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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Verbot der Verwendung bleihaltiger Hüllen beim Tabak. -- Sachsen-
Meiningen
(Verordnung vom 24. Februar 1865). -- Hannover, Akten
über Handel mit arsenikhaltigen Farben 1864 (Austria a. 1864. p. 183).
-- In England fehlt die ganze Gesetzgebung; eine Berechtigung zum
Einschreiten kann höchstens aus der Nuisances Removal Act abgeleitet
werden, ohne Verpflichtung dazu. -- Belgien: Bestrafung der Ver-
mischung verkäuflicher Waaren mit Gift (Gesetz vom 19. Mai 1826
und 17. März 1856). Mangel einer Polizei des Verkehrs und des
Handels mit Giften (de Fooz Dr. adm. belge III. 133). In Holland
beschränkt sich die ganze Giftpolizei, von der de Bosch-Kemper gar
keine Erwähnung macht, auf Anordnungen über die Verwahrung der
Gifte in den Apotheken, und auf eine Reihe von gewöhnlichen Vor-
schriften über den Verkauf von Giften aus den Apotheken (viertes Gesetz
vom 1. Juni 1865, Art. 7 ff.). Baden: Polizei-Strafgesetzbuch, §. 831.

III. Kurpfuscherei, Quacksalberei und Geheimmittel.

Begriff und Recht der Kurpfuscherei hängen mit der ganzen Ent-
wicklung des Medicinalwesens innig zusammen. Man kann den römisch-
rechtlichen
(privatrechtlichen) Standpunkt als denjenigen bezeichnen,
der den Kurpfuscher zur Haftung für den durch ihn zugefügten Schaden
verpflichtet; der ständische Standpunkt ist der, vermöge dessen der
Kurpfuscher verfolgt werden muß, weil er unter dem Schein der fach-
männischen Bildung sich einen Erwerb schafft und den Erwerb der Be-
rufsmänner beeinträchtigt; der polizeiliche Standpunkt endlich sieht
in der Kurpfuscherei vor allem eine Gefährdung der öffentlichen Gesund-
heit und nimmt die beiden andern Gesichtspunkte als untergeordnet,
wenn auch nicht als unwichtig. Dadurch entstehen eigentlich zwei Be-
griffe: die Quacksalberei, welche Heilmittel ohne fachmännische Bil-
dung anwendet, ohne die letztere falsch vorzugeben, und die Kur-
pfuscherei
, welche es unter falscher Vorgabe derselben (unter Annahme
des Doktortitels) thut; die letztere enthält natürlich immer die erstere.
Das Rechtsprincip ist, daß die letztere schon als Verletzung des öffent-
lichen Vertrauens strafbar ist, die erstere aber nicht wegen der in ihr
enthaltenen Gefährdung der öffentlichen Gesundheit an sich, da sich vor
dieser jedermann durch Nichtbenutzung des Quacksalbers selbst schützen
kann, sondern dadurch, daß der letztere den Mangel an Bildung
mißbraucht, auf dem seine Benutzung beruht. Die Strafbarkeit der
Quacksalberei sollte daher nicht absolut, sondern von Fall zu Fall, und
zwar nur entweder nach dem Bildungsgrade der Behandelten (ob sie
mit Bewußtsein den Quacksalber gebraucht haben) -- oder nach der

Verbot der Verwendung bleihaltiger Hüllen beim Tabak. — Sachſen-
Meiningen
(Verordnung vom 24. Februar 1865). — Hannover, Akten
über Handel mit arſenikhaltigen Farben 1864 (Auſtria a. 1864. p. 183).
— In England fehlt die ganze Geſetzgebung; eine Berechtigung zum
Einſchreiten kann höchſtens aus der Nuisances Removal Act abgeleitet
werden, ohne Verpflichtung dazu. — Belgien: Beſtrafung der Ver-
miſchung verkäuflicher Waaren mit Gift (Geſetz vom 19. Mai 1826
und 17. März 1856). Mangel einer Polizei des Verkehrs und des
Handels mit Giften (de Fooz Dr. adm. belge III. 133). In Holland
beſchränkt ſich die ganze Giftpolizei, von der de Boſch-Kemper gar
keine Erwähnung macht, auf Anordnungen über die Verwahrung der
Gifte in den Apotheken, und auf eine Reihe von gewöhnlichen Vor-
ſchriften über den Verkauf von Giften aus den Apotheken (viertes Geſetz
vom 1. Juni 1865, Art. 7 ff.). Baden: Polizei-Strafgeſetzbuch, §. 831.

III. Kurpfuſcherei, Quackſalberei und Geheimmittel.

Begriff und Recht der Kurpfuſcherei hängen mit der ganzen Ent-
wicklung des Medicinalweſens innig zuſammen. Man kann den römiſch-
rechtlichen
(privatrechtlichen) Standpunkt als denjenigen bezeichnen,
der den Kurpfuſcher zur Haftung für den durch ihn zugefügten Schaden
verpflichtet; der ſtändiſche Standpunkt iſt der, vermöge deſſen der
Kurpfuſcher verfolgt werden muß, weil er unter dem Schein der fach-
männiſchen Bildung ſich einen Erwerb ſchafft und den Erwerb der Be-
rufsmänner beeinträchtigt; der polizeiliche Standpunkt endlich ſieht
in der Kurpfuſcherei vor allem eine Gefährdung der öffentlichen Geſund-
heit und nimmt die beiden andern Geſichtspunkte als untergeordnet,
wenn auch nicht als unwichtig. Dadurch entſtehen eigentlich zwei Be-
griffe: die Quackſalberei, welche Heilmittel ohne fachmänniſche Bil-
dung anwendet, ohne die letztere falſch vorzugeben, und die Kur-
pfuſcherei
, welche es unter falſcher Vorgabe derſelben (unter Annahme
des Doktortitels) thut; die letztere enthält natürlich immer die erſtere.
Das Rechtsprincip iſt, daß die letztere ſchon als Verletzung des öffent-
lichen Vertrauens ſtrafbar iſt, die erſtere aber nicht wegen der in ihr
enthaltenen Gefährdung der öffentlichen Geſundheit an ſich, da ſich vor
dieſer jedermann durch Nichtbenutzung des Quackſalbers ſelbſt ſchützen
kann, ſondern dadurch, daß der letztere den Mangel an Bildung
mißbraucht, auf dem ſeine Benutzung beruht. Die Strafbarkeit der
Quackſalberei ſollte daher nicht abſolut, ſondern von Fall zu Fall, und
zwar nur entweder nach dem Bildungsgrade der Behandelten (ob ſie
mit Bewußtſein den Quackſalber gebraucht haben) — oder nach der

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[60/0076] Verbot der Verwendung bleihaltiger Hüllen beim Tabak. — Sachſen- Meiningen (Verordnung vom 24. Februar 1865). — Hannover, Akten über Handel mit arſenikhaltigen Farben 1864 (Auſtria a. 1864. p. 183). — In England fehlt die ganze Geſetzgebung; eine Berechtigung zum Einſchreiten kann höchſtens aus der Nuisances Removal Act abgeleitet werden, ohne Verpflichtung dazu. — Belgien: Beſtrafung der Ver- miſchung verkäuflicher Waaren mit Gift (Geſetz vom 19. Mai 1826 und 17. März 1856). Mangel einer Polizei des Verkehrs und des Handels mit Giften (de Fooz Dr. adm. belge III. 133). In Holland beſchränkt ſich die ganze Giftpolizei, von der de Boſch-Kemper gar keine Erwähnung macht, auf Anordnungen über die Verwahrung der Gifte in den Apotheken, und auf eine Reihe von gewöhnlichen Vor- ſchriften über den Verkauf von Giften aus den Apotheken (viertes Geſetz vom 1. Juni 1865, Art. 7 ff.). Baden: Polizei-Strafgeſetzbuch, §. 831. III. Kurpfuſcherei, Quackſalberei und Geheimmittel. Begriff und Recht der Kurpfuſcherei hängen mit der ganzen Ent- wicklung des Medicinalweſens innig zuſammen. Man kann den römiſch- rechtlichen (privatrechtlichen) Standpunkt als denjenigen bezeichnen, der den Kurpfuſcher zur Haftung für den durch ihn zugefügten Schaden verpflichtet; der ſtändiſche Standpunkt iſt der, vermöge deſſen der Kurpfuſcher verfolgt werden muß, weil er unter dem Schein der fach- männiſchen Bildung ſich einen Erwerb ſchafft und den Erwerb der Be- rufsmänner beeinträchtigt; der polizeiliche Standpunkt endlich ſieht in der Kurpfuſcherei vor allem eine Gefährdung der öffentlichen Geſund- heit und nimmt die beiden andern Geſichtspunkte als untergeordnet, wenn auch nicht als unwichtig. Dadurch entſtehen eigentlich zwei Be- griffe: die Quackſalberei, welche Heilmittel ohne fachmänniſche Bil- dung anwendet, ohne die letztere falſch vorzugeben, und die Kur- pfuſcherei, welche es unter falſcher Vorgabe derſelben (unter Annahme des Doktortitels) thut; die letztere enthält natürlich immer die erſtere. Das Rechtsprincip iſt, daß die letztere ſchon als Verletzung des öffent- lichen Vertrauens ſtrafbar iſt, die erſtere aber nicht wegen der in ihr enthaltenen Gefährdung der öffentlichen Geſundheit an ſich, da ſich vor dieſer jedermann durch Nichtbenutzung des Quackſalbers ſelbſt ſchützen kann, ſondern dadurch, daß der letztere den Mangel an Bildung mißbraucht, auf dem ſeine Benutzung beruht. Die Strafbarkeit der Quackſalberei ſollte daher nicht abſolut, ſondern von Fall zu Fall, und zwar nur entweder nach dem Bildungsgrade der Behandelten (ob ſie mit Bewußtſein den Quackſalber gebraucht haben) — oder nach der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/76>, abgerufen am 25.04.2024.