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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.

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Das zweite Moment dieses öffentlichen Rechts ist das der Prü-
fung
, mit welchem die berufsmäßige Bildung abschließt. Für diese ist
festzustellen, daß sich Bildungsanstalten und Prüfungen stets bedingen
und entsprechen, und daß daher auch die rechtliche Ordnung der einen
nicht ohne die der andern formulirt gedacht werden, oder in Entwick-
lung begriffen sein kann.

Das dritte Moment ist dann die Anerkennung des Berufes,
dessen Bedingung durch die Prüfung als vorhanden gesetzt wird. Diese
Anerkennung aber enthält wieder einen ganz bestimmten rechtlichen
Inhalt, dessen wesentliche Punkte einerseits in dem Recht auf freie Aus-
übung, andererseits in dem Recht auf Ausschließung der nicht berufs-
mäßig Anerkannten besteht.

Daraus nun entwickelt sich das, was wir das System des Heil-
personals nennen. Die Verschiedenheit der Funktionen in der Heilung
der Krankheiten nämlich macht eine Beschränkung des Berufes auf einen
bestimmten Theil derselben, damit eine Beschränkung in der Bildung,
und damit eine Beschränkung im Rechte der Ausübung möglich, wäh-
rend alle Berufsgenossen und ihre Funktionen dennoch wieder innerlich
Ein Ganzes bilden. Die auf diese Weise auf Grundlage der verschie-
denen und speziellen Fachbildung entstehende Verschiedenheit des öffent-
lichen Berufsrechts ergibt dann die rechtliche Gestalt des Systems des
Heilpersonals
. Die drei Hauptgebiete daher sind das der Aerzte,
das der Apotheker, und das der Heildiener. Jeder dieser Theile
hat wieder sein eigenes System und sein eigenes Recht mit seiner Ge-
schichte, und dieses Recht und diese Geschichte sind wieder in den ver-
schiedenen Ländern sehr verschieden. Reich genug ist also auch dieser
Theil des Gesundheitswesens.

Aus dem Begriffe der öffentlichen Funktion aber entspringen in
Beziehung auf die einzelne Heilthätigkeit wieder gewisse Sätze, welche
dieses Rechtssystem im Einzelnen vervollständigen.

Zuerst ist das berufsmäßig gebildete Heilpersonal frei in seiner
Auffassung der Heilkunde, welche seiner Thätigkeit zum Grunde liegt.
Dafür aber ist es zweitens verpflichtet, dem Kranken seine Hülfe
nicht zu versagen, denn es ist zwar kein Diener des Staats, und es
ist sinnlos von einem Diener des Publikums zu reden, wohl aber ist
es Diener seines Berufes. Indem es dem Berufe folgt, hat es in
seinen öffentlichen Erklärungen das Recht des Berufes auf gerichtliche
Glaubwürdigkeit, und seine Ansprüche für Entgelt haben, da sie die
Gesundheit als Bedingung aller persönlichen Entwicklung betreffen, auch
das Vorrecht vor allen andern Arten von Forderungen.

Das sind die allgemeinen Grundsätze, welche das öffentliche Recht

Das zweite Moment dieſes öffentlichen Rechts iſt das der Prü-
fung
, mit welchem die berufsmäßige Bildung abſchließt. Für dieſe iſt
feſtzuſtellen, daß ſich Bildungsanſtalten und Prüfungen ſtets bedingen
und entſprechen, und daß daher auch die rechtliche Ordnung der einen
nicht ohne die der andern formulirt gedacht werden, oder in Entwick-
lung begriffen ſein kann.

Das dritte Moment iſt dann die Anerkennung des Berufes,
deſſen Bedingung durch die Prüfung als vorhanden geſetzt wird. Dieſe
Anerkennung aber enthält wieder einen ganz beſtimmten rechtlichen
Inhalt, deſſen weſentliche Punkte einerſeits in dem Recht auf freie Aus-
übung, andererſeits in dem Recht auf Ausſchließung der nicht berufs-
mäßig Anerkannten beſteht.

Daraus nun entwickelt ſich das, was wir das Syſtem des Heil-
perſonals nennen. Die Verſchiedenheit der Funktionen in der Heilung
der Krankheiten nämlich macht eine Beſchränkung des Berufes auf einen
beſtimmten Theil derſelben, damit eine Beſchränkung in der Bildung,
und damit eine Beſchränkung im Rechte der Ausübung möglich, wäh-
rend alle Berufsgenoſſen und ihre Funktionen dennoch wieder innerlich
Ein Ganzes bilden. Die auf dieſe Weiſe auf Grundlage der verſchie-
denen und ſpeziellen Fachbildung entſtehende Verſchiedenheit des öffent-
lichen Berufsrechts ergibt dann die rechtliche Geſtalt des Syſtems des
Heilperſonals
. Die drei Hauptgebiete daher ſind das der Aerzte,
das der Apotheker, und das der Heildiener. Jeder dieſer Theile
hat wieder ſein eigenes Syſtem und ſein eigenes Recht mit ſeiner Ge-
ſchichte, und dieſes Recht und dieſe Geſchichte ſind wieder in den ver-
ſchiedenen Ländern ſehr verſchieden. Reich genug iſt alſo auch dieſer
Theil des Geſundheitsweſens.

Aus dem Begriffe der öffentlichen Funktion aber entſpringen in
Beziehung auf die einzelne Heilthätigkeit wieder gewiſſe Sätze, welche
dieſes Rechtsſyſtem im Einzelnen vervollſtändigen.

Zuerſt iſt das berufsmäßig gebildete Heilperſonal frei in ſeiner
Auffaſſung der Heilkunde, welche ſeiner Thätigkeit zum Grunde liegt.
Dafür aber iſt es zweitens verpflichtet, dem Kranken ſeine Hülfe
nicht zu verſagen, denn es iſt zwar kein Diener des Staats, und es
iſt ſinnlos von einem Diener des Publikums zu reden, wohl aber iſt
es Diener ſeines Berufes. Indem es dem Berufe folgt, hat es in
ſeinen öffentlichen Erklärungen das Recht des Berufes auf gerichtliche
Glaubwürdigkeit, und ſeine Anſprüche für Entgelt haben, da ſie die
Geſundheit als Bedingung aller perſönlichen Entwicklung betreffen, auch
das Vorrecht vor allen andern Arten von Forderungen.

Das ſind die allgemeinen Grundſätze, welche das öffentliche Recht

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[92/0108] Das zweite Moment dieſes öffentlichen Rechts iſt das der Prü- fung, mit welchem die berufsmäßige Bildung abſchließt. Für dieſe iſt feſtzuſtellen, daß ſich Bildungsanſtalten und Prüfungen ſtets bedingen und entſprechen, und daß daher auch die rechtliche Ordnung der einen nicht ohne die der andern formulirt gedacht werden, oder in Entwick- lung begriffen ſein kann. Das dritte Moment iſt dann die Anerkennung des Berufes, deſſen Bedingung durch die Prüfung als vorhanden geſetzt wird. Dieſe Anerkennung aber enthält wieder einen ganz beſtimmten rechtlichen Inhalt, deſſen weſentliche Punkte einerſeits in dem Recht auf freie Aus- übung, andererſeits in dem Recht auf Ausſchließung der nicht berufs- mäßig Anerkannten beſteht. Daraus nun entwickelt ſich das, was wir das Syſtem des Heil- perſonals nennen. Die Verſchiedenheit der Funktionen in der Heilung der Krankheiten nämlich macht eine Beſchränkung des Berufes auf einen beſtimmten Theil derſelben, damit eine Beſchränkung in der Bildung, und damit eine Beſchränkung im Rechte der Ausübung möglich, wäh- rend alle Berufsgenoſſen und ihre Funktionen dennoch wieder innerlich Ein Ganzes bilden. Die auf dieſe Weiſe auf Grundlage der verſchie- denen und ſpeziellen Fachbildung entſtehende Verſchiedenheit des öffent- lichen Berufsrechts ergibt dann die rechtliche Geſtalt des Syſtems des Heilperſonals. Die drei Hauptgebiete daher ſind das der Aerzte, das der Apotheker, und das der Heildiener. Jeder dieſer Theile hat wieder ſein eigenes Syſtem und ſein eigenes Recht mit ſeiner Ge- ſchichte, und dieſes Recht und dieſe Geſchichte ſind wieder in den ver- ſchiedenen Ländern ſehr verſchieden. Reich genug iſt alſo auch dieſer Theil des Geſundheitsweſens. Aus dem Begriffe der öffentlichen Funktion aber entſpringen in Beziehung auf die einzelne Heilthätigkeit wieder gewiſſe Sätze, welche dieſes Rechtsſyſtem im Einzelnen vervollſtändigen. Zuerſt iſt das berufsmäßig gebildete Heilperſonal frei in ſeiner Auffaſſung der Heilkunde, welche ſeiner Thätigkeit zum Grunde liegt. Dafür aber iſt es zweitens verpflichtet, dem Kranken ſeine Hülfe nicht zu verſagen, denn es iſt zwar kein Diener des Staats, und es iſt ſinnlos von einem Diener des Publikums zu reden, wohl aber iſt es Diener ſeines Berufes. Indem es dem Berufe folgt, hat es in ſeinen öffentlichen Erklärungen das Recht des Berufes auf gerichtliche Glaubwürdigkeit, und ſeine Anſprüche für Entgelt haben, da ſie die Geſundheit als Bedingung aller perſönlichen Entwicklung betreffen, auch das Vorrecht vor allen andern Arten von Forderungen. Das ſind die allgemeinen Grundſätze, welche das öffentliche Recht

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre03_1867/108>, abgerufen am 25.04.2024.