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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Der amtliche Eid vor dem Landrath (Rescript vom 24. Juli 1851;
Horn l. l. S. 82; Rönne, Staatsrecht II. 352). Die Vorrechte der
Aerzte in gewissen öffentlichen Verhältnissen bei Rönne ebend. 358 und
Horn a. a. O. -- Die übrigen deutschen Staaten haben in diesen
Beziehungen zum Theil gar keine eigenen Bestimmungen, zum Theil
nur einzelne Verordnungen. (S. Roller a. a. O. §. 172; Funke
a. a. O. III.) Eide der verschiedenen Classen der Aerzte, recht lang und
unverständig S. 91 ff. V. ebend. S. 484. -- In England hat die Me-
dical Act
1858 dem G. Council of Medical Education das Recht
gegeben, die Aerzte aus dem Register zu streichen wegen Verbrechen,
den Körperschaften sogar nach ihrem Ermessen, mit Beschwerde an den
Council; aber das Recht auf die Praxis geht damit nicht verloren.
(Gneist, Engl. Verwaltungsrecht IV. §. 114.) -- In Holland gibt
die Prüfung auch für die Officiere der Gezondheit das Recht für
das ganze Reich nach der Verordnung vom 1. Juni 1865.

4) Die Pflichten der Aerzte.

Die Pflichten der Aerzte sind diejenigen Obliegenheiten derselben,
welche der berufsmäßigen Aufgabe derselben entsprechen. Sie entstehen
erst mit der berufsmäßigen Bildung derselben; ohne diese letztere gibt
es zwar eine bürgerliche Haftung, aber keine ärztliche Pflicht. Daher
hat die objektive Feststellung der letzteren zwei Grundformen. Die erste
ist die berufsmäßige, die von Anfang an in dem Eid der Aerzte
(schon seit dem dreizehnten Jahrhundert, s. oben) gegeben ist, und die
neben der Berufstreue auch das sociale Element der Verpflichtung zur
Hülfe für Arme enthält. Die zweite ist die amtliche, die mit dem
achtzehnten Jahrhundert entsteht, ihren Inhalt durch die Forderungen
der amtlichen Verwaltung der Collegia medica empfängt, durch Instruk-
tionen und Verordnungen dann im Einzelnen ausgebildet wird, und
sich wesentlich durch die höhere Sanitätspolizei erweitert. Die Lehre
von der Medicinalpolizei hat dann beides zusammengefaßt; in der staats-
bürgerlichen Gesellschaftsordnung unsres Jahrhunderts hat das Princip,
die Pflicht zu einem rechtlichen Ausdruck zu bringen, wenigstens theil-
weise eine selbständige juristische Theorie daraus gebildet, die freilich,
da die sogenannte Polizeiwissenschaft bei allgemeinen Phrasen stehen
blieb, nur in den positiven Verwaltungsgesetzkunden, und auch hier nur
unvollständig gegeben ward. Die Grundlage dieser Pflichten sind jetzt
folgende.

Zuerst ist die Pflicht zur ärztlichen Hülfe juristisch anerkannt,
und die Verweigerung derselben strafbar. Dann ist die Fahrlässigkeit

Der amtliche Eid vor dem Landrath (Reſcript vom 24. Juli 1851;
Horn l. l. S. 82; Rönne, Staatsrecht II. 352). Die Vorrechte der
Aerzte in gewiſſen öffentlichen Verhältniſſen bei Rönne ebend. 358 und
Horn a. a. O. — Die übrigen deutſchen Staaten haben in dieſen
Beziehungen zum Theil gar keine eigenen Beſtimmungen, zum Theil
nur einzelne Verordnungen. (S. Roller a. a. O. §. 172; Funke
a. a. O. III.) Eide der verſchiedenen Claſſen der Aerzte, recht lang und
unverſtändig S. 91 ff. V. ebend. S. 484. — In England hat die Me-
dical Act
1858 dem G. Council of Medical Education das Recht
gegeben, die Aerzte aus dem Regiſter zu ſtreichen wegen Verbrechen,
den Körperſchaften ſogar nach ihrem Ermeſſen, mit Beſchwerde an den
Council; aber das Recht auf die Praxis geht damit nicht verloren.
(Gneiſt, Engl. Verwaltungsrecht IV. §. 114.) — In Holland gibt
die Prüfung auch für die Officiere der Gezondheit das Recht für
das ganze Reich nach der Verordnung vom 1. Juni 1865.

4) Die Pflichten der Aerzte.

Die Pflichten der Aerzte ſind diejenigen Obliegenheiten derſelben,
welche der berufsmäßigen Aufgabe derſelben entſprechen. Sie entſtehen
erſt mit der berufsmäßigen Bildung derſelben; ohne dieſe letztere gibt
es zwar eine bürgerliche Haftung, aber keine ärztliche Pflicht. Daher
hat die objektive Feſtſtellung der letzteren zwei Grundformen. Die erſte
iſt die berufsmäßige, die von Anfang an in dem Eid der Aerzte
(ſchon ſeit dem dreizehnten Jahrhundert, ſ. oben) gegeben iſt, und die
neben der Berufstreue auch das ſociale Element der Verpflichtung zur
Hülfe für Arme enthält. Die zweite iſt die amtliche, die mit dem
achtzehnten Jahrhundert entſteht, ihren Inhalt durch die Forderungen
der amtlichen Verwaltung der Collegia medica empfängt, durch Inſtruk-
tionen und Verordnungen dann im Einzelnen ausgebildet wird, und
ſich weſentlich durch die höhere Sanitätspolizei erweitert. Die Lehre
von der Medicinalpolizei hat dann beides zuſammengefaßt; in der ſtaats-
bürgerlichen Geſellſchaftsordnung unſres Jahrhunderts hat das Princip,
die Pflicht zu einem rechtlichen Ausdruck zu bringen, wenigſtens theil-
weiſe eine ſelbſtändige juriſtiſche Theorie daraus gebildet, die freilich,
da die ſogenannte Polizeiwiſſenſchaft bei allgemeinen Phraſen ſtehen
blieb, nur in den poſitiven Verwaltungsgeſetzkunden, und auch hier nur
unvollſtändig gegeben ward. Die Grundlage dieſer Pflichten ſind jetzt
folgende.

Zuerſt iſt die Pflicht zur ärztlichen Hülfe juriſtiſch anerkannt,
und die Verweigerung derſelben ſtrafbar. Dann iſt die Fahrläſſigkeit

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[108/0124] Der amtliche Eid vor dem Landrath (Reſcript vom 24. Juli 1851; Horn l. l. S. 82; Rönne, Staatsrecht II. 352). Die Vorrechte der Aerzte in gewiſſen öffentlichen Verhältniſſen bei Rönne ebend. 358 und Horn a. a. O. — Die übrigen deutſchen Staaten haben in dieſen Beziehungen zum Theil gar keine eigenen Beſtimmungen, zum Theil nur einzelne Verordnungen. (S. Roller a. a. O. §. 172; Funke a. a. O. III.) Eide der verſchiedenen Claſſen der Aerzte, recht lang und unverſtändig S. 91 ff. V. ebend. S. 484. — In England hat die Me- dical Act 1858 dem G. Council of Medical Education das Recht gegeben, die Aerzte aus dem Regiſter zu ſtreichen wegen Verbrechen, den Körperſchaften ſogar nach ihrem Ermeſſen, mit Beſchwerde an den Council; aber das Recht auf die Praxis geht damit nicht verloren. (Gneiſt, Engl. Verwaltungsrecht IV. §. 114.) — In Holland gibt die Prüfung auch für die Officiere der Gezondheit das Recht für das ganze Reich nach der Verordnung vom 1. Juni 1865. 4) Die Pflichten der Aerzte. Die Pflichten der Aerzte ſind diejenigen Obliegenheiten derſelben, welche der berufsmäßigen Aufgabe derſelben entſprechen. Sie entſtehen erſt mit der berufsmäßigen Bildung derſelben; ohne dieſe letztere gibt es zwar eine bürgerliche Haftung, aber keine ärztliche Pflicht. Daher hat die objektive Feſtſtellung der letzteren zwei Grundformen. Die erſte iſt die berufsmäßige, die von Anfang an in dem Eid der Aerzte (ſchon ſeit dem dreizehnten Jahrhundert, ſ. oben) gegeben iſt, und die neben der Berufstreue auch das ſociale Element der Verpflichtung zur Hülfe für Arme enthält. Die zweite iſt die amtliche, die mit dem achtzehnten Jahrhundert entſteht, ihren Inhalt durch die Forderungen der amtlichen Verwaltung der Collegia medica empfängt, durch Inſtruk- tionen und Verordnungen dann im Einzelnen ausgebildet wird, und ſich weſentlich durch die höhere Sanitätspolizei erweitert. Die Lehre von der Medicinalpolizei hat dann beides zuſammengefaßt; in der ſtaats- bürgerlichen Geſellſchaftsordnung unſres Jahrhunderts hat das Princip, die Pflicht zu einem rechtlichen Ausdruck zu bringen, wenigſtens theil- weiſe eine ſelbſtändige juriſtiſche Theorie daraus gebildet, die freilich, da die ſogenannte Polizeiwiſſenſchaft bei allgemeinen Phraſen ſtehen blieb, nur in den poſitiven Verwaltungsgeſetzkunden, und auch hier nur unvollſtändig gegeben ward. Die Grundlage dieſer Pflichten ſind jetzt folgende. Zuerſt iſt die Pflicht zur ärztlichen Hülfe juriſtiſch anerkannt, und die Verweigerung derſelben ſtrafbar. Dann iſt die Fahrläſſigkeit

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/124>, abgerufen am 28.03.2024.