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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Verordnung vom 17. Aug. 1837; Geburtshelfer-Prüfungen (Verord-
nung vom 17. April 1839. Roller §. 193). -- Frankreich. Prü-
fung, Certificat und Rechte betreffend durch das Gesetz vom 19 Vent.
an XI;
Liste derselben bei den Gerichten und bei der Präfektur. --
Holland. Das dritte Gesetz vom 1. Juni 1865 enthält weiter nichts,
als die Vorschrift, daß die Hebammen den Arzt in bedenklichen Fällen
rufen sollen (Art. 15). -- Italien. Hebammenklinik in Palermo, orga-
nisirt 8. Juli 1865, mit zwei Classen, und Internen und Externen. Heb-
ammenschule in Mailand, Neapel (1. Sept. 1865).

IV. Die Heildiener.

Unter den Heildienern oder dem niederen Heilpersonal verstehen
wir Diejenigen, welche aus dem Krankendienst im weitesten Sinne einen
regelmäßigen Erwerb machen. An sich ist diese Bedienung der Kranken
frei, sowohl für die Wahl der Kranken, als für die Krankendiener selbst.
Aber zwei Dinge geben ihr einen öffentlich rechtlichen Charakter, durch
den sie der Medicinalverwaltung angehören. Zuerst ist die Gränze
zwischen der Krankenbedienung und der heilenden Thätigkeit schwer zu
ziehen, so daß sogar oft im Falle eines Mangels die erstere die zweite
ersetzen muß. Zweitens wird die Krankenpflege in allen ernsteren
Fällen an sich eine Bedingung der Heilung. Sowie daher die Chirurgie
einen wissenschaftlichen Inhalt bekommt, scheidet sich der Heildienst
als selbständige Krankenpflege von ihr, übernimmt einen Theil ihrer
ganz mechanischen Thätigkeit, erhebt sich zu einem eigenen Lebensberufe
und wird nun vermöge dieser ihrer Natur in die Gesundheitsverwaltung
eingeordnet.

Dieß geschieht erst in unserem Jahrhundert, und ist noch sehr wenig
ausgebildet. Die Grundsätze des öffentlichen Rechts des Heildienstes
stehen jedoch schon ziemlich fest, obwohl sie nur wenig codificirt sind,
und enthalten folgende Hauptpunkte: 1) Die individuelle Freiheit in
in der Wahl der Krankenwärter bleibt an sich unbeschränkt; 2) wo aber
ein eigenes Gewerbe daraus gemacht wird, tritt die Gesundheitsver-
waltung ein, und stellt 3) erstlich den Grundsatz der Genehmigung für
die Ausübung dieses Gewerbes auf, zweitens aber beginnt sie eine ge-
wisse niedere Bildung für den Heildienst zu bieten und zu fordern,
woran sich drittens eine Organisirung in der Oberaufsicht der Aerzte
anschließt, und viertens eine Taxe mit Rechten und Pflichten. Auf
diese Weise ist das in der alten Chirurgie liegende, rein gewerbliche
Element, soweit es mit der Heilung zu thun hat, zu einem organischen
Theile des Heilwesens geworden; und es läßt sich vorher sagen, daß

Verordnung vom 17. Aug. 1837; Geburtshelfer-Prüfungen (Verord-
nung vom 17. April 1839. Roller §. 193). — Frankreich. Prü-
fung, Certificat und Rechte betreffend durch das Geſetz vom 19 Vent.
an XI;
Liſte derſelben bei den Gerichten und bei der Präfektur. —
Holland. Das dritte Geſetz vom 1. Juni 1865 enthält weiter nichts,
als die Vorſchrift, daß die Hebammen den Arzt in bedenklichen Fällen
rufen ſollen (Art. 15). — Italien. Hebammenklinik in Palermo, orga-
niſirt 8. Juli 1865, mit zwei Claſſen, und Internen und Externen. Heb-
ammenſchule in Mailand, Neapel (1. Sept. 1865).

IV. Die Heildiener.

Unter den Heildienern oder dem niederen Heilperſonal verſtehen
wir Diejenigen, welche aus dem Krankendienſt im weiteſten Sinne einen
regelmäßigen Erwerb machen. An ſich iſt dieſe Bedienung der Kranken
frei, ſowohl für die Wahl der Kranken, als für die Krankendiener ſelbſt.
Aber zwei Dinge geben ihr einen öffentlich rechtlichen Charakter, durch
den ſie der Medicinalverwaltung angehören. Zuerſt iſt die Gränze
zwiſchen der Krankenbedienung und der heilenden Thätigkeit ſchwer zu
ziehen, ſo daß ſogar oft im Falle eines Mangels die erſtere die zweite
erſetzen muß. Zweitens wird die Krankenpflege in allen ernſteren
Fällen an ſich eine Bedingung der Heilung. Sowie daher die Chirurgie
einen wiſſenſchaftlichen Inhalt bekommt, ſcheidet ſich der Heildienſt
als ſelbſtändige Krankenpflege von ihr, übernimmt einen Theil ihrer
ganz mechaniſchen Thätigkeit, erhebt ſich zu einem eigenen Lebensberufe
und wird nun vermöge dieſer ihrer Natur in die Geſundheitsverwaltung
eingeordnet.

Dieß geſchieht erſt in unſerem Jahrhundert, und iſt noch ſehr wenig
ausgebildet. Die Grundſätze des öffentlichen Rechts des Heildienſtes
ſtehen jedoch ſchon ziemlich feſt, obwohl ſie nur wenig codificirt ſind,
und enthalten folgende Hauptpunkte: 1) Die individuelle Freiheit in
in der Wahl der Krankenwärter bleibt an ſich unbeſchränkt; 2) wo aber
ein eigenes Gewerbe daraus gemacht wird, tritt die Geſundheitsver-
waltung ein, und ſtellt 3) erſtlich den Grundſatz der Genehmigung für
die Ausübung dieſes Gewerbes auf, zweitens aber beginnt ſie eine ge-
wiſſe niedere Bildung für den Heildienſt zu bieten und zu fordern,
woran ſich drittens eine Organiſirung in der Oberaufſicht der Aerzte
anſchließt, und viertens eine Taxe mit Rechten und Pflichten. Auf
dieſe Weiſe iſt das in der alten Chirurgie liegende, rein gewerbliche
Element, ſoweit es mit der Heilung zu thun hat, zu einem organiſchen
Theile des Heilweſens geworden; und es läßt ſich vorher ſagen, daß

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[119/0135] Verordnung vom 17. Aug. 1837; Geburtshelfer-Prüfungen (Verord- nung vom 17. April 1839. Roller §. 193). — Frankreich. Prü- fung, Certificat und Rechte betreffend durch das Geſetz vom 19 Vent. an XI; Liſte derſelben bei den Gerichten und bei der Präfektur. — Holland. Das dritte Geſetz vom 1. Juni 1865 enthält weiter nichts, als die Vorſchrift, daß die Hebammen den Arzt in bedenklichen Fällen rufen ſollen (Art. 15). — Italien. Hebammenklinik in Palermo, orga- niſirt 8. Juli 1865, mit zwei Claſſen, und Internen und Externen. Heb- ammenſchule in Mailand, Neapel (1. Sept. 1865). IV. Die Heildiener. Unter den Heildienern oder dem niederen Heilperſonal verſtehen wir Diejenigen, welche aus dem Krankendienſt im weiteſten Sinne einen regelmäßigen Erwerb machen. An ſich iſt dieſe Bedienung der Kranken frei, ſowohl für die Wahl der Kranken, als für die Krankendiener ſelbſt. Aber zwei Dinge geben ihr einen öffentlich rechtlichen Charakter, durch den ſie der Medicinalverwaltung angehören. Zuerſt iſt die Gränze zwiſchen der Krankenbedienung und der heilenden Thätigkeit ſchwer zu ziehen, ſo daß ſogar oft im Falle eines Mangels die erſtere die zweite erſetzen muß. Zweitens wird die Krankenpflege in allen ernſteren Fällen an ſich eine Bedingung der Heilung. Sowie daher die Chirurgie einen wiſſenſchaftlichen Inhalt bekommt, ſcheidet ſich der Heildienſt als ſelbſtändige Krankenpflege von ihr, übernimmt einen Theil ihrer ganz mechaniſchen Thätigkeit, erhebt ſich zu einem eigenen Lebensberufe und wird nun vermöge dieſer ihrer Natur in die Geſundheitsverwaltung eingeordnet. Dieß geſchieht erſt in unſerem Jahrhundert, und iſt noch ſehr wenig ausgebildet. Die Grundſätze des öffentlichen Rechts des Heildienſtes ſtehen jedoch ſchon ziemlich feſt, obwohl ſie nur wenig codificirt ſind, und enthalten folgende Hauptpunkte: 1) Die individuelle Freiheit in in der Wahl der Krankenwärter bleibt an ſich unbeſchränkt; 2) wo aber ein eigenes Gewerbe daraus gemacht wird, tritt die Geſundheitsver- waltung ein, und ſtellt 3) erſtlich den Grundſatz der Genehmigung für die Ausübung dieſes Gewerbes auf, zweitens aber beginnt ſie eine ge- wiſſe niedere Bildung für den Heildienſt zu bieten und zu fordern, woran ſich drittens eine Organiſirung in der Oberaufſicht der Aerzte anſchließt, und viertens eine Taxe mit Rechten und Pflichten. Auf dieſe Weiſe iſt das in der alten Chirurgie liegende, rein gewerbliche Element, ſoweit es mit der Heilung zu thun hat, zu einem organiſchen Theile des Heilweſens geworden; und es läßt ſich vorher ſagen, daß

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/135>, abgerufen am 19.04.2024.