch II. §§. 476
bis 478.) Die übrigen deutſchen neuen Gewerbeordnungen ſtehen auf
demſelben Standpunkt. Bayern: Gewerbegeſetz von 1825. Vollzugs-
ordnung vom 17. December 1853. (Pözl, Verwaltungsrecht §. 157.)
Württemberg: Vielfache und nicht einheitliche Beſtimmungen bei
Roller §§. 107, 143, 354, 355. Belgien hat ganz das franzö-
ſiſche
Recht mit einigen Modifikationen (De Fooz, Dr. adm. belge
III. p. 550 sq.
). Das engliſche Recht der Nuisances Removal Act
gehört offenbar erſt dem folgenden Abſchnitte und iſt überhaupt viel
unſyſtematiſcher und unpraktiſcher, als das franzöſiſche Recht.

3) Geſundheitspolizei des Betriebes.

Die Geſundheitspolizei des Gewerbebetriebes iſt eine weit ſchwie-
rigere und zugleich bedenklichere als die der Anlage, da einerſeits ihr
Objekt, Stoff und Arbeit, weit unbeſtimmter, und ihr Ergebniß, das
Urtheil über die ſanitären Verhältniſſe viel eingreifender in das Gewerbe-
weſen überhaupt iſt.

Das allgemeine Princip iſt, daß an ſich die Bearbeitung eines
Stoffes nicht verboten ſein kann, daß dagegen die Arbeit ſelber ſo einge-
richtet ſein muß, daß die lebens- und geſundheitsgefährlichen Verhältniſſe
derſelben beſeitigt werden. Die daraus hervorgehenden Vorſchriften ent-
halten das Geſundheitsrecht des gewerblichen Betriebes.

Dieſes Geſundheitsrecht ſteht nun bisher auf dem unfertigen Stand-
punkt, daß es ſich noch immer an diejenigen einzelnen Gewerbe an-
ſchließt, bei denen die Wiſſenſchaft eine beſtimmte, entweder mechaniſch

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[84/0100] mitgetheilt von Horn S. 141 ff). Der Unterſchied zwiſchen dieſen Beſtimmungen und dem franzöſiſchen Recht beſteht weſentlich darin, daß die Eintheilung in die drei Claſſen fehlt und nur einzelne Vorſchriften angegeben ſind. Das Verfahren iſt daſſelbe. Das Geſetz vom 1. Juli 1861 iſt dann an die Stelle des §. 28 ff. der Gewerbeordnung getreten und hat das Verfahren genauer geregelt, auch die Competenzen nicht unweſentlich geändert (Rönne, Staatsrecht II. §. 402). Das Weſent- liche der Geſetzgebung Oeſterreichs (Gewerbeordnung von 1859) beſteht darin, daß nicht weniger als ſechsundzwanzig Arten von den in §. 14 der Conceſſion bedürftigen Gewerben von den allgemeinen Grundſätzen ausgenommen und auf beſondere Beſtimmungen verwieſen ſind, bei denen jedoch das ſanitäre Moment ſehr untergeordnet erſcheint. Die Genehmigung ſelbſt iſt hier geſchieden in die Genehmigung des Betriebes und die der Anlage (Hauptſt. III. §. 31 ff.). Auch hier ſind keine Klaſſen, ſondern Arten in §. 33. Das franzöſiſche Verfahren iſt im §. 35 aufgenommen, mit Recurs. (S. auch Stubenrauch II. §§. 476 bis 478.) Die übrigen deutſchen neuen Gewerbeordnungen ſtehen auf demſelben Standpunkt. Bayern: Gewerbegeſetz von 1825. Vollzugs- ordnung vom 17. December 1853. (Pözl, Verwaltungsrecht §. 157.) Württemberg: Vielfache und nicht einheitliche Beſtimmungen bei Roller §§. 107, 143, 354, 355. Belgien hat ganz das franzö- ſiſche Recht mit einigen Modifikationen (De Fooz, Dr. adm. belge III. p. 550 sq.). Das engliſche Recht der Nuisances Removal Act gehört offenbar erſt dem folgenden Abſchnitte und iſt überhaupt viel unſyſtematiſcher und unpraktiſcher, als das franzöſiſche Recht. 3) Geſundheitspolizei des Betriebes. Die Geſundheitspolizei des Gewerbebetriebes iſt eine weit ſchwie- rigere und zugleich bedenklichere als die der Anlage, da einerſeits ihr Objekt, Stoff und Arbeit, weit unbeſtimmter, und ihr Ergebniß, das Urtheil über die ſanitären Verhältniſſe viel eingreifender in das Gewerbe- weſen überhaupt iſt. Das allgemeine Princip iſt, daß an ſich die Bearbeitung eines Stoffes nicht verboten ſein kann, daß dagegen die Arbeit ſelber ſo einge- richtet ſein muß, daß die lebens- und geſundheitsgefährlichen Verhältniſſe derſelben beſeitigt werden. Die daraus hervorgehenden Vorſchriften ent- halten das Geſundheitsrecht des gewerblichen Betriebes. Dieſes Geſundheitsrecht ſteht nun bisher auf dem unfertigen Stand- punkt, daß es ſich noch immer an diejenigen einzelnen Gewerbe an- ſchließt, bei denen die Wiſſenſchaft eine beſtimmte, entweder mechaniſch

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/100>, abgerufen am 28.03.2024.